Abwechslung erfreut! Warum also nicht mal ein paar Quöllfrisch-Bier aus der Schweiz mitnehmen, wenn man dort schon unterwegs ist, oder ein Fläschchen Walliser Wein? Hüten Sie sich vor solchen Gedanken, Sie könnten direkt zum Schmuggler werden!
Klingt absurd, ist aber so. Für Menschen, die im Umkreis von 15 Kilometern zur Schweizer Grenze wohnen, gelten in Deutschland viel strengere Zollregeln als für Menschen, die weiter weg wohnen. Sie haben deutlich reduzierte Freimengen, wenn sie in die Schweiz fahren und dort nicht mehr als 15 Kilometer ins Landesinnere fahren.
Klingt kompliziert, bedeutet konkret: Eine Singenerin fährt nach Schaffhausen, ein Konstanzer nach Kreuzlingen, eine Friedrichshafenerin per Fähre nach Romanshorn, ein Görwihler nach Bad Zurzach – sie alle fallen unter diese Regel.
Und die besagt: Sie dürfen abgabenfrei Waren im Wert von maximal 90 Euro aus der Schweiz mitbringen, darunter Lebensmittel im Wert von maximal 30 Euro. Alkohol ist komplett tabu. Wird er doch mitgebracht oder Waren im Wert von mehr als 90 Euro eingeführt, wird Zoll fällig.
Was an Abgaben droht
„Bei Wohnort Konstanz, Einkauf in Kreuzlingen, Einreise über ein Zollamt in Konstanz, ist eine Abgabenfreiheit für Alkohol und alkoholische Getränke ausgeschlossen“, bestätigt beispielhaft Sonja Müller, Sprecherin des Hauptzollamts Singen.
Die Einfuhr von Schaumwein kostet pauschal 2,20 Euro pro Liter, Schnaps 6,60 Euro pro Liter. Bei Bier ist die Berechnung wegen der an der Stammwürze des Bieres orientierten deutschen Biersteuer nicht pauschal möglich.
Immerhin: „Davon ausgehend, dass die Flasche Bier 0,33 Liter eine handelsübliche, nicht überaus teure Sorte ist, werden vermutlich keine Abgaben fällig“, erklärt Müller. Denn der Zoll treibt erst eine Abgabensumme von mindestens drei Euro ein – anmelden müsste man die Ware dennoch.
Bei Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die auf dem Arbeitsweg sind, gilt die Regel sogar völlig unabhängig von Wohn- und Einreiseort. Alle anderen wiederum können sie umgehen, wenn sie nur geschickt reisen. Also wenn sie weit genug in die Schweiz hinein fahren, um dort den 15-Kilometer-Radius zu brechen und jenseits dieser Entfernung zu kaufen – was man dann allerdings nachweisen muss.
Oder, etwas absurd, wenn sie einfach weit genug entfernt von ihrem Wohnort einreisen: Also wer beispielsweise als Konstanzer zwar in Kreuzlingen einkauft, aber über Stein am Rhein und die Höri zurückreist: Der Grenzübergang Öhningen ist mehr als 15 Kilometer von der Konstanzer Gemeindegrenze entfernt, die Regel greift also ebenfalls nicht.
Dann darf man wieder Waren im Wert von 300 Euro statt 90 Euro abgabenfrei einführen, und statt gar keinem Alkohol halt doch 16 Liter Bier, vier Liter Wein und einen Liter Schnaps – das sind die Höchstmengen, die auch sonst für alle Einreisenden aus der Schweiz gelten.
Was soll das?
Wenn Sie das bis jetzt alles verstanden haben, rätseln Sie wahrscheinlich nur noch: Was soll das, wer denkt sich so eine strenge und gleichzeitig leicht zu umgehende Regel aus? Die EU-Bürokraten in Brüssel? Oder doch die in Berlin? Oder ist das eine uralte Regel aus dem Kaiserreich? Das schon mal nicht.
Die aktuell gültigen Regeln wurden in den Jahren 2007 und 2008 erlassen. „Die Regelung ergibt sich aus den Vorgaben der EU“, sagt ein Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn auf SÜDKURIER-Anfrage. Zu den politischen Gründen könne man aber nichts sagen.
Aha, also doch die Brüsseler? Nicht wirklich. Zwar trat im Dezember 2007 eine entsprechende EU-Richtlinie in Kraft. Sie beinhaltet zwar Sonderregeln für Regionen, die an Nicht-EU-Länder wie die Schweiz grenzen – allerdings ausdrücklich nur als Option, nicht als Vorgabe. Es war also eine deutsche Entscheidung, diese Sonderregeln tatsächlich umzusetzen, in einer Verordnung, die im November 2008 in Kraft trat.
Die Begründung der Zoll-Regel
Warum entschied sich Deutschland dafür? Die zuständige Regierung gibt es längst nicht mehr, verantwortlich für Zollvorgaben ist das Bundesfinanzministerium – damals unter Peer Steinbrück (SPD).
Etwas anders war die Lage damals freilich noch. Der Euro war nicht wie heute nur 94 Rappen wert, sondern noch rund 1,60 Franken. Allerdings: Der Einkaufstourismus, den die Zollregel ja letztlich erschweren soll, lief schon damals längst in die andere Richtung – Schweizer kaufen in Deutschland ein, nicht umgekehrt.
Doch auch heute noch erhält man aus dem Finanzministerium auf Anfrage folgende Erklärung für die Sonderregel: Es gäbe diese Begrenzung, „damit dem Schutzbedürfnis der einheimischen Wirtschaft angemessen Rechnung getragen werden kann.“ Man mag sich ja auch gar nicht vorstellen, wie viele Hektoliter Schweizer Bier und Wein sonst tagtäglich über die Grenze gebracht werden würden...