Es zieht wie Hechtsuppe in Berlin. Überall stehen an diesem Wochenende die Türen sperrangelweit offen. Am Berliner Stadtschloss ist es der „Tag der offenen Baustelle“ und über die ganze Stadt verteilt öffnen beim „Tag der offenen Bundesregierung“ Kanzleramt und Ministerien ihre Pforten, um den Besuchern Einblicke in ihre Arbeit zu geben. Offene Baustellen hat es in der Stadt und in der Politik genug, doch so viel zu sehen wie im Humboldt-Forum gibt es sonst nirgends. Ins Schloss soll unter anderem das Etymologische Museum und das Museum für asiatische Kunst einziehen. Es ist die sechste Baustellenbesichtigung und auch die letzte. Denn der nächste Besuchstag für die Öffentlichkeit dürfte Ende nächsten Jahres sein, wenn die Eröffnung feierlich begangen werden soll. Ein genaues Datum wird nicht genannt, in Berlin ist man nach dem Flughafen-Debakel vorsichtig mit Eröffnungsterminen. Ursprünglich sollte es der 14. September 2019 sein, der 250. Geburtstag Alexander von Humboldts, aber davon ist nicht mehr die Rede.
Dennoch liegt Berlins schönste und auch umstrittenste Baustelle gut im Zeit- und Kostenplan. Und das trotz aller Schwierigkeiten, die die gegenwärtige Bau-Hochkonjunktur mit sich bringe, wie Bauleiter Hans-Dieter Hegener stolz verkündet. Seit dem ersten Spatenstich, am 12. Juni 2013 ist inzwischen die mit 750 Metern größte Barockfassade nördlich der Alpen mit einem Kostenaufwand von 620 Millionen Euro entstanden.
Es gibt wieder Schlosskonzerte
„Ein Traum wird gebaut“ heißt ein Film, der im Schlüterhof im Zeitraffer das in die Höhe Wachsen des Betonskeletts und die Verkleidung mit 3,5 Millionen roten Ziegelsteinen dokumentiert. Zum Filmegucken ist dieser Ort allerdings fast zu schade. Denn die Rekonstruktion des von Barockbaumeister Andreas Schlüter gestalteten preußischen Paradehofs und seine Einbindung in die moderne Betonarchitektur gilt als Herzstück des gesamten Schlossareals. Nicht umsonst spendieren die Berliner Philharmoniker unter ihrem designierten Leiter Kirill Petrenko dem Schloss ein Benefizkonzert, mit Kartenpreisen von 270 bis 350 Euro. Außerdem soll damit die Vorkriegstradition der Schlosskonzerte wiederbelebt werden, die unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler hier stattfanden.
Im Zelt vor dem Bau erzählen Steinmetze der Schlossbauhütte mit Leidenschaft und Begeisterung von ihrer Arbeit, Museumsdirektor Lars-Christian Koch schildert, mit welcher Präzision tonnenschwere Skulpturen auf ihre Sockel gehievt werden oder Südseeschiffe des Etymologischen Museums in klimatisierten Kisten ins Haus kommen, so groß, dass erst nach ihrem Eintreffen die Eingänge gemauert werden können. Daneben sprechen Mitglieder des Fördervereins Berliner Schloss e. V. Besucher an und bitten engagiert um Spenden. 80 Millionen Euro waren aufzubringen zur Gestaltung der Fassade, jetzt sind bereits 85 Millionen beisammen, doch der Aufwand beziffert sich inzwischen auf 105 Millionen. Spätestens, wenn im November die letzten Gerüste fallen und den Blick freigeben auf den kunstfertigen Bau, wird die Spendenbereitschaft noch einmal ansteigen, da ist sich der Geschäftsführer des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, sicher. Bis Ende nächsten Jahres wollen die rührigen Spendeneinsammler auch das noch schaffen.

Doch wie verewigt man die Namen von tausenden Spendern? Die Digitalisierung macht’s möglich. Auf einem großen Display am Portal IV schwirren alle Namen wie ein Schwarm durcheinander. Wird der Name eines Spenders eingetippt, erscheint dieser groß auf dem Bildschirm, bleibt dort stehen und verweist dann auf den gespendeten Baustein und dessen Platzierung, bevor der Name dann wieder verschwindet und mit dem Schwarm weiterfliegt.
Inzwischen machen sich die Besucher auf, um über staubige Rohbau-Treppen hinaufzugelangen zu den weitgehend bezugsfertigen Museumsräumen. In den hellen, lichtdurchfluteten Räumen mit herrlicher Aussicht auf Dom, Lustgarten und Altes Museum sind die Bodenbeläge bereits verlegt, die Elektro-Installationen abgeschlossen, hier könnten die Museumsmacher aus Dahlem ihre Exponate schon auspacken und mit der Einrichtung beginnen. Nur in den Nebenräumen und in den Eingangsbereichen stapeln sich noch Baumaterialien und erinnern daran, dass das Humboldt-Forum im Berliner Schloss noch mehr als ein Jahr lang Baustelle bleiben wird.

Seine Krönung wird der Bau im wahrsten Sinne des Wortes erst am Ende mit dem Anbringen des heftig umstrittenen vergoldeten Kreuzes auf der Kuppel erfahren. Ein spektakulärer Schlusspunkt eines spektakulären Bauwerks.
Berliner Stadtschloss
Erbaut ab 1443, zahlreiche Erweiterungen im 18. Jahrhundert (Andreas Schlüter), ab 1871 kaiserliche Residenz. In der Weimarer Republik Museum. Schwere Schäden im 2. Weltkrieg, 1950 ließ die SED das Gebäude sprengen, um den Marx-Engels-Platz anzulegen. Ab 1973 entsteht dort der Palast der Republik, der zwischen 2006 und 2009 wieder abgerissen wird. 2013 beginnt der Wiederaufbau des Stadtschlosses mit den barocken Fassaden. Im Gebäude befindet sich das Humboldt-Forum mit Ausstellungsflächen für das ethnologische Museum Dahlem und das Museum für asiatische Kunst. Eröffnung soll Ende 2019 sein. (baw)
.Das sind die Argumente für und gegen das Kreuz auf der Kuppel:
http://www.sk.de/9292927