Er war einer der meistgesuchten Kriminellen Europas. Seine spektakuläre Verhaftung im Februar 2022 durch die Zürcher Spezialeinheit Diamant sorgte weit über die Grenzen der Schweiz hinaus für Schlagzeilen: Flor Bressers soll als „Kokain-König“ Belgiens mit besten Kontakten zu den großen Drogenbossen in Lateinamerika tonnenweise Rauschgift nach Europa geschmuggelt haben.
Der 36-Jährige gilt als besonders brutal und skrupellos. Weil er einem niederländischen Ganoven mit einer Gartenschere die Finger abgeschnitten haben soll, trägt er in der Unterwelt den Beinamen „Der Fingerschneider“. Aus Mangel an Beweisen wurde der Belgier von diesem Vorwurf rechtskräftig freigesprochen.
Einen anderen Kriminellen soll er entführt und mit einem Rasiermesser gefoltert haben, weil dieser eine Ladung Drogen verloren hatte, für die Bressers Ersatz gefordert haben soll. Wegen Geiselnahme, Erpressung, bewaffneten Überfalls und Drogendelikten verurteilte ein belgisches Gericht den Flamen im Jahr März 2020 zu vier Jahren Gefängnis.
Monatsmiete von fast 26.000 Franken
Doch statt seine Haftstrafe anzutreten, tauchte „Der Lange“, wie er in der Szene auch genannt wird, mit seiner niederländischen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind unter. Internationale Fahnder von Europol suchten die Familie in Dubai und auf den Seychellen.

Knapp zwei Jahre später, am 16. Februar 2022, kam es überraschenderweise in Zürich zum Zugriff: Kurz vor Mitternacht stürmten Elitebeamte der Kantonspolizei eine monatlich knapp 26.000 Franken kostende Luxuswohnung in einem Hochhaus im Trendquartier Zürich-West, wo Bressers mit seiner Familie unter falschem Namen lebte. Ins Visier der Schweizer Behörden gerieten sie wegen eines vergleichsweise harmlosen Delikts: Dokumentenfälschung.
250 Tage Untersuchungshaft
Die belgischen Ermittler hatten ihre Schweizer Kollegen vor der hohen Gewaltbereitschaft von Bressers gewarnt – doch dieser dürfte zu später Stunde völlig überrascht worden sein. Er und seine Freundin ließen sich widerstandslos festnehmen, kein Schuss fiel.
Ihr Sohn kam in die Obhut der Jugendbehörden. Im Oktober 2022 lieferte die Zürcher Justiz den Drogenboss unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen nach Belgien aus, wo er seither in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzt.
Seine sieben Jahre jüngere Lebensgefährtin Philomina Veenstra (Name von der Redaktion geändert) blieb im Kanton Zürich mehr als 250 Tage in Untersuchungshaft. Nun ist klar, dass sie sich am 12. Juli vor einem Zürcher Gericht wegen schwerer Geldwäscherei, mehrfacher Ausweis- und Urkundenfälschung sowie Täuschung der Behörden verantworten muss, wie der „Tages-Anzeiger“ zuerst berichtete.
Hotelaufenthalt für 75.000 Franken
Die auch dem SÜDKURIER vorliegenden Justizdokumente lassen seltene Einblicke in das prunkvolle Leben des belgischen Kokain-Königs und seiner Familie am Zürichsee zu. Sie reisten zwischen Februar und Juni 2020 mit gefälschten Reisepässen als Touristen in die Schweiz ein.
Die Staatsanwaltschaft Zürich wirft Veenstra vor, bis zu ihrer Verhaftung innerhalb weniger als zwei Jahren rund 2,5 Millionen Franken Drogengeld für sündhaft teure Apartments und Luxusgüter ausgegeben zu haben. Dabei habe die heute 29-Jährige annehmen müssen, dass das viele Geld ihres Partners aus Verbrechen – dem gewerbsmäßigen Rauschgifthandel – stammte, so die Anklagebehörde.

In der Schweiz trat Veenstra erstmals im Juni 2020 in Erscheinung, wie die Ermittler rekonstruieren konnten. Sie verfügte über eine gefälschte Identität als „Simone Jung“ mit einem auf diesen Namen ausgestellten Personalausweis und Reisepass aus Deutschland. Fast den ganzen Juni über quartierte sich die Familie im Fünfsternhotel Dolder ein – Kostenpunkt: über 75.000 Franken.
Inneneinrichtung für 174.000 Franken
Unter dem Namen Simone Jung buchte die damals 27-Jährige dann vom 29. Juni bis zum 13. Juli an einer weiteren noblen Zürcher Adresse eine Suite: im Luxushotel Baur au Lac mitten im Stadtzentrum der Limmatstadt. Pro Nacht ließ sich die Familie dies 1550 Franken kosten – insgesamt rund 22.000 Franken für zwei Wochen. Einen Tag nach ihrer Ankunft im Baur au Lac kaufte Veenstra unter ihrer deutschen Identität an der Bahnhofstraße ein Prepaid-Abo für eine Schweizer Handynummer.

