Stürmische Verhältnisse ist die Bodensee Philharmonie gewohnt. Doch aktuell mehren sich die Zeichen für eine Großwetterlage, die sich auch als perfekter Sturm beschreiben lässt. Die heftigste Böe wehte unlängst aus dem Konstanzer Gemeinderat Richtung Fischmarkt.
Von „kompletter Abschaffung“ des Orchesters war da sogar die Rede. Auffällig dabei: Selbst in der dem Betrieb traditionell freundlich gesinnten CDU-Fraktion verschärft sich die Tonlage. „Keine Aussicht auf Besserung“ sehe er angesichts dessen finanzieller Lage, erklärte Stadtrat Roger Tscheulin.
Ein perfekter Sturm zeichnet sich dadurch aus, dass bekannte und an sich beherrschbare Faktoren plötzlich zur gleichen Zeit auftreten und zusammenwirken. Im Fall der Philharmonie sind das erstens: die sich zuspitzende Haushaltslage der Stadt. Zweitens: die immer weiter steigenden Kosten des Orchesterbetriebs. Drittens: eine neue Generation Stadträte mit anderen kulturpolitischen Prioritäten.
Angespannte Haushaltslage
So werden nun im Gemeinderat verstärkt Forderungen nach Unterstützung von freien Kulturprojekten laut. Doch die scheitern neben den knappen Kassen am steigenden Finanzbedarf des städtischen Orchesters: Die Stadt hatte vor zwei Jahren beschlossen, nicht beeinflussbare Kostenzuwächse – etwa durch Tarifsteigerungen – auszugleichen.
Dass es sich dabei aber um eine Größenordnung von rund 180.000 Euro handeln kann, scheint damals nicht allen bewusst gewesen zu sein. „Die angespannte Haushaltslage reduziert die Möglichkeiten für zusätzliche Zuschüsse in der Kultur“, sagt CDU-Fraktionschefin Heike Rawitzer. „So gerät das Thema ‚Können wir uns ein Orchester mit seinen jährlich steigenden Kosten überhaupt noch leisten?‘ bedauerlicherweise wieder stärker in den Blick.“
Hans-Georg Hofmann, Intendant des Orchesterbetriebs, wehrt sich gegen die aufkommende Kritik. Die Zuschusserhöhung, erklärt er auf SÜDKURIER-Anfrage, bleibe tatsächlich noch unter der Summe aller nicht beeinflussbaren Kostensteigerungen. „Entscheidend ist nun die Einhaltung des Wirtschaftsplans – wirtschaftliches und sparsames Handeln stehen dabei im Fokus“, versichert der Orchesterchef.
Vor einem Kulturwandel mit damit einhergehenden neuen Prioritätensetzungen in kommunalen Gremien warnen Experten schon seit Jahren. Die Zeiten, in denen es ein allgemeines Einverständnis darüber gibt, welche Kultur förderwürdig ist und welche nicht, sind in einer postmigrantischen, heterogener werdenden Gesellschaft vorbei.
Orchester sind deshalb gefordert, sich weitaus konsequenter bislang vernachlässigten Gesellschaftsgruppen zu öffnen, in die gesamte Gesellschaft hineinzuwirken. Und weil dabei der „Tarifvertrag für Kulturorchester“ mit seinen starren Vorschriften hinderlich ist, hatte die Philharmonie eigentlich zugesagt, einen Haustarif einzuführen. Doch das ist selbst nach eineinhalb Jahren noch immer nicht erfolgt. Auch dieser Umstand sorgt in der Politik für entsprechende Verärgerung.
Orchester-Intendant Hans-Georg Hofmann begründet die Verzögerung auf SÜDKURIER-Nachfrage mit personellen Engpässen. Seit Februar gebe es einen „klaren Fahrplan“ zur Umsetzung: „Die Verhandlungen zum neuen Haustarifvertrag sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.“
Das Verständnis für diese Begründung scheint allerdings begrenzt. „Die Philharmonie liefert einfach nicht“, sagen manche. Man sei offenbar mehr mit feinsinnigen Details der Aufführungspraxis beschäftigt statt die wirklich dringenden, zukunftsrelevanten Herausforderungen anzupacken.
Auffällig ist dabei: Diese Kritik ist fraktionsübergreifend zu hören, auf eine Hausmacht kann das Orchester anders als in der Vergangenheit offenbar nicht mehr setzen.
Immerhin, die nach schwerem Einbruch wieder gestiegenen Publikums- und Abonnentenzahlen bleiben konstant, auch bei der Einwerbung von Drittmitteln hat der Betrieb offenbar seine Hausaufgaben gemacht. Großen Eindruck aber vermag diese Nachricht kaum mehr zu hinterlassen.