Syrien ist für viele von uns der Schauplatz eines brutalen Krieges. Aber wissen wir wirklich, was sich in Syrien zuträgt? Wenn man die Seele eines Volkes verstehen will, muss man seine Schriftsteller lesen. Der 1964 geborene Khaled Khalifa erzählt in seinem Roman von drei Geschwistern, Fâtima, Bulbul und Hussain, die vor einer geradezu irrwitzigen Herausforderung stehen.
Sie wollen dem Wunsch des Vaters entsprechen und ihn im 300 Kilometer entfernten Heimatort beerdigen. In einem Kleinbus transportieren sie die Leiche. Da die Fahrt durch das gewaltgeschüttelte Land nicht enden will, setzt der Verwesungsprozess ein. Khalifa schildert dies in schonungsloser Detailgenauigkeit. Ein Symbol für die Situation auch ganz aktuell?
Natürlich enthüllt der Roman die durch den Krieg entstandene Wirklichkeit. Neue Zuständigkeiten, Korruption und Kontrollen lassen die eigentlich kurze Reise endlos lang werden. Die Erlebnisse der drei Geschwister zeigen die gnadenlose Realität – und auch dem Leser wird schnell klar, dass es für Träume hier keinen Platz mehr gibt.
Der in der syrischen Stadt Aleppo geborene Khalifa beschreibt nicht nur den Krieg und was er aus dem Land gemacht hat, er geht noch weiter zurück und zeigt auf, wie die Strukturen vor dem Ausbruch des Krieges ausgesehen haben und wie das Land nach und nach von unterschiedlichsten Kräften in Besitz genommen wurde. Beim Leser wachsen die Zweifel, ob sich dies alles in überschaubarer Zeit überhaupt wieder heilen lässt.

Anhand des Romans verstehen wir, warum viele Syrer in ihrem Land keine Perspektive mehr sehen. Warum junge Menschen, die aus ihrem Leben etwas machen wollen, flüchten. Er zeigt auch, dass vor allem junge Männer nicht in den Dienst einer brutalen Armee oder einer nicht weniger brutalen Miliz gezwungen werden wollen.
Wenn wir diesen Roman lesen, werden wir unsere freiheitliche Demokratie mit all ihren Problemen und Sorgen noch mehr oder vielleicht wieder schätzen. Vielleicht wächst auch unser Verständnis vor allem für junge Menschen, die sich gezwungen sehen zu flüchten, weil sie aus ihrem Leben noch ein bisschen etwas machen wollen.