Am Anfang war nicht einmal das Wort. Am Anfang war das Geräusch. Das Klopfen auf ein Mikrophon, dann ein Räuspern. Jemand versucht, sich Gehör zu verschaffen. Wieder ein Klopfen, wieder ein Räuspern. Worte kommen erst später. Doch es sind zunächst nur Wörtchen wie „okay“, „so“, „gut“, „also“. Wer geglaubt hat, Kommunikation finde in vollständigen Sätzen aus sinnvollen Worten statt, muss sich eingestehen, dass es in Wirklichkeit viel banaler abläuft.
Bevor tatsächlich Sätze fallen, wird erst einmal geräuschhaft um Aufmerksamkeit gerungen. Sinnfrei ist diese Form der Prä-Kommunikation zwar nicht, ein bisschen komisch aber schon. Jedenfalls wenn man sich darauf fokussiert und aus Klopfen, Räuspern und Füllwörtern eine rhythmische Komposition schafft, die von einem kompletten Ensemble synchron vollzogen wird.
Von der Bibel bis zum Klimastreik
So geschehen in dem Musiktheater „Unmögliche Verbindung“, das Ondrej Adámek und Thomas Fiedler für und mit dem Frankfurter Ensemble Modern konzipiert und komponiert haben. Es wurde nun unter der Leitung des Komponisten Adámek bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt. Kommunikation ist das übergeordnete Thema dieses Stücks, besser gesagt Kommunikation, die aus unterschiedlichsten Gründen erschwert wird oder scheitert.
Die Textauswahl schlägt dabei einen Bogen von der Bibel über Leonardo da Vinci bis zu den Fridays for Future. Das klingt erst mal ziemlich abstrakt und ist es auch. Umso erstaunlicher, dass es den Machern und Macherinnen gelungen ist, daraus 80 überaus kurzweilige Minuten zu zaubern.
Das mag zum einen daran liegen, dass das Stück eine Gemeinschaftsarbeit ist, die Komposition also nicht im stillen Kämmerlein entstanden und dann von Musikern einstudiert und einem Regisseur auf die Bühne gehoben wurde.
Vielmehr haben die 13 Musiker und Musikerinnen des Ensemble Modern das Stück von Anfang an mit entwickelt. Sie spielen nicht nur auf ihren Hauptinstrumenten, sondern singen, sprechen und agieren auch szenisch. Und auch Komponist Ondrej Adámek und Regisseur und Autor Thomas Fiedler haben Hand in Hand gearbeitet.
Zugängliche Musiksprache
Zum anderen ist Adámeks Musiksprache recht zugänglich. Ähnlich wie in der Minimal Music eines Steve Reich arbeitet der Komponist mit rhythmisch pulsierenden Patterns oder lässt Instrumente die Sprachmelodien nachzeichnen. So entstehen eingängige Strukturen, die Klang, Rhythmus, Text und Szene gleichwertig nebeneinander bestehen lassen.
Hinzu kommen zwei Darstellerinnen – eine Sängerin (Tara Khozein) und eine Schauspielerin (Hanni Lorenz) -, die identisch gekleidet optisch fast ununterscheidbar wie eine Figur auftreten (Bühne und Kostüme: Christian Wiehle). Immer wieder gibt es auch Solopassagen oder auch Instrumentaleinlagen, die einmal mehr daran erinnern, mit welchen Ausnahmemusikern wir es hier zu tun haben.
Sprachlosigkeit in unserer Kommunikationsgesellschaft – denkt man an die abnehmende Bereitschaft, sich auf Debatten und Argumente einzulassen, ist das Thema eigentlich hoch aktuell. Doch Adámek und Fiedler wollten die Tagespolitik draußen lassen. Sie beobachten mehr als dass sie Stellung beziehen. Und ziehen sich dabei auf ganz grundsätzliche Fragestellungen zurück.
Es beginnt mit René Descartes Selbstbefragung (“ich bin, ich existiere“) und führt über die babylonische Sprachverwirrung bis zur Frage, was nach dem Tod bleibt. Der Kreislauf vom Werden und Vergehen wird so in einem großen dramaturgischen Bogen nachgezeichnet.
Zu Beginn ist da nur die Black Box, aus der zunächst nur eine Stimme erklingt und dann eine der Frauen heraustritt. Es werden immer mehr, die Erde bevölkert sich. Zwei große Ohr-Skulpturen deuten an, dass die Menschen nun in Interaktion miteinander treten, sie greifen zu Instrumenten, gestalten ihre Umgebung, bilden Kreise aus Mikrofonen und Stühlen – und teilen sich so in Gruppen. Den Turmbau zu Babel veranschaulicht ein Video mit Verkehr, wie er um die Erdkugel kreiselt.
Die menschliche Hybris mündet schließlich in einen brennenden Globus – und in dem Bewusstsein der eigenen Endlichkeit. Übrig bleibt ein Mann, der seinen Schuh in der Hand trägt. Die Menschheit tritt ab. Ein eindringliches Bild.