„Der Schwarzwald hat eine ganz eigentümliche Mystik. Er strahlt etwas Geheimnisvolles aus und vermittelt ein erhabenes Gefühl, das die Menschen schon seit Jahrhunderten in seinen Bann zieht.“ Tobias Jost klingt wie ein Reiseführer, und rund um Furtwangen dürfte er sich in der Tat gut auskennen: Hier entsteht seit gut 30 Jahren die SWR-Serie „Die Fallers“.

Am 25. September 1994 lief die erste Folge im dritten Programm. Mittlerweile sind sonntags um 19.15 Uhr mehr als 1200 Episoden über das Leben rund um den Bauernhof der Fallers ausgestrahlt worden, die Serie ist eine der dienstältesten Produktionen dieser Art im deutschen Fernsehen. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Jost gehört seit Jahrzehnten zur „Fallers“-Familie, erst als Autor und ab 2000 als Mitglied der Redaktion, die er seit 15 Jahren leitet. Langlaufende Serien, sagt er, müssten verschiedene Voraussetzungen erfüllen. „‚Die Fallers‘ ist eine Familienserie, deshalb wird uns der Stoff nie ausgehen: Die Älteren sterben irgendwann, die Nachkommen nehmen ihre Stelle ein.“

Zweiter Erfolgsgrund seien die Figuren: „Sie müssen glaubwürdig sein, damit sich die Menschen in ihnen wiederfinden. Dabei spielt natürlich auch das sogenannte Setting eine Rolle: Es geht nicht um die besserverdienende Großstadtelite, sondern um ganz normale Leute mit nachvollziehbaren Problemen.“ Der entscheidende Punkt ist aber wohl der Handlungsort: „Der Schwarzwald ist unser Alleinstellungsmerkmal.“

Seit 13 Jahren trägt die Serie den Zusatz „Die SWR Schwarzwaldserie“, und damit liegt der Sender voll im Trend: Selbst Krimi-Reihen wie „Usedom-Krimi“ (ARD), „Erzgebirgskrimi“ oder „Spreewaldkrimi“ (beide ZDF) werben im Titel mit dem jeweiligen Schauplatz. Dank der konkreten Verortung in einer bestimmten Region, glaubt Jost, „wirken Figuren und Geschichten authentischer“.

Der wortkarge Thorsten Krüger (Christian Redl) ermittelt im Spreewald. Die Reihe greift bekannte Orte, Feste, Sagen und andere regionale ...
Der wortkarge Thorsten Krüger (Christian Redl) ermittelt im Spreewald. Die Reihe greift bekannte Orte, Feste, Sagen und andere regionale Besonderheiten auf. | Bild: Arnim Thomaß

Gerade die ländlichen Handlungsorte spielten dabei eine große Rolle. Auch dafür taugt „Die Fallers“ als Beleg: „Fast ein Drittel unseres Publikums lebt nicht im Sendegebiet. Diese Menschen schauen die Serie nicht zuletzt wegen der Landschaft, die sie anspricht.

Der Schwarzwald ist ja ein Sehnsuchtsort.“ Ein weiterer Aspekt sei das gute Gefühl, das die Geschichten vermittelten: „Konflikte sind der Motor jeder guten Handlung, aber unser Publikum hat die Gewissheit, dass es in eine Welt eintauchen kann, in der die Probleme nicht ganz so gewaltig wie in der Wirklichkeit sind. Das betrachten wir auch als unseren Auftrag.“

Die Idee, den Menschen kleine Fluchten aus dem Alltag zu gönnen, ist nicht neu: Kaum ein Genre hat dieses Bedürfnis so perfekt bedient wie der Heimatfilm der 50er-Jahre. Es passt ins Bild, dass mit der Operettenverfilmung „Schwarzwaldmädel“ (1950) ausgerechnet eine Geschichte aus dem Schwarzwald den damaligen Boom ausgelöst hat.

Der Film „Schwarzwaldmädel“ mit Sonja Ziemann löste den Heimatfilm-Boom aus.
Der Film „Schwarzwaldmädel“ mit Sonja Ziemann löste den Heimatfilm-Boom aus. | Bild: HDF, Stuttgart

Auch das Fernsehen hat damals bereits viel mit Regionalkolorit gearbeitet. Ein Grund dafür war die Binnenintegration, wie der Marburger Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger erklärt: „Die Bundesrepublik Deutschland war ebenso wie viele ihrer Bundesländer ein künstliches Gebilde, in das außerdem die Vertriebenen aus den früheren deutschen Ostgebieten integriert werden mussten.

