Es war ihr letzter Wunsch. Ihre Geschichte von den „philharmonischen Mäusen“ Philipp und Philine sollte weiterleben, sollte Kindern und Eltern Freude machen. Susanne Schlegel-Creutzburg, Geigerin und Musikvermittlerin der Bodensee Philharmonie (die damals noch Südwestdeutsche Philharmonie hieß), hatte die Geschichte von den beiden Mäusekindern, die in den Gewölben des Konstanzer Konzils leben und endlich einmal eines der Philharmonie-Konzerte live erleben wollen, noch auf dem Sterbebett zu Ende gebracht und ihrer Tochter Johanna diktiert.

Das ist jetzt drei Jahre her. Am 14. Februar starb Susanne Schlegel-Creutzburg mit 53 Jahren viel zu früh. Ein Verlust nicht nur für die Familie, sondern für das gesamte Orchester und alle, die mit der warmherzigen Musikvermittlerin und Geigenlehrerin zu tun hatten.

Susanne Schlegel Creutzburg, ehemalige Geigerin und Musikvermittlerin der Philharmonie.
Susanne Schlegel Creutzburg, ehemalige Geigerin und Musikvermittlerin der Philharmonie. | Bild: Südwestdeutsche Philharmonie

Bei der Trauerfeier im Friedwald versprach Rouven Schöll, Leiter der Organisation und Kommunikation des Orchesters, die Geschichte von Philipp und Philine ganz im Sinne ihrer Urheberin zu verwirklichen. Er hat Wort gehalten und so ein Bilderbuch ermöglicht, dem die Verbundenheit aller Beteiligten mit der verstorbenen Geigerin, aber auch mit dem Orchester und seiner Stadt Konstanz eingeschrieben ist.

Vielleicht könnte man auch sagen: eingezeichnet. Denn über die reine Geschichte hinaus machen die ebenso witzigen wie kunstvollen Illustrationen von Susanne Smajic das Buch zu einem echten Augenschmaus – auch für Erwachsene.

„Haus- und Hofzeichnerin“

Susanne Smajic bezeichnet sich selbst als die „Haus- und Hofzeichnerin“ der Philharmonie. Wer die Familienkonzerte besucht, kennt ihre liebevollen Figuren, Tiere mit Instrumenten, Musiker in gewagten Spielposen, Kinder auf Fantasiereisen.

Auch für die „philharmonischen Mäuse“ sollten ursprünglich nur ein paar Illustrationen entstehen. So hatte sich Susanne Schlegel-Creutzburg das vorgestellt. An etwas so Kostspieliges wie ein Buch war ursprünglich nicht gedacht.

Das Deckblatt zu dem Buch „Philip und Philine. Die philharmonischen Mäuse.“
Das Deckblatt zu dem Buch „Philip und Philine. Die philharmonischen Mäuse.“ | Bild: Elisabeth Schwind

Nach ihrem Tod setzten sich die Verantwortlichen zusammen – die Illustratorin Smajic, die neue Musikvermittlerin Andrea Hoever und Rouven Schöll als verantwortlicher Projektleiter und überlegten, was nun genau aus den philharmonischen Mäusen werden sollte. Eine Broschüre? Ein Pixie-Buch? „Dann wurde das Vorhaben immer größer“, erinnert sich Smajic. „Aus ein paar Zeichnungen ist ein kapitales Bilderbuch geworden.“

Konstanzer Lokalkolorit

Die Kinder- und Jugendbuchautorin Kristina Dunker wurde mit der sensiblen Aufgabe betraut, die Mäuse-Geschichte zu einer Buchfassung auszugestalten, ohne dabei das ihr anvertraute Erbe zu beschädigen. Man darf das Ergebnis als gelungen bezeichnen.

Einerseits ist die Geschichte fest in Konstanz verwurzelt – die Musiker, die ihre Instrumente ins Konzilsgebäude schleppen, die Nähe zur Schweiz, die Konzilterrasse, von der für die Mäuse immer ein paar Kuchenkrümel herabfallen, oder der am Haus vorbeischnaufende Zug, alles ist da. Andererseits funktioniert die kindgerechte Geschichte auch unabhängig von diesem Lokalkolorit.