Mitte Juli 2020 zügelte die Familie nach Rüschlikon in eine am Zürichsee gelegene Villa. Diese ließ Veenstra von einer Innendesignerin innerhalb von sechs Monaten für rund 174.000 Franken neu einrichten.
Etwa ein Jahr lang zahlte die Familie dort im Schnitt über 18.000 Franken Miete pro Monat, wie aus zwei Mietverträgen über 218.000 Franken hervorgeht. Passend zur exklusiven Lage mit Seegrundstück schaffte die Niederländerin ein elegantes Motorboot des Schweizer Herstellers Boesch zum Preis von 175.000 Franken an.
667.000 Franken für Schmuck und Uhren
Auch sonst war die Lebensgefährtin des belgischen Drogenbosses alles andere als geizig: Für 131 Flaschen Wein zahlte sie 400.000 Franken – macht pro Flasche über 3000 Franken. Für Kleider, unter anderem der italienischen Modemarke Loro Piana, gab sie rund 218.000 Franken aus, für Stereoanlagen und TV-Geräte waren es 134.000 Franken. In zwei neu gegründete Firmen investierte sie 110.000 Franken.
Allein der Wert der Handtaschen, die sie während ihrer Zeit in der Schweiz kaufte, wird von der Zürcher Justiz auf 77.000 Franken geschätzt. Mit Abstand am meisten Geld gab Veenstra aber für Schmuck und Uhren aus: 667.000 Franken.
Zürcher Migrationsamt getäuscht
Zumindest bei der Kleidung für ihren Partner, der mit seinen krummen Geschäften den ungewöhnlichen Reichtum erst ermöglichte, scheint sie etwas zurückhaltender gewesen zu sein: Für ihn kaufte Veenstra bei einem Zürcher Schneider maßgefertigte Anzüge im Wert von 32.000 Franken.

Mitte August 2020 beantragte die Niederländerin bei der am Zürichsee gelegenen Gemeinde Rüschlikon unter Vorlage ihrer gefälschten deutschen Identität eine Aufenthaltsbewilligung B. Dazu legte sie auch einen gefälschten Arbeitsvertrag bei, wonach sie Geschäftsführerin einer Beratungsfirma sei. Zwei Tage später leitete die Gemeinde das Gesuch an das Migrationsamt des Kantons Zürich weiter, welches sich ebenfalls täuschen ließ und die Aufenthaltsbewilligung ausstellte.
Zuerst Deutsche, dann Griechin
Gut zwei Wochen später, Anfang September 2020, eröffnete Veenstra als angeblich deutsche Staatsbürgerin Simone Jung ein Konto bei einer Bank im thurgauischen Tägerwilen am Bodensee – direkt an der Stadtgrenze zu Konstanz.
Bei ihrer Verhaftung eineinhalb Jahre später war das zuvor wohl noch prall gefüllte Konto fast leer: Lediglich ein Guthaben von 200 Franken konnten die Ermittler dort noch sicherstellen. Ähnlich verhielt es sich bei einem weiteren Konto, das die 27-Jährige bei einer Bank in Lugano besaß: Hier fanden die Fahnder gerade noch 444 Franken.

Zuvor hatte sich Veenstra jedoch eine weitere falsche Identität zugelegt. Sie gab sich nun auch als „Alexandra Sapronova“ aus und verfügte über einen entsprechenden echt wirkenden Reisepass und Personalausweis aus Griechenland. Damit beantragte sie im Juni 2021 bei einer appenzellischen Gemeinde erneut eine Aufenthaltsgenehmigung B.
Zwei weitere Konten eröffnet
Dazu legte sie einen Untermietvertrag für ein Zimmer in einer eher heruntergekommenen Wohnanlage sowie einen gefälschten Arbeitsvertrag bei einem Treuhänder in Männedorf am Zürichsee vor. Wieder gelang es ihr, die Behörden zu täuschen. „Alexandra Sapronova“ dachte nach gut einem Jahr in der Schweiz auch an ihre Gesundheit und schloss eine Krankenversicherung bei einer bekannten Gesellschaft ab.
Ab Juli 2021 wohnte die Familie aber offensichtlich nicht in einem bescheidenen Zimmer im Appenzellischen, sondern in einer Luxuswohnung in den obersten Stockwerken des 81 Meter hohen Renaissance Tower in Zürich-West. Die Kosten für die achtmonatige Mietdauer beliefen sich laut Justiz auf 206.000 Franken – dann kam es im Februar 2022 zur eingangs geschilderten Verhaftung.
Der heute 29-jährigen Philomina Veenstra drohen bei einer Verurteilung 24 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.