Radio und Fernsehen sollten für ein gemeinsames Wir-Gefühl sorgen, und das funktionierte am besten über den Begriff Heimat.“ Serien wie „Die Fallers“, „Dahoam is dahoam“ (seit 2007) vom Bayerischen Rundfunk oder „Neues aus Büttenwarder“ (NDR, 1997 bis 2021) zeichneten sich daher durch einen Mehrwert aus, den selbst teure Hollywood-Importe nicht zu bieten haben – „den Geschmack und Geruch von Heimat“.

„Dahoam is dahoam“ ist ein Quotenbringer – auch dank Gaststars wie Barbara Meier (als Anita Holzammer beim Bierzapfen im „Brunnerwirt“).
„Dahoam is dahoam“ ist ein Quotenbringer – auch dank Gaststars wie Barbara Meier (als Anita Holzammer beim Bierzapfen im „Brunnerwirt“). | Bild: Felix Hörhager

In den 50er-Jahren wollten die Menschen die Gräuel des Krieges vergessen, heute fliehen sie vor den multiplen Krisen der modernen Welt. Auch Freitagsreihen im Ersten wie „Daheim in den Bergen“ (2018 bis 2024) oder „Reiterhof Wildenstein“ (seit 2019) orientieren sich an der Tradition des Heimatfilms, wie

Christoph Pellander, Redaktionsleiter bei der ARD-Tochter Degeto Film, einräumt: „Die Art der Erzählung und der Inszenierung hat sich über die Jahrzehnte zwar stark gewandelt, doch das zentrale Motiv – die Sehnsucht nach einer heilen, idyllischen Welt – ist bis heute ein wichtiger Bestandteil dieses Genres.“

Er spricht allerdings lieber vom „modernen Heimatfilm“: „Wir erzählen bewusst keine eskapistischen, romantisierenden Geschichten, sondern stellen Figuren ins Zentrum, die mit realen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen haben.“

Dennoch beschreibe der Begriff Heimat in diesen Filmen „einen Ort, an dem man ankommt und angenommen wird, an dem man sich zu Hause fühlt, wo man Gemeinschaft findet oder Heilung“.

Auffallend oft kehrt in den Geschichten eine weibliche Hauptfigur dorthin zurück, wo sie aufgewachsen ist, um einen Neuanfang zu starten. Das ist auch der Handlungskern der ZDF-Sonntagsreihe „Neuer Wind im Alten Land“ (2024) mit Felicitas Woll als gestürzte Star-Journalistin, die im Heimatort ihrer Eltern einen Job als Lokalreporterin annimmt.

Natürlich könnte so ein Stoff auch in der Stadt spielen, doch Urbanität, sagt Frank Zervos, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Fernsehfilm/Serie I, sei austauschbar: „Die Darstellung konkreter Regionen und ihrer Menschen knüpft dagegen direkt beim Publikum an.“

Die Urmutter der Schwarzwaldserien: Sascha Hehn (von links), Gaby Dohm und Klausjürgen Wussow 1986 vor der ZDF-„Schwarzwaldklinik“.
Die Urmutter der Schwarzwaldserien: Sascha Hehn (von links), Gaby Dohm und Klausjürgen Wussow 1986 vor der ZDF-„Schwarzwaldklinik“. | Bild: Horst Ossinger

Regionalität hat im Zweiten Tradition, wie die Vorabendserien „Der Landarzt“ (1986 bis 2012) oder „Forsthaus Falkenau“ (1988 bis 2013) belegen, vom Klassiker „Die Schwarzwaldklinik“ (1985 bis 1989) ganz zu schweigen.

Die nochmals gestiegene Beliebtheit des Genres führt Zervos auf die Pandemie zurück: „Im Zuge von Corona wurden einheimische Urlaubsregionen neu entdeckt. In einer zunehmend komplexer werdenden Welt wächst zudem die Sehnsucht nach überschaubaren Rückzugsorten und Zugehörigkeit.“ Die Neuentdeckung eines positiven Heimatgefühls habe nichts mit rechter Gesinnung zu tun.

Das betont auch Pellander: „Wir möchten in unseren Produktionen kein rückwärtsgewandtes Bild des Landlebens zeichnen, sondern auf unterhaltsame Weise unterschiedliche Lebenswirklichkeiten zeigen.“