Herzlichen Glückwunsch, Herr Zuchtriegel, zum neuen Job in Pompeji, laut Kulturminister Dario Franchesini der „schönste Archäologenposten der Welt“. Schon vor dieser Berufung gehörten Sie als Leiter der Archäologischen Parks in Paestum zum Kreis der zwanzig Direktoren, die für die großen staatlichen Museen in Italien verantwortlich sind. Was macht den Unterschied?
Pompeji ist ein Ort mit starker Symbolwirkung und einem Denkmalbestand, der äußerst komplex ist und daher nach innovativen und kreativen Lösungen verlangt. Also eine große Herausforderung, die ich aber gerne annehme, auch da ich vor einigen Jahren schon in Pompeji gearbeitet habe und weiß, dass ich auf ein tolles Team zählen kann.
Sie besitzen, in Weingarten geboren, in Ravensburg aufgewachsen, seit einem halben Jahr auch die italienische Staatsbürgerschaft. Warum sind Sie ein Italiener geworden?
Ich lebe und arbeite seit neun Jahren in Italien mit meiner Frau und zwei Kindern, hier fühle ich mich mittlerweile mehr zuhause als in Deutschland, obwohl ich immer gern ins „Ländle“ zurückkomme.

Franceschini, der die Nachricht über die Neubesetzung öffentlich machte, lobte ihre Arbeit in Paestum auch unter dem Gesichtspunkt, dass sie die Besucherzahlen um ein Drittel auf 430.000 im Jahr 2019 gesteigert haben. Ist das auch ein Ziel für die Museen der versunkenen Stadt Pompeji am Golf von Neapel?
Die Besucherzahlen sind im Moment schwierig zu beurteilen, vor allem wegen der Pandemie. Prioritäten werden Inklusion und Barrierefreiheit, Forschung, und Denkmalschutz sein, letzteres auch mit innovativen Techniken, die uns helfen sollen, die Auswirkungen des Klimawandels auf das Kulturerbe einzudämmen.
Ihr Vorgänger in Neapel, Massimo Osanna, schreibt in einer Rückschau, dass er Pompeji aus dem „Sumpf der Skandale und Einstürze“ gezogen habe. Ist das Feld also bestellt?
Osanna hat große Arbeit geleistet, jetzt wird es darum gehen, den eingeschlagenen Weg zu konsolidieren und uns für die Zukunft zu rüsten.
In einem ersten Statement sagten Sie, dass der Denkmalschutz Vorrang habe vor neuen Ausgrabungen. Was heißt das konkret?
Eine Ausgrabung ist nicht wiederholbar; die ergrabenen Schichten werden dabei vernichtet. Daher muss man gut dokumentieren und vorsichtig sein. Außerdem muss das, was ausgegraben wird, auch entsprechend konservatorisch behandelt werden. Daher: Ausgrabungen nur, wenn sie in eine komplexe Strategie aus Denkmalschutz und Publikumsvermittlung eingebunden sind.

Wie haben Sie als Museumsdirektor in Paestum bisher die Coronakrise erlebt?
Wegbrechende Ticketeinnahmen sind ein Problem für unsere Bilanz, aber bisher haben staatliche Hilfen das abgefangen.
Sie haben ihr ganzes bisheriges Berufsleben im antiken Süditalien verbracht. Das hat sich so ergeben oder stand dahinter ein großer Plan?
Überhaupt kein Plan, nur Spaß an der Archäologie und am Entdecken anderer Kulturen. Wenn dem Buben aus Oberschwaben, der ich mal war, jemand gesagt hätte, er wird mal Direktor von Pompeji, hätte ich geantwortet: Bei dir piept‘s wohl.
Eine Rückkehr nach Deutschland – das ist wohl unwahrscheinlich. Zu graben gibt es hier nicht so viel…
…doch, jede Menge, sogar die Römer kamen bis nach Oberschwaben. Hinter jedem Weiler versteckt sich eine oft hundert oder sogar tausendjährige Geschichte.
Haben und halten Sie noch Kontakte nach Oberschwaben?
Die Täler und Hügel um den Höchsten werden für immer meine Heimat sein, und ich komme immer gern zurück um alte Freunde zu sehen.