Wird jetzt wieder alles gut? Nach einer von immer neuen Verordnungen, Auflagen und Einschränkungen zerrupften Spielzeit hofft man am Theater Konstanz jetzt auf die Kraft der „drei G“: getestet, geimpft, genesen. Mit dieser magischen Formel soll in der Coronapandemie ein annähernd normales Kulturleben schon bald wieder möglich sein, der weiterhin steigenden Impfquote sei Dank.

Karin Becker (52), Intendantin des Theater Konstanz.
Karin Becker (52), Intendantin des Theater Konstanz. | Bild: Scherrer, Aurelia

Fragt sich nur, was „annähernd normal“ genau bedeutet. Im Stadttheater waren wegen der Infektionsgefahr zuletzt von mehr als 300 Plätzen gerade noch 114 übrig geblieben. Das brachte dem Publikum zwar viel Beinfreiheit, aber wenig Tickets – und dem Theater entgangene Einnahmen. Dass der Erfolg der Impfkampagne nach der Sommerpause eine Rückkehr zur vollen Bestuhlung erlaubt, scheint eher unwahrscheinlich. Noch in diesen Tagen wolle man sich zusammensetzen und über die Umsetzung der neuen Regeln beraten, heißt es.

Zumindest der Spielplan sollte diesmal länger als nur ein paar Monate Bestand haben. So manche angekündigte Premiere erinnert noch an die Lockdown-Festspiele des vergangenen Winters. „Die 39 Stufen“, „Katharina Blum“, „Das Licht im Kasten“, „The Black Rider“: Alles Stücke, die bereits vor einem Jahr gezeigt werden sollten. Die Programmplanung dürfte bei all den notwendigen Verschiebungen recht kurz ausgefallen sein.

Los geht es am 24. September mit „Die Verlorenen“, ein Stück des österreichischen Dramatikers Ewald Palmetshofer. Es handelt vom Neuanfang nach einer gescheiterten Ehe. Noch mehr aber handelt es von der Erfahrung, dass sich so ein Neuanfang weitaus schwieriger gestaltet, als man glauben mag.

Von Beziehungsnöten handelt bekanntlich auch Leo Tolstois Roman „Anna Karenina“. Am 29. Oktober kommt er in einer Fassung von Armin Petras auf die Bühne. Erstreckt sich der Roman über fast tausend Seiten, dauert Petras‘ Bearbeitung noch immer gut drei Stunden. Ob so umfangreiche Produktionen im Herbst wieder möglich sind, wird sich zeigen.

Was da wohl gekocht wird? Szenenfoto aus Michael Endes Märchen vom „satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch“.
Was da wohl gekocht wird? Szenenfoto aus Michael Endes Märchen vom „satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch“. | Bild: Theater Konstanz

Wie schon „Anna Karenina“, so war auch das Weihnachtsmärchen eigentlich schon für die vergangene Spielzeit vorgesehen. An Aktualität hat es seither freilich nicht verloren – leider. Michael Endes Märchen vom „satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch“ handelt von der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen – und den immer bescheideneren Möglichkeiten, diese noch aufzuhalten. In der Realität ist ein Happy-End noch lange nicht in Sicht, vielleicht sieht es wenigstens auf der Bühne erfreulicher aus (Premiere am 14. November).

Was gibt es noch an inhaltsstarken Bezügen zwischen Welt und Bühne, Wirklichkeit und Fiktion? Elfriede Jelinek zum Beispiel leuchtet in den Abgrund unserer Modekultur. Während hierzulande Gendersternchen und Unterstriche noch die letzte Spur von Ungerechtigkeit aus unserer Gesellschaft tilgen sollen, nähen in anderen Teilen dieser Welt Menschen zu Dumpinglöhnen unseren Luxusfummel zusammen. Warum dieser Missstand weitaus weniger Empörung erregt als ein verunglückter Tweet oder eine falsch gewählte Anrede, darüber gibt vielleicht „Das Licht im Kasten“ Aufschluss, zu sehen ab 21. Januar.

Und auch Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ lohnt eine Neubetrachtung. Waren zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung noch die Boulevardmedien für öffentliche Bloßstellungen zuständig, haben ihnen inzwischen sogenannte soziale Netzwerke den Rang abgelaufen. Unter dem Titel „Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ wird Regisseurin Franziska Autzen den Stoff ab 18. Februar auf die Bühne bringen.

Ganz schön viel schwere, tragische Kost. Und wo bleibt, um mit Erich Kästner zu sprechen, das Positive?

Zum Beispiel in „Die 39 Stufen“, eine abenteuerliche Kriminalkomödie von John Buchan und Alfred Hitchcock (Premiere: 26. November). Oder „The Black Rider“, ein schaurig-schönes Musical mit Songs von Tom Waits (ab 25. März). Auch der Klassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (Premiere am 2. April) verspricht für gewöhnlich rasante Unterhaltung.

Wie auch immer die Pandemie sich auf den Theaterbetrieb auswirken wird, an interessanten Stücken sowie willigen Künstlerinnen und Künstlern wird es jedenfalls nicht fehlen. Und wenn es das Infektionsgeschehen zulässt, kann man ihnen vielleicht auch wieder auf Premierenfeiern begegnen.

Weitere Informationen:
www.theaterkonstanz.de