Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten – heute ist Tobias Engelsing an der Reihe, Direktor der Städtischen Museen Konstanz.
Wissen Sie in der Regel, was Sie hoffen?
Dass der Alltag gut gelingen möge, der Rest ist doch sehr von Zufall, Schicksal oder den Genen bestimmt.
Können Sie ohne Hoffnung denken?
Als Historiker: Ja, denn die Geschichte bietet wenig Anlass zu hoffnungsvoller Weltsicht. Als Mensch: Nein, denn Lebenssinn ergibt sich auch daraus, dass man immer wieder „dennoch!“ sagt.
Hoffen Sie auf ein Jenseits?
Die Weltreligionen haben Himmel und Hölle erfunden, damit das düstere Dasein auf Erden erträglicher wird und der Mensch an der Ungerechtigkeit der Welt nicht völlig verzweifelt. Ich glaube nicht an ein Wiedersehen mit meinem Mathelehrer in einem möblierten Jenseits, und das ist auch ganz ok so.
Kann Ideologie zu einer Heimat werden?
Ist Heimat in der Geschichte der Menschen jemals ohne Ideologie gedacht worden? Schwache Geister brauchen einen Überbau, der an sich freundliche Heimatbegriff war und ist zu oft eine der Requisiten vor allem völkisch-nationalistischer Ideologien.
Empfinden Sie die Erde überhaupt als heimatlich?
Wer an einem frühen Nebelmorgen im Boot auf dem Untersee rudert oder auf einem Bergesgipfel im Appenzellerland sitzt, weiß, dass die Erde ein heimatlicher Ort ist.
Können Sie sich ohne Heimat denken?
Theoretisch ja, denn sehr leicht hätte man zu einer Zeit leben können, in der man die Heimat verliert und anderswo nicht willkommen ist, wie es heutzutage wieder so vielen passiert. Aber ich bin dankbar, weil ich da, wo ich leben darf, auch be-heimatet bin.
Warum scheuen Revolutionäre Humor?
Weil auch Revolutionäre nur zwei Lager kennen: Die Guten und die Bösen. Ausgleichender Humor ist nichts für Akteure im vermeintlichen Vollbesitz der Wahrheit.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Humor ist oft zu versöhnlerisch. Wirklich Nervtötendes ertrage ich mit Ironie, am liebsten laut geäußert, das befreit, macht aber keine Freunde.
Verändert sich im Alter der Humor?
Erwartet wird, dass man milder und heiterer werde. Leider ist das bei mir nicht durchgängig der Fall. Allgemeinen menschlichen Schwächen gegenüber bin ich liberaler, hoffe aber natürlich auch auf Nachsicht meinen Schwächen gegenüber. Aber die wirklichen Skandale unserer Zeit – zum Beispiel die Digitalisierung auf Kosten der Freiheit, neue Sklavenhalterei, Ausbeutung und Verdreckung des Planeten – kann ich weder milde noch humorvoll sehen.
Tobias Engelsing, 58, Dr. phil., hat Geschichte, Jura und Politik studiert. Er leitet seit 2007 die vier Städtischen Museen Konstanz und ist als Journalist und Buchautor tätig.