Künstler sind ja so was von friedliebend! Anna Netrebko zum Beispiel, Opernsängerin, die sich gerne mal mit ostukrainischen Separatistenführern und Neurussland-Fahnen ablichten lässt, sofern sie nicht gerade Propaganda-Petitionen für Putin unterzeichnet: Seit eben jener so verehrte Präsident Putin die Ukraine in Grund und Boden bombt, ist sie fast täglich damit beschäftigt, „für Frieden zu beten“.

Schmerz und Leid zu sehen, sagt sie, breche ihr das Herz. Die Dienerin des Schönen und Guten, verzweifelte Gebete zum Himmel sendend: Ist nicht auch dieses anrührende Bild geeignet, Herzen zu brechen? Wer mag da von ihr noch eine Distanzierung vom Diktator fordern?

Ein ganz aktuelles Beispiel für die Friedenssehnsucht unserer Feingeister findet sich in der Bildenden Kunst. Reza Afisina und Iswanto Hartono sind prominente Mitglieder des indonesischen Künstlerkollektivs Ruangrupa, das im Sommer vergangenen Jahres auf der Kasseler Kunstschau Documenta wegen angeblicher Spuren von Antisemitismus in die Schlagzeilen geraten war.

Natürlich zu Unrecht. Denn die Schweinsgesichter mit Davidsternen und Vampire mit Schläfenlocken waren ja eher zufällig auf die Leinwand geraten. In einem Interview mit dem Fachmagazin Monopol empört sich der dänische Künstler Morten Goll noch heute: Indem die Presse solche Motive „in ihrem eigenen Kontext“ liest, mache sie sich der Kolonialisierung schuldig!

Lauter bedauerliche Missverständnisse

Nun haben also Afisina und Hartono in dieser Woche erneut auf sich aufmerksam gemacht, indem sie auf dem Online-Netzwerk Instagram ihre Zustimmung zu einem propalästinensischen Video bekundeten. Zu sehen sind darin mehrere hundert Demonstranten, die ausgelassen die Ermordung, nein: das bestialische Niedermetzeln von mehr als Tausend unschuldigen israelischen Staatsbürgern durch die Hamas feiern.

Das klingt jetzt erst mal irgendwie nicht so nach Frieden, aber die Erklärung kommt ja noch. Wie nämlich schon bei Netrebkos Fotoaktion mit Separatistenboss und Besatzerflagge und wie schon bei den Schweinsnasen auf Documenta-Großleinwänden handelt es sich auch hier wieder nur: um ein bedauerliches Missverständnis.

Sie hätten das Video mit einer ganz harmlosen Demonstration vom September verwechselt, verteidigen sich die beiden Künstler nun. Gewalt gegen unschuldige Menschen dagegen sei – so ganz allgemein – „brutal und unglaublich schlecht“. Und zwar wohlgemerkt „auf beiden Seiten“. Da fehlt doch noch irgendwas? Das Beten! Also dann: „Unsere Gebete, unser Mitgefühl und unsere Kraft gelten den Opfern und ihren Familien!“ Jetzt wird‘s auch Anna Netrebko warm ums Herz.

Afisina und Hartono, zwei Künstler, welche die schwerste antisemitische Entgleisung einer deutschen Kunstschau seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu vertreten haben und dem Jubel über den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust Beifall zollen, waren übrigens bis vor kurzem Gastprofessoren an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste.

Zu einer klaren Verurteilung will man sich dort nicht durchringen. Die Documenta-Geschäftsführung bezeichnet den Vorgang hingegen als „unerträglich und inakzeptabel“, man distanziere sich „aufs Schärfste davon“. Wenigstens in Kassel wird man aus Schaden klug.