Die Stimme steht im Zentrum der diesjährigen Donaueschinger Musiktage (16. bis 19. Oktober) und mit ihr alle, die ihre Stimme erheben – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. „Das Festival feiert die Vielstimmigkeit der Künstler und Künstlerinnen um so entschiedener und freudiger, als vielerorts der künstlerische Ausdruck bedroht ist“, sagt Festivalleiterin Lydia Rilling und spielt damit auf einen wachsenden Kulturkampf an – auch in Deutschland.
Gesang als politische Geste
Von einem Festival der Vokalmusik kann deswegen zwar keine Rede sein. Das Wochenende mit seinen 14 Veranstaltungen und 23 Ur- und Erstaufführungen wartet aber mit einigen spannenden Interpreten und künstlerischen Ansätzen auf – wie etwa den beiden Konzerten mit dem Klangforum Wien. Da erforscht beispielsweise Francesca Virunelli den Moment, in dem aus den Vibrationen der Stimmbänder Gesang wird (Sopran: Johanna Vargas) – für sie eine politische Geste. Und Koka Nikoladze nutzt für sein Stück die KI-Stimme des japanischen Google Translate.
Kontrapunkt in politisch düsteren Zeiten
Der griechische Altmeister Georges Aperghis steuert mit seinen 45-minütigen „Tell Tales“ ein Stück für sechs Stimmen und Viola bei, das einen Kontrapunkt in politisch düsteren Zeiten setzen soll. Hierfür werden das Londoner Vokalensemble Exaudi und die Bratscherin Tabea Zimmermann vor Ort sein. Die renommierte Musikerin, übrigens gebürtige Badnerin, ist zum ersten Mal in Donaueschingen. Lydia Rilling löst damit ein weiteres Mal ihr Versprechen ein, Interpreten und Interpretinnen einzuladen, die sich zwar intensiv mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzen, aber noch nie in Donaueschingen waren.
Hommage an die Mundharmonika
Die Donaueschinger Musiktage gelten nach wie vor als das weltweit bedeutendste Festival für zeitgenössische Musik, dennoch versucht Lydia Rilling, verstärkt auch regionale Bezüge zu schaffen. So widmet sich ein Projekt der Mundharmonika – befindet sich der weltweit bekannteste Mundharmonikahersteller Hohner doch unweit von Donaueschingen in Trossingen. Schon früh exportierte er seine Instrumente in die USA, wo sie in der Folk Music Verwendung fanden. Nun kommt das Trossinger Instrument über den New Yorker Komponisten Tristan Perich nach Donaueschingen.
Berührungsängste abbauen
Für Bewohner und Bewohnerinnen des Schwarzwald-Baar-Kreises gibt es übrigens weiterhin das Angebot, Karten zum Vorzugspreis von 12 Euro zu erwerben. Neu ist ein Schnupperprogramm, über das alte Festival-Hasen mit neugierigen Donaueschingern zusammengebracht werden, falls letztere sich nicht alleine ins Konzert trauen. Umgekehrt gibt es eine Stadtführung für das Musiktage-Publikum.
75 Jahre SWR in Donaueschingen
Das Abschlusskonzert mit dem SWR-Symphonieorchester bietet ebenfalls eine Besonderheit, da es ohne Solisten auskommt. Hintergrund ist ein Jubiläum: vor 75 Jahren ist der SWR bei den Donaueschinger Musiktagen eingestiegen. Ein Grund, einmal die Schmerzen der noch nicht ganz verwundenen Orchesterfusion zu vergessen und das Orchester selbst in den Fokus zu rücken.