Andrew Shields tänzelt zum Takt der Musik durch den Raum der Universität Basel. „Who‘s Afraid of Little Old Me?“ von Taylor Swift ertönt aus den Lautsprechern, während der Literaturwissenschaftler mit der quietschgrünen karierten Hose, den roten Schuhen und dem lilafarbenen Nagellack seine Schülerinnen begeistert anblickt. Seine Augen funkeln, er tippt mit seinen Fingern in der Luft. „Sie ist brillant“, sagt Andrew Shields irgendwann.

An diesem Abend findet der erste Termin des Taylor-Swift-Seminars der Volkshochschule Basel statt. „In diesem Kurs werden wir uns mit Swifts Texten befassen, um die darin enthaltenen Muster zu beschreiben und sie für uns selbst zu interpretieren“, steht in der Kursbeschreibung. Acht Termine wird es geben, der Kostenpunkt: 342 Franken, also rund 365 Euro.

Bei einem Seminar in Basel doziert Andrew Shields über die Songtexte von Taylor Swift.
Bei einem Seminar in Basel doziert Andrew Shields über die Songtexte von Taylor Swift. | Bild: Nathalie Metzel

„Swifts Texte haben viel Humor“

Dozent Andrew Shields ist Literaturwissenschaftler, er unterrichtet an der Universität Basel. Schon immer habe er beim Musik hören auf die Liedtexte geachtet. „Der meiste Pop hat nicht viele Wortspiele, maximal im Titel. Taylor Swift baut clevere Wendungen ein, ihre Texte haben viel Humor“, sagt Andrew Shields, der in den USA geboren ist.

Dozent Andrew Shields ist selbst Fan von Taylor Swift.
Dozent Andrew Shields ist selbst Fan von Taylor Swift. | Bild: Nathalie Metzel

Auf Taylor Swift wurde er durch seine Töchter aufmerksam. „Ich habe gedacht: Hey, was sie gerade gesungen hat, das ist gut. Das ist klug geschrieben.“ 2023 kauften Shields und seine Frau Konzerttickets für die vierköpfige Familie. Das Konzert fand in diesem Sommer in Zürich statt. „Wenn ich ein Konzert besuche, möchte ich mich darauf vorbereiten“, sagt Andrew Shields. Also hörte er sich ein Jahr lang durch die elf Alben – und war so begeistert von den Texten, dass er beschloss, ein Seminar darüber anzubieten.

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Uni-Seminar stieß auf großen Andrang

Schon im Frühjahr 2024 fand daher ein Swift-Seminar an der Universität Basel statt. Das Angebot stieß bei den Studierenden auf großes Interesse: „Es meldeten sich so viele Menschen an, dass wir das Seminar in einen größeren Hörsaal verlegen mussten“, sagt Andrew Shields. Außerdem gab es auch Anfragen von Menschen, die nicht an der Universität studieren. Und so brachte Andrew Shields Taylor Swift an die Volkshochschule.

14 Frauen sitzen an diesem Abend in dem Raum. Einige von ihnen sind Anfang zwanzig, andere schon 60 oder älter. An einigen Armen blitzen Freundschaftsarmbänder auf. Das gehört zur Fankultur der Swifties, wie die Fans von Taylor Swift genannt werden. Eine Mutter ist mit ihrer Tochter gekommen.

Literaturwissenschaftliche Analyse unter Swifties

Andrew Shields möchte mit der Gruppe nun den Titel von „Who‘s Afraid of Little Old Me?“ (Wer hat Angst vor dem kleinen alten Ich?) besprechen. Dazu hat er Kopien des Textes ausgeteilt, über die sich die Kursteilnehmerinnen nun beugen. Shields hat an den Rand des Textes die Zeilennummern ergänzt. „Was fällt euch ein, wenn ihr ‚Kleines altes Ich‘ hört?“, fragt Shields die Teilnehmerinnen auf Englisch.

„Ich frage mich, wen sie genau damit meint. Geht es um ihr früheres Ich?“, fragt eine Teilnehmerin, die aus Luzern nach Basel gereist ist. „Ich denke, es ist eine Art, wie sie sich kleinredet“, sagt Laura Kissling. „Es ist eine Untertreibung.“ Sie 42 Jahre alt und gemeinsam mit Caroline Tschäppät gekommen.

Caroline Tschäppät (links) und Laura Kissling sind aus dem Aargau nach Basel gereist.
Caroline Tschäppät (links) und Laura Kissling sind aus dem Aargau nach Basel gereist. | Bild: Nathalie Metzel

Neun mal Taylor Swift gesehen

„Ich habe von dem Seminar über Instagram erfahren. Wenn irgendwo Taylor Swift steht, dann klicke ich sofort“, sagt Caroline Tschäppät. Eine Stunde sind die beiden aus dem Kanton Aargau angereist. Der Preis für das Seminar sei für sie kein Problem gewesen: „Ich war bereits auf neun Konzerten von Taylor Swift – in Deutschland, Irland, England, Frankreich“, sagt Laura Kissling.

„Sie wollen gar nicht wissen, wie viel Geld ich schon ausgegeben habe.“ Die Songs von Taylor Swift faszinieren die Frauen. Sie könnten ihre Lieder stundenlang hören und würden immer wieder etwas Neues entdecken.

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Anspielung auf Charles Dickens

Das zeigt sich auch während des Kurses. Wie die Gruppe in den zwei Stunden der ersten Sitzung das Lied analysiert, erinnert an ein literaturwissenschaftliches Seminar. Andrew Shields findet in den Liedzeilen eine Anspielung auf den 1860 erschienenen Roman „Great Expectations“ des englischen Schriftstellers Charles Dickens. Das lyrische Ich zeige die Sichtweise der Figur Estella.

Im Gegensatz dazu stelle Taylor Swifts Lied „right were you left me“ die Perspektive der Figur Miss Havisham aus dem gleichen Buch dar. „Taylor Swift weiß so viel“, sagt Andrew Shields. „Ich bin mir sicher, dass sie das Buch gelesen hat. Was sie mit Sprache macht, ist das, was wir von der Literatur erwarten.“

Die Kursteilnehmerinnen nicken zustimmend, einige Frauen machen Notizen in mitgebrachte Notizbücher. Laura Kissling und Caroline Tschäppät hat der erste Termin gut gefallen. „Es war sehr interessant. Von welchem anderen Künstler nimmt man die Liedtexte so auseinander?“

Sicherer Ort für die Fans

„Ich hoffe, dass die Teilnehmerinnen am Ende des Seminars verstehen, was die Lieder von Taylor Swift so anziehend macht“, sagt Andrew Shield. „Und dass sie auch verstehen, weshalb sie solch einen Erfolg hat.“

Im Seminar zeigt sich auch: Für die Fans ist Taylor Swift mehr als nur Musik. „Hattet ihr schon einmal Angst, dass Betäubungsmittel in euren Getränken sind, wenn ihr abends ausgeht?“, fragt Shields, als es gerade darum geht, was Swift mit dem Wort „narcotics“ (Betäubungsmittel) meint. „Ja, klar. Als Frau immer!“, antwortet Caroline Tschäppät. „Wie die Fangemeinde miteinander umgeht, ist wirklich schön“, sagt Laura Kissling später. Für sie macht der Zusammenhalt der Swifties einen großen Teil der Faszination aus.

Der Basler Kurs spürt dieser Begeisterung nun noch in sieben weiteren Terminen nach. Und Andrew Shields wird dabei wohl noch ein paar Mal durch den Raum tanzen.