„Der Mörder befindet sich auf freiem Fuß und ich sitze hier“ – es ist eine von vielen Zeilen, die der Angeklagte in einem Brief aus der Haft niederschreibt. Doch während der Mann schriftlich seine Unschuld beschwört, belasten ihn vor Gericht weitere Indizien.
Es ist der vierte Verhandlungstag am Waldshuter Landgericht, bei dem sich der 39-Jährige wegen Totschlags verantworten muss. Vergangenen Sommer soll er einen Wildcamper am Rheinufer erschlagen haben, lautet der Vorwurf.
Markantes Kleidungsstück belastet den Angeklagten
Ein Polizist aus Waldshut-Tiengen liefert dem Gericht an diesem Tag ein Detail, das den Angeklagten schwer belasten könnte. Im Zeugenstand schildert der 24-Jährige, wie er einige Tage nach der Tat den Uferbereich mit dem Ziel absuchte, mögliche Zeugen der Tat zu finden. Dabei habe er – etwa 200 Meter südlich des Tatorts – auf einem Baumstamm ein dunkles T-Shirt mit einem aufgedruckten Löwenkopf entdeckt.
Ein Fund, der den Angeklagten weiter in Bedrängnis bringen könnte. Denn Fotos, die dem Gericht vorliegen, zeigen diesen mit einem nahezu identischen Shirt. Zudem bestätigte eine Sachverständige des Kriminaltechnischen Institut (KTI) Stuttgart wenig später im Zeugenstand, an dem gefundenen Kleidungsstück die DNA des Angeklagten nachgewiesen zu haben.
Woher die Fotos des Angeklagten mit besagtem T-Shirt stammen und wann sie aufgenommen wurden, sei noch nicht Gegenstand der Verhandlung, erklärt Staatsanwältin Rahel Diers auf Nachfrage. Ein weiterer Zeuge, der zum nächsten Prozesstermin geladen ist, soll dazu Genaueres sagen können.
Zeugin bestätigt maßgebliche DNA-Spuren
Weil niemand die brutale Tötung des Wildcampers bezeugen kann, muss sich das Gericht weiterhin auf Indizien berufen. Ausschlaggebend sind dabei besonders die DNA-Spuren des Angeklagten, welche die Biologin des KTI an verschiedenen Gegenständen nachweisen konnte.
Da ist beispielsweise der Zigarettenstummel vom Tatort, an dem Speichelspuren beider Männer gesichert wurden. Wesentlich ist auch der sogenannte Grinder, den Beamte in der Nachttischschublade des Angeklagten fanden. Auf der Mühle für Marihuana klebten DNA-Spuren des Opfers sowie des Angeklagten, so die Zeugin.
Eine Sonnenbrille, die in einem Schrebergarten nahe der Badestelle gefunden wurde, führe auch zu dem 39-Jährigen, ebenso wie die am Tatort gefundenen Kopfhörer, die der Mann wohl dort verloren haben muss. Die Videoüberwachung eines Supermarkts zeigte ihn mit den Kopfhörern um den Hals am Nachmittag vor der Tat.
Schließlich bestätigt die Biologin, auch an dem mutmaßlichen Tatmittel – einem massiven Scheitholz – „nahezu alle DNA-Merkmale des Tatverdächtigen“ festgestellt zu haben.
DNA-Spur an Penis weiter ungeklärt
Eine Frage, die das Gericht schon seit Beginn des Prozesses beschäftigt, kann auch die Zeugin des KTI nicht beantworten: Warum wurde die Leiche des Schweizers mit heruntergezogener Hose aufgefunden? Und wie erklären sich die DNA-Spuren des Angeklagten am Genital des Getöteten? „Die heruntergezogene Hose könnte auf einen sexuellen Hintergrund der Tat hindeuten“, merkt sie zwar an.
Dafür gebe es aber bisher keine eindeutigen Beweise. Die DNA-Spur müsse nicht zwangsläufig durch direkten Kontakt an den Penis des Opfers gelangt sein, betont die Biologin. Derartige Spuren könnten auch indirekt übertragen werden.
Angeklagter äußert sich erstmals zur Tat
Vor Gericht hat sich der 39-Jährige zur Tatnacht bisher nicht geäußert. Wohl aber in zwei Briefen, die er aus der Haft an seine Lebensgefährtin in Lettland schrieb. „Hallo mein Sonnenschein“, beginnt eine der Nachrichten, Richter Martin Hauser verliest sie im Verhandlungssaal.
Mehrfach betont der Mann in seinem Schreiben, er könne sich nicht erklären, was ihm gerade widerfährt. „Ich wollte einfach am Fluss laufen, ich war betrunken und stark bekifft. Da war ein junger Mann, er war auf Drogen und aggressiv“, liest der Richter weiter vor. „Er hat sich auf mich geworfen. Dann bin ich nach Hause gegangen. In der gleichen Nacht wurde er getötet.“
Jetzt müsse er seine Unschuld beweisen, schrieb der Mann weiter. Er könne nicht verstehen, warum nur seine DNA-Spuren am Tatort gefunden wurden, wenn doch jemand anderes den Mann ermordet hat.
Wie seine DNA allerdings an den Zigarettenstummel, die Kopfhörer und den Holzscheit gelangt ist, erklärt diese Version der Geschichte nicht. Passend dazu richtet Martin Hauser zum Ende der Verhandlung folgende Worte an den Angeklagten: „Das sind ein bisschen viele Spuren von Ihnen an Dingen des Getöteten. Und deshalb sitzen Sie hier.“
Am Montag, 15. Januar, soll weiter verhandelt werden. Die Urteilsverkündung ist auf den 23. Januar angesetzt.