Von Beethoven weiß man, dass er gerne die Erwartungen seiner Hörerschaft unterwanderte. Schon seine 1. Sinfonie eröffnet mit einem Dominantseptakkord, also einem Akkord, der eigentlich irgendwie an den Schluss gehört. Oder er schleudert zu Beginn der Coriolan-Ouvertüre drei monolithische Akkorde in den Raum, als gehe es darum, jeden Widerspruch zu unterbinden.
Im Beethovenjahr 2020 geschrieben
Die südkoreanische Komponistin Unsuk Chin hat genau darauf geantwortet – nicht im Sinne eines Widerspruchs, sondern mit demselben Willen zur Überraschung, der Beethovens Musik prägt. „Subito con forza“ heißt ihr kleines großartiges Orchesterstück, mit dem die Bodensee Philharmonie ihr Konzert im Konstanzer Konzil eröffnete.
Unsuk Chin hat es im Beethovenjahr 2020 geschrieben. Zu Beginn zitiert sie den eröffnenden Akkord der Coriolan-Ouvertüre. Es ist, als werfe sie ihn kraftvoll ins Orchester, wo er jedoch sofort an Klavier und Schlagzeug zerschellt. Beethoven ist tot, es lebe Beethoven!
Auch im weiteren Verlauf dieser Hommage tauchen immer wieder Gesten, Klänge, Läufe auf, die an den großen Klassiker erinnern. Es ist eine Ehrerbietung, hinter der Beethoven als Folie stets durchschimmert und die doch selbstbewusst in Gegenwart steht. Und, so darf man feststellen, die Bodensee Philharmonie kann auch das! Unter der Leitung der ebenfalls südkoreanischen Dirigentin Yura Yang macht sie hier gute Figur.
Es folgte das Cello-Konzert in C-Dur von Beethovens Lehrer Joseph Haydn. Seinerzeit sehr geschätzt, eilt Haydns Musik heute ein wenig der Ruf der freundlichen Langeweile voraus. Doch wer so denkt, hat Friedrich Thiele noch nicht gehört. Der junge Cellist macht dieses Stück zu einer aufregend charmanten Sache. Sein Ton ist leicht und luzide, wie er für diese Musik sein soll, sein Spiel ist präzise und flexibel, seine Technik hochvirtuos, die Intonation ungewöhnlich sauber. Die Phrasierungen sind klar und einleuchtend.
Fein wie eine Bleistiftzeichnung
Dabei verlangt Haydn seinem Solisten einiges an Fingerfertigkeit ab. Thiele liefert förmlich mit einem Lächeln, trumpft aber niemals auf. Im Zweifelsfall nimmt er die Dynamik einen Hauch zurück. Im langsamen Mittelsatz geht er so an die unteren Grenzen des Piano-Bereichs. Es ist ein introvertiertes Spiel so fein wie eine zarte Bleistiftzeichnung.
Nur damit dann im letzten Satz die Finger noch einmal über die Saiten flitzen. Yura Yang weiß, dass sie Thiele mit dem Orchester machen lassen kann, zeitweise dirigiert sie nur mit der rechten Hand, meist den 1. Geigen zugewandt, die die kleine Orchesterbesetzung etwas dominieren – letzteres wäre der einzige Kritikpunkt, wenn man überhaupt nach einem suchen möchte.
Meister des böhmischen Volkstons
Nach der Pause dann Szenenwechsel. Mit Antonin Dvoraks 8. Symphonie geht es mitten in das Reich des böhmischen Volkstons, den Dvorak so wunderbar beherrschte, ohne originale Volkslieder zitieren zu müssen. Yura Yang bringt nun mit so einfühlsamem wie präzisem Dirigat das Orchester in all seiner Klangfarbenpracht zum Leuchten, in der jede Orchestergruppe seinen eigenen Auftritt hat. Musik zum Dahinschmelzen.
Weitere Aufführung: Mittwoch, 13. November, 19.30 Uhr, Konzil Konstanz.