Susanne Smajic zeigt Zeichnungen zu dem Bilderbuch.
Susanne Smajic zeigt Zeichnungen zu dem Bilderbuch. | Bild: Elisabeth Schwind

Und das gilt auch für Smajics Zeichnungen. Zum einen bebildert sie wortgetreu die Geschichte von der Mäusefamilie Seidenpelz, deren Kinder Philipp und Philine die Musiker der Philharmonie auf ihrem Gang ins Konzil beobachten und trotz aller Warnungen vor den Gefahren im Saal (“Viel zu viele Menschen!“, „Schuhe mit spitzen Absätzen!“, „Auf der Bühne gibt es keine Mauselöcher!“) beschließen, das Abenteuer eines Konzertbesuchs zu wagen und schließlich mit einer herrlichen Musik belohnt werden, wahrscheinlich einer Symphonie von Mauszart. Oder war es Mozart?

Die Imperia bekommt ihr eigenes Programm

Zum anderen kann man in den Zeichnungen kleine Parallelwelten zur eigentlichen Geschichte entdecken. Da ist etwa die stattliche Imperia, Herrin über die geistliche und die weltliche Macht, die im Hintergrund immer wieder auftritt. Sie bekommt ihr ganz eigenes Programm.

Mal werden die Männlein vom Sturm weggeblasen, mal von der Imperia ausgeschimpft, und am Schluss bringt sie sie sogar an die Instrumente. „Da sehe ich mich tatsächlich auch als Regisseurin“, sagt Smajic. „Wenn ich eine Geschichte lese, entsteht sofort Kino in meinem Kopf und ich habe Spaß daran, die Figuren über die Bühne von links oben nach rechts unten zu schicken.“

Wie sehr Smajic das Projekt am Herzen gelegen haben muss, kann man auch an dem Aufwand bemessen, den sie dafür betrieben hat: Die einzelnen Blätter sind als Radierung entstanden, einer Drucktechnik, für die Smajic die Zeichnungen erst spiegelverkehrt in eine Platte ritzen muss, um sie dann auf Papier drucken zu können. Die Drucke werden anschließend noch koloriert.

Außerdem hat Smajic Notenblätter verwendet, daraus Schnipsel ausgeschnitten, auf die Bilder geklebt und in die Zeichnungen integriert. Achtelnoten werden so zu Luftbläschen im Wasser, ein Violinschlüssel zum Kettenanhänger. Man kann das Ergebnis nur als kunstvoll bezeichnen.

Die Konzilskatze Susa

Eine Doppelseite im Buch sticht heraus. Hier hat die Konzilskatze Susa ihren Auftritt – und man ahnt bereits: Susa könnte auch eine Abkürzung für Susanne sein. Für Susanne Schlegel. „Es hieß“, so steht es im Buch, „sie sei die gute Seele des Konzils und wache über jedem Konzert.“

Die Episode, die für die eigentliche Geschichte nicht zwingend ist, geht zurück auf eine Begebenheit, die die Orchester-Bratscherin Margit Bonz weitergegeben hatte: Tatsächlich gab es mal eine Katze, die immer wieder im Konzil auftauchte und durch die Reihen der Musiker schlich. Im Buch reibt sie sich schnurrend am Bein der zweiten Geige – ebenfalls ein Hinweis auf Susanne Schlegel, die zu den zweiten Geigen gehörte.

Natürlich lässt sie die Mäusekinder, die sich zunächst vor Susa fürchten, unbehelligt. Aus Liebe zur Musik werden Katzen und Mäuse Freunde. Susanne Schlegel-Creutzburg hätte das gewiss gefallen.

„Philipp & Philine. Die philharmonischen Mäuse“, herausgegeben von der Bodensee Philharmonie, ist für 22 Euro in vielen Buchhandlungen von Konstanz erhältlich sowie direkt bei der Bodensee Philharmonie.