Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten – heute ist Wladimir Kaminer an der Reihe, der bekannte deutsche Schriftsteller (“Russendisko“) mit russischen Wurzeln. Er macht es ganz pragmatisch – und schreibt eine einzige Antwort auf alle Fragen.

Ich stelle mir die Erde als eine große Küche vor, mit mehreren Tischen und Kühlschränken. Überall sitzen Menschen, essen, trinken, rauchen und führen anregende Gespräche. Die Küche ist in meinen Augen eine ideale, perfekte Welt. Denn was können die Menschen am besten? Sie werden nie wie Vögel fliegen oder wie Fische schwimmen lernen, dafür können sie stundenlang über Gott und die Welt reden, Meinungen austauschen, lästern und loben, das können nur Menschen und ich mache da gerne mit.

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Ich weiß es sehr zuschätzen, in diese Küche hineingeboren zu werden, weiß allerdings auch von ihrer Endlichkeit. Einige von uns, Insassen, haben vielleicht eine unsterbliche Seele, aber die Küche fliegt uns irgendwann um die Ohren, das steht fest. Wir können es nicht ändern, aber bis es soweit ist, machen wir es uns gemütlich. Es gibt noch viel zu besprechen. Ich hoffe sehr, bei der Fortsetzung des Gesprächs noch eine Weile dabei zu sein und ich habe keine Angst davor, alt zu werden.

Alte Menschen sind so, junge Menschen sind anders, alles Klischees und Vorurteile.

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Schön wäre es, wenn Menschen mit dem Alter etwas Weisheit oder Würde akkumulieren könnten, aber nix da. Der Mensch ist wie eine brennende Kerze, er verändert sich jede Sekunde, nach Windrichtung, Lust und Laune. Seine Form, seine Festigkeit, seine Intensität, sein Geschmack, nichts davon hat Bestand. Deswegen gibt es so viele vergreiste Kinder und Hundertjährige, die unmöglich kindisch wirken.

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Das Leben ist eine Tragödie, wir werden alle einsam sterben, ohne zu wissen, wieso wir überhaupt hier waren. Unsere Lebens-Erwartungen werden nicht erfüllt (Ich entschuldige mich für diese harschen Worte, es ist aber so). Und deswegen brauchen wir Humor, als Medizin für die Seele. Man muss über die Tragödie des Lebens lachen lernen, sonst wird sie zur Sackgasse und nicht zu überwinden. Weinen kann zwar auch tröstlich sein, bringt aber einen nicht weiter. Ernste Menschen werden öfter krank, es sei denn sie sind Revolutionäre.

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Die Revolutionäre nämlich halten nichts von Humor, weil sie ernst genommen werden wollen. Sonst würden die Menschen denken, ihre Revolution sei bloß ein Aprilscherz und machen nicht mit. Obwohl, manche Revolutionäre hatten sogar Humor. So schrieb Wladimir Lenin kurz vor seinem Tod an Leo Trotzki. „Lieber Leo, wir haben auf das falsche Pferd gesetzt. Wer hätte gedacht, dass dieses russische Proletariat ein solcher Haufen fauler Kleinbürger ist, sie haben überhaupt keine Neugier auf die Zukunft! Hätten wir bloß die Revolution mit den Kindern, Jugendlichen oder mit den Deutschen gemacht, wären wir schon viel weiter. Lass uns das beim nächsten Mal bitte berücksichtigen.“