Klaus Müller und Nicole Rieß

Herr Guenther, in „Blind ermittelt“ spielen Sie den vorbestraften Taxifahrer Nikolai Falk, der für einen blinden Ex-Kommissar als Assistent und Fahrer fungiert und mit ihm mit unkonventionellen Methoden ermittelt. Der erste Film hatte 2018 einen Marktanteil von über 20 Prozent. Hat Sie der Erfolg überrascht?

Es war wirklich sehr berauschend und eine unglaublich große Freude. Ich hatte mich im Vorfeld noch gefragt: Ein Blinder und ein Taxifahrer, das ist schon ein sehr ungewöhnliches Ermittlerduo – ob die Zuschauer sich darauf einlassen? Aber vielleicht war es gerade diese besondere und einzigartige Konstellation, die den Zuschauer in den Bann gezogen hat und unseren Erfolg ausmacht.

Niko sieht das Leben positiv. Er ist ein guter Kerl, aber auch ein Chaot. Haben Sie Gemeinsamkeiten mit Ihrer Rollenfigur?

Wir haben beide das Herz am rechten Fleck. Niko ist ein absolut loyaler Mensch, zumindest dem gegenüber, der ihn nicht verarscht. Auch ich würde für meine Freunde durchs Feuer gehen, bin immer für sie da! Aber wie er bin ich auch ein Chaot – vergesse meinen Hausschlüssel in der Wohnung, verliere in Afrika mein Portemonnaie mit allem darin. (lacht) Hin und wieder quatsche ich auch ganz gerne mal Blödsinn. Ich habe sicher auch schon Mist in meinem Leben gebaut, zum Beispiel als Jugendlicher mal ein bisschen mit Drogen rumprobiert.

Kommissarin Laura Janda (Jaschka Lämmert, von links) bittet ihren blinden Ex-Chef Alexander Haller (Philipp Hochmair) und seinen ...
Kommissarin Laura Janda (Jaschka Lämmert, von links) bittet ihren blinden Ex-Chef Alexander Haller (Philipp Hochmair) und seinen Chauffeur Niko Falk (Andreas Guenther) um Unterstützung. | Bild: ARD Degeto/Tivoli Film/Philipp Brozsek

Sie sind in Graz geboren, aber im beschaulichen Konstanz am Bodensee aufgewachsen. Von dort stammen unter anderem auch Ihre Kollegen Anna Schudt, Oliver Wnuk und Barbara Auer. Ist Konstanz eine heimliche Schauspieler-Hochburg?

Das ist tatsächlich auffällig, aber wohl Zufall. Wir haben uns jedenfalls nicht untereinander abgesprochen. (grinst) Oliver habe ich 1999 kennengelernt, als wir beide für „Anatomie“ vor der Kamera standen. Anna Schudt kenne ich von früher, wir sind uns in Konstanz beim Ausgehen oft begegnet.

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Wie gern würden Sie denn mal am Bodensee drehen?

Sehr, sehr gerne! Ich habe ja leider noch nie hier gedreht, das ist doch wirklich unglaublich, oder? (lacht) Das muss ich so schnell wie möglich ändern. Ich würde wahnsinnig gern in Konstanz mal einen Film drehen. Ich bin dort aufgewachsen, da sind meine Wurzeln, das ist meine Heimat – was gibt es Schöneres, als dort einen Film zu drehen, wo alles begonnen hat?

Planen Sie im Sommer wieder einen privaten Besuch in der alten Heimat?

Auf jeden Fall! Und ich hoffe, es bleibt nicht bei einem … Ich versuche, im Sommer immer so viel Zeit wie möglich am Bodensee zu verbringen. Hier kann ich einfach am besten abschalten – manchmal etwas zu gut. Meine Agentur hat dann Schwierigkeiten, mich zu erreichen, die Arbeit ist für mich so weit weