„Himmel Hölle / Wurst mit Pelle / Mausekuchen / Du musst suchen“. Das sitzt, das haut rein, allein schon metrisch. Auf so etwas muss man erst einmal kommen: „Zippe Zapp / Knopp ist ab / So ein Dreck / Du bist weg.“
Ob weg oder raus, Janoschs „Hosentaschenabzählreime“ verraten, warum der Kinderbuchautor bei seiner Klientel jenen Schlag hatte und hat, den er als junger, an sich selbst zweifelnder Mann im Verhältnis zum anderen Geschlecht so schmerzlich vermisste. Kinder wollen eine klare Ansprache. Fantasievoll sollen Geschichten sein, sie müssen dabei aber auch so konkret sein wie möglich. Janosch, der seit heute 90 ist, wusste und weiß, wie‘s geht.
Seine Geschichten mögen Kinder schon deshalb, weil ihre Akteure meist Tiere sind, also ihre natürlichen Verbündeten: Frosch und Igel, Pferd und Gockelhahn, der Hase Baldrian und der Rabe Josef oder das unschlagbare Trio aus Tiger, Bär und der leicht aus der Art geschlagenen Tigerente. Die drei Helden aus „Oh, wie schön ist Panama“ bescherten ihm 1978 den Durchbruch.
Mit Tieren jedenfalls kennt sich Janosch aus. Schließlich stammt das, nun ja, nicht direkt wissenschaftliche Standardwerk „Das Leben der Thiere“ aus seiner Feder. Oft verschwimmen die Grenzen, spielen Menschen- und Tierwelt ineinander: Das Menschlich-Allzumenschliche vermischt sich bei ihm mit Tierisch-Animalischem – und umgekehrt. Auch in der Lebensart gleichen sich Mensch und Tier bei Janosch an.
Als Kinderbuchautor ist Janosch ein freilich unsicherer Kantonist. In seinen Geschichten kommen Erotik und Sex ebenso vor wie das Böse, das Verbrechen und der Tod.
Die von ihm umgeschriebenen Grimm‘schen Märchen holen die Märchenwelt in die Gegenwart. Das tapfere Schneiderlein 2.0 steigt auf der Karriereleiter bis zum obersten Militär des Königs auf und bringt die Welt mit zeitgemäßen Waffen, die man weder sehen noch hören kann und die „er von seinem Stuhl zuhause durch einen kleinen Knopf bedienen konnte“, an den Rand der Zerstörung: eine Parabel auf die zweifelhaften Segnungen der Technik.
Das gute, einfache Leben
Dennoch geht es in Janoschs Kosmos, zumal in den Kinderbüchern, unterm Strich gemütlicher zu als in der bekannten Wirklichkeit. Das Leben ist in ihnen in gewisser Hinsicht humaner, jedenfalls weniger stark von Zwängen und Geboten bestimmt als in der durchgetakteten Turbo-Realität der Gegenwart. Seine Geschichten schildern eine eher ländliche Welt, mit pflügenden Bauern und Zwiebelkirchtürmen, Reminiszenzen an seine Herkunft aus Oberschlesien. In unserer immer komplexer werdenden Realität erinnern sie an das gute, einfache Leben.
Am 11. März 1931 wurde Horst Eckert, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, in der oberschlesischen Stadt Hindenburg – dem heutigen polnischen Zabrze – geboren. Aus den ärmlichen und familiär schwierigen Lebensverhältnissen suchte er sich als Künstler herauszuarbeiten – anfangs vergeblich: Die Münchner Kunstakademie lehnte seinen Aufnahmeantrag ab. Dabei zeigt der wunderbare, anlässlich des Jubiläums im Merlin Verlag erschienene Band „Janosch. Leben und Werk“ durchaus einen ernst zu nehmenden Künstler, der sich von Klee und Chagall, dem Surrealismus und der Abstraktion inspirieren ließ und der als Karikaturist und Cartoonist geradezu Klasse beweist.

Gleichzeitig ist Janosch ein Schriftsteller. Er schrieb Bücher für Erwachsene wie den preisgekrönten Roman „Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm“ oder das „Wörterbuch der Lebenskunst“. Seit 1980 lebt er mit seiner Frau Ines in einem kleinen Dorf in den Bergen auf Teneriffa.
Am Ende ist Janosch vielleicht vor allem dies: ein Lebens-Künstler. Schon der Titel seiner Autobiografie „Lebenskunst“ ist hier ein Anhalt. Bedürfnislosigkeit als Voraussetzung für Lebensglück, die Reise zum Sehnsuchtsort wie in „Oh, wie schön ist Panama“ sind seine zentralen Botschaften.
Den vorläufig letzten großen Auftritt hatte Janosch mit dem wunderlich-weisen Herrn Wondrak – auch er ein Lebenskünstler. Zwischen 2013 und 2019 erschienen die Wondrak-Cartoons Woche für Woche im ZEIT-Magazin. Zum Jubiläum hat der Reclam Verlag jetzt eine Auswahl der schönsten Wondrak-Cartoons herausgebracht.
Künstler Janosch in Zitaten
Was Janosch in seinen Büchern schreibt, ist lustig und manchmal auch voller Lebensweisheit. Hier eine Auswahl von Zitaten:
- „Wenn man einen Freund hat“, sagte der kleine Bär, „der Pilze finden kann, braucht man sich vor nichts zu fürchten. Nicht wahr Tiger?“ (Aus:„Oh wie schön ist Panama“)
- „Was gehört zum perfekten Fernsehabend dazu? Man braucht jemanden, mit dem man sich vor den Fernseher setzen kann. Und wenn man genau den Richtigen hat, braucht man eigentlich gar keinen Fernseher mehr.“ (Im Buch „Herr Wondrak rettet die Welt, juchhe!“)
- „Denn die Sonne scheint, ich ärgere mich über gar nichts, was will ich mehr!“ (Aus der Geschichte „Komm nach Iglau, Krokodil“ aus der Anthologie „Vielleicht ist auch alles Unsinn, was ich sage!“)
- „Mein Lieblingswein ist der rote. Habe ich aber keinen, kommt es zu keiner Trauer, dann trinke ich weißen. Habe ich keinen weißen, trinke ich Wasser. Habe ich auch kein Wasser, vergesse ich den Durst. Das sind so die Kunststücke meiner Seligkeit.“ (Im Buch „Von dem Glück, als Herr Janosch überlebt zu haben“)
- „O Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“ „Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“ Und da hatten sie verdammt ziemlich recht. (Aus: „Post für den Tiger“)
- „Da ich ein Sünder und Ketzer bin, wird Gottvater mir noch eine lange Lebenszeit schenken, damit ich wieder in den heiligen Schoß der Kirche zurückkomme.“ (In der Biografie von Angela Bajorek, „Wer fast nichts braucht, hat alles“)