Melanie Fankhausers Augen leuchten, wenn sie von ihrem 448 PS starken Lexus IS-F erzählt. Vom Lenkrad über die Felgen bis zur Stoßstange hat sie an dem Auto so ziemlich alles getunt, also frisiert, was getunt werden kann. Rund 25.000 Franken habe sie bisher in ihr Auto gesteckt, davon 4000 Franken allein für die Melde- und Prüfverfahren der Fahrzeugänderungen.

„Ich wäre eigentlich die Kundin fürs Posen“, sagt die 34-Jährige und lacht. Aber eben nur eigentlich, denn die Schweizerin will dem Motorengeheul der Poser etwas entgegensetzen, wie sie beim Treffen mit dem SÜDKURIER auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums EKZ in Singen erklärt, zu dem sie in ihrem Lexus aus dem Kanton Solothurn gefahren ist.

Melanie Fankhauser beim Treffen auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums EKZ in Singen.
Melanie Fankhauser beim Treffen auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums EKZ in Singen. | Bild: Marcel Jud

Auf eben diesem Parkplatz begann vor fast genau einem Jahr eine Nacht, die in der Region noch lange nachhallte: Hunderte Fahrer hochmotorisierter Autos bahnten sich Anfang Juni dröhnend ihren Weg durch den Landkreis Konstanz, lieferten sich ein Katz- uns Maus-Spiel mit der Polizei von Singen über Stockach bis nach Konstanz. Und sorgten damit für Ärger und Schrecken unter Anwohnern.

Die meisten der an diesem Poser-Korso beteiligten Autos trugen Schweizer Kennzeichen, wie das Polizeipräsidium später bekannt gab. Bereits vor den Ereignissen dieser Nacht und über den ganzen Juni hinweg hielten Autoposer die Region auf Trab – von Singen über den Schwarzwald bis nach Friedrichshafen.

Eine Anwohnerin aus Konstanz hat in der Nacht von Samstag, 5. Juni, auf Sonntag, 6. Juni, mit der Fotokamera festgehalten, wie ein Teil ...
Eine Anwohnerin aus Konstanz hat in der Nacht von Samstag, 5. Juni, auf Sonntag, 6. Juni, mit der Fotokamera festgehalten, wie ein Teil des Poser-Korsos ihr Wohnviertel heimsuchte, der zuvor bereits den ganzen Landkreis auf Trab gehalten hatte. | Bild: Petra Geusch-Leuthe | SK-Archiv

Dem rücksichtslosen Verhalten der Poser, das seit Jahren auch in der Schweiz ein schlechtes Bild auf alle Autofans werfe, stellt Melanie Fankhauser möglichst geräuscharme Tuning-Shows entgegen, die sie seit vergangenem Jahr mit organisiert.

Wer an diesen Treffen teilnehmen will, verpflichtet sich, weder den Motor aufheulen noch die Reifen beim Burnout durchdrehen zu lassen. Auch das Gasgeben im Leerlauf für den sogenannten Soundcheck ist bei den Treffen untersagt. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird von den Veranstaltern bei der Polizei gemeldet.

Wer ist die Frau hinter den leisen Tuning-Treffen?

Ins Leben gerufen hat Melanie Fankhauser die Treffen mit Tom Linder und Andreas Imboden, die mit ihr in ihren getunten Autos auf dem Singener Parkplatz vorgefahren sind. Die drei firmieren unter dem Namen „No.Autoposer.Treff“, mit dem sie auch in sozialen Netzwerken wie Instagram aktiv sind.

Tuning-Fans unter sich (von links): Tom Linder, 28, vor seinem BMW 5er E39 523i Touring, Melanie Fankhauser, 34, mit ihrem Lexus IS-F ...
Tuning-Fans unter sich (von links): Tom Linder, 28, vor seinem BMW 5er E39 523i Touring, Melanie Fankhauser, 34, mit ihrem Lexus IS-F und Andreas Imboden, 19, der einen Lexus IS 200 sein Eigen nennt. | Bild: Marcel Jud

Die Idee sei vergangenes Jahr innerhalb der Gruppe „Lexuscrew Switzerland“ entstanden, die Melanie Fankhauser vor rund fünf Jahren für den Austausch mit anderen Fans der japanischen Automarke gegründet hat, wie die 34-Jährige erzählt. Sie selbst hat ihre Liebe zu Autos bereits in ganz jungen Jahren entdeckt.

„Die Faszination war schon immer da. Und dann kommst du automatisch in die Szene rein irgendwann.“ Mit Szene meint Fankhauser die Tuningszene. Mit 17 Jahren nahm sie das erste Mal an Treffen teil – und konnte es kaum erwarten, ihr eigenes Auto zu besitzen, wie sie rückblickend erzählt. „Da gibst du deinen ganzen Lehrlingslohn für aus“, so Fankhauser, die eine Ausbildung zur Verkäuferin von Lkw-Ersatzteilen absolvierte.

Blick ins Innere von Melanie Fankhausers Lexus IS-F. Auch bei Armaturenbrett, Lenkrad und Schalthebel hat die 34-Jährige weder Kosten ...
Blick ins Innere von Melanie Fankhausers Lexus IS-F. Auch bei Armaturenbrett, Lenkrad und Schalthebel hat die 34-Jährige weder Kosten noch Mühe gescheut, um sie zu verschönern. | Bild: Marcel Jud

Mit 18 konnte sie dann endlich an ihrem eigenen Auto rumschrauben. „Ich habe mit einem Fiat angefangen. Damals gab es noch nicht so viele Auflagen für Tuner wie heute.“ Auf den ersten Fiat folgte einige Jahre später der nächste. „Den habe ich brutal verändert. In den 2000er-Jahren war Tuning noch wirklich Tuning, da hat man es auch übertrieben.“

2008 begegnete sie dann ihrer großen Liebe: dem Lexus-Modell IS-F. Doch es sollte noch rund neun Jahre dauern, bis sie genug Geld angespart hatte, damit sie sich ihr Traumauto leisten und es nach ihren Vorstellungen umgestalten konnte.

Die Felgen von Melanie Fankhausers Lexus IS-F und Andreas Imbodens Lexus IS 200.
Die Felgen von Melanie Fankhausers Lexus IS-F und Andreas Imbodens Lexus IS 200. | Bild: Marcel Jud

Bei den Tuningtreffen sei sie früher oft die einzige Frau gewesen, erinnert sich Fankhauser. „Da waren schon auch noch ein zwei, andere, die das gemacht haben. Aber seit ein paar Jahren sind es mehr geworden.“ Sie selbst habe nie Probleme gehabt, sich in der männerdominierten Autowelt durchzusetzen, wie sie erzählt. „Ich bin da seit meiner Ausbildung in einem Männerberuf abgehärtet. In der Schule waren wir unter rund 100 Lehrlingen nur drei Frauen.“

Zwar würden auch heute noch viele denken, sie sei die Telefonistin und nicht die Expertin, wenn sie in der Firma für LKW-Ersatzteile anrufen, in der Fankhauser arbeitet. „Aber du lernst, dir Respekt zu verschaffen. Und sie merken dann auch schnell, dass ich Ahnung von meinem Beruf habe.“

„Ich bin auch keine Heilige – aber ich mache das nicht nachts“

Mittlerweile gäbe es viele Frauen, die sich wie sie fürs Tuning begeistern, so Fankhauser. Damals, als sie damit anfing, sei das anders gewesen. Und noch etwas war laut der 34-Jährigen anders als heute: „Vor zehn Jahren war die Poser-Problematik noch nicht so groß. Heute haben einige Leute mit PS-starken Autos nur ein Ziel: sehen und gesehen werden.“

Fankhauser betont, dass auch sie „keine Heilige“ sei: „Ich lasse den Auspuff ja auch mal dröhnen oder gebe Gas, wenn ich auf einer Passstraße oder auf einer deutschen Autobahn unterwegs bin. Aber ich mache das nicht nachts, nicht in der Innenstadt, nicht in Wohngebieten.“

Von ihren Besitzern gehegt und gepflegt (von links): der BMW 5er E39 523i Touring von Tom Linder, der Lexus IS-F von Melanie Fankhauser ...
Von ihren Besitzern gehegt und gepflegt (von links): der BMW 5er E39 523i Touring von Tom Linder, der Lexus IS-F von Melanie Fankhauser und der Lexus IS 200 von Andreas Imboden. | Bild: Marcel Jud

Doch warum setzt sich die 34-Jährige so gegen Poser ein? Es gehe ihr primär um die Rufrettung, erklärt Fankhauser. „Wir wollen zeigen, dass es auch andere Autobegeisterte wie uns Tuner gibt, die sich zu benehmen wissen.“ Ziel sei, dass nicht alle „in den gleichen Topf“ geworfen werden. Denn: „Wir versuchen, damit auch zu verhindern, dass die Gesetze und Auflagen für Tuner in der Schweiz noch restriktiver werden, als sie es bereits jetzt sind.“

Dass viele Poser aus der Schweiz vergangenes Jahr Südbaden heimgesucht haben, wundert Fankhauser nicht. „Das war absehbar, weil zum einen die Strafen in Deutschland für uns ja Peanuts sind. Und zum anderen ist hier in Deutschland alles größer: die Treffen, und man kann längere Ausfahrten unternehmen.“

Regeln für Tuner in Deutschland

Fankhauser jedenfalls hat für das Verhalten ihrer posenden Mitbürger keinerlei Verständnis, wie sie betont. „Das sind ja alles erwachsene Leute, die wissen müssten, dass man mit den anderen koexistieren muss und sich nicht benehmen darf wie eine Sau.“ Mit dem Schweine-Vergleich spielt die 34-Jährige darauf an, dass viele Poser nicht nur ihre Motoren laut aufheulen lassen, sondern auch Parkplätze vermüllt hinterlassen würden. Deshalb ist es bei ihren geräuscharmen Treffen Pflicht, Abfälle wieder mitzunehmen oder zu entsorgen.

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Bisher haben Fankhauser und ihre Mitstreiter sechs leise Tuning-Treffen an verschiedenen Orten in der Schweiz organisiert, das siebte steht bald an. „Beim ersten Treffen im Herbst haben noch 20 bis 30 Leute teilgenommen, letztes Mal waren es schon 150. Und wir erwarten jetzt noch mehr.“ Doch bringt das Ganze überhaupt etwas?

Die Hoffnung: Raus aus den Negativschlagzeilen

Die Nachfrage bei der in den vergangenen Jahren als Poser-Hotspot bekannt gewordenen Stadt Singen und deutschen sowie Schweizer Polizeipräsidien zeigt ein gemischtes Bild: So heißt es etwa aus dem Polizeipräsidium Konstanz, dass „präventive Kampagnen immer etwas Positives bewirken“ würden, ein Zusammenspiel aus Vorsorge und Kontrollen jedoch immer besser sei.

In einer Antwort der Singener Pressestelle wiederum wird daran gezweifelt „ob es tatsächlich eine geräuschlose Tuningszene geben kann“. Denn die Szene sei sehr heterogen, wie auch verschiedene Gespräche mit Insidern in den vergangenen Jahren gezeigt hätten.

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Melanie Fankhauser jedenfalls macht weiter mit den leisen Tuning-Treffen in der Schweiz. Das nächste ist für den 11. Juni geplant. „Ich hoffe einfach, dass das etwas bewirkt, dass wir Tuner rauskommen aus den Negativschlagzeilen und auch mal positiv über uns berichtet wird.“ Sagt es, setzt sich in ihren Lexus, startet den Motor und fährt dann fast geräuschlos davon.