„Bis Anfang Januar“ werde man mit den aktuellen Kontaktbeschränkungen rechnen müssen, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend erklärt. Soweit, so schlecht für Kulturbetriebe, die damit gerechnet hatten, wenigstens noch einen Teil des Vorweihnachtsgeschäfts mitnehmen zu können. Bloß: Was heißt „bis Anfang Januar“?

Alles für die Katz‘

Vor allem die Theaterbühnen stellt die vage Formulierung vor große Probleme. Karin Becker, Intendantin des Theaters Konstanz, hatte bereits in der vergangenen Woche den Mangel an Planungssicherheit kritisiert. Einen Monat lang proben, und am Ende war doch wieder alles für die Katz‘: Das hat nicht nur finanzielle Folgen, es schlägt auch aufs Gemüt.

An den Staatstheatern in Stuttgart und Karlsruhe macht man deshalb jetzt Nägel mit Köpfen, die Türen bleiben gleich bis Ende Januar geschlossen. Entschieden hat diese Maßnahme zwar die Politik. Wie Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) aber betont, sei dieser Schritt im Sinne einer längerfristigen Planungssicherheit „auch bei den beiden Staatstheatern selbst auf Zuspruch“ gestoßen. In Freiburg ist immerhin schon für den 15. Januar eine Rückkehr zum Spielbetrieb vorgesehen. Ob das Theater Konstanz sich diesem Modell anschließt, stand am Freitag bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

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Wie schwierig sich der Entscheidungsprozess gestaltet, zeigt die Spannbreite der anvisierten Schließzeiten. Während die Staatstheater für weitere zwei volle Monate pausieren, wollen sich vor allem private Bühnen nicht so schnell geschlagen geben. Jochen Frank Schmidt, Geschäftsführer des Gloria Theaters in Bad Säckingen, spricht auf SÜDKURIER-Anfrage von einer „Mikrohoffnung“ auf Wiedereröffnung sogar noch in diesem Jahr. Sie nähre sich aus zwei Faktoren: Erstens lasse die Regierung im Nachbarland Frankreich bereits wieder die ersten Theateröffnungen zu. Zweitens gebe es Hinweise darauf, dass auch in der Bundesregierung das Problembewusstsein für die Lage der Kulturbetriebe wächst. Er verweist auf eine im ZDF getätigte Aussage des Bühnenvereinspräsidenten Carsten Brosda: Demnach sieht das novellierte Infektionsschutzgesetz eine Priorisierung von Kulturorten bei künftigen Lockerungen vor – freilich eine sehr optimistische Lesart.

„Lieber Theater, als private Partys“

Die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester sei für Theater schon aus finanziellen Gründen sehr wichtig und zudem auch epidemiologisch geradezu geboten. Schließlich, sagt Schmidt, gebe es kaum einen sichereren Ort als ein Theater: „Die Leute wissen zwischen den Jahren doch gar nicht, was sie tun sollen. Wenn Sie bei uns sitzen, kommen sie nicht auf die Idee, private Partys zu feiern, wo die Ansteckungsgefahr viel höher ist.“

Viele Monate haben die der Intendant des Gloria-Theaters Jochen Frank Schmidt (links) und der kaufmännische Direktor Alexander Dieterle ...
Viele Monate haben die der Intendant des Gloria-Theaters Jochen Frank Schmidt (links) und der kaufmännische Direktor Alexander Dieterle an einem Lüftungs- und Hygienekonzept gearbeitet. | Bild: Susanne Eschbach

Finanziell werde sein Haus zwar auch diese Auszeit überstehen. Verluste habe es vor allem gegeben, weil Werbemittel weitgehend umsonst eingesetzt wurden. „Wir blasen immer zur Premiere alles raus und setzen anschließend auf die Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt der Theaterchef. Wegen Corona sei das nun gründlich daneben gegangen: „Wenn Sie gleich nach einer Werbekampagne für zwei Monate in den Lockdown gehen müssen, ist die Wirkung natürlich komplett weg.“

Noltes Theater wird digital

Eine andere private Bühne hat womöglich schon den Ausweg aus dem Pandemie-Dilemma gefunden: Das kleine Noltes Theater in Überlingen ging gestern Abend mit seiner ersten rein digitalen Produktion an den Start. „Noltes digitale Bühne“ will mehr sein als nur abgefilmtes Schauspiel. Mit geschlossenen Zuschauergruppen und Interaktionsmöglichkeiten soll es gelingen, den Kitzel des Live-Erlebnisses ins Netz zu holen. Die Stadt bezuschusst das Konzept mit 10.000 Euro.

Theaterinhaber Oliver Nolte, studierter Medieninformatiker, hofft darauf, sein Digitalkonzept sogar deutschlandweit vermarkten zu können. Angesprochen auf die Lockdown-Verlängerung vermag er trotzdem keine Euphorie aufzubringen. „Es ist schwer, unter diesen Eindrücken kreativ zu sein“, sagt er. „Aber wir haben ein Format gefunden, das uns über die schwierigen Monate hilft und auch neue künstlerische Perspektiven eröffnet.“ Eventuell bleibe auch nach Corona etwas davon erhalten: „Wir werden sehen.“

Schauspielkunst zum Greifen nah: Oliver Noltes digitales Theater macht‘s möglich.
Schauspielkunst zum Greifen nah: Oliver Noltes digitales Theater macht‘s möglich. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Wegen der Komplexität ihrer betrieblichen Abläufe sind Theater die Hauptleidtragenden der beschlossenen Lockdown-Verlängerung. Doch auch Museen müssen mit weiteren Einnahmeausfällen rechnen. Er sei deshalb mit der Entscheidung nicht glücklich, teilt Tobias Engelsing, Direktor der vier Städtischen Museen in Konstanz, mit. Dennoch trage er sie mit: „Irgendwie müssen die Infektionszahlen ja runter, und dazu sollten öffentliche Einrichtungen beitragen, denn auch im Museum kommen viele Leute zusammen und können sich anstecken – trotz Hygienekonzept.“ Sollte bis Januar alles viel besser werden, „sind wir sofort mit Angeboten am Start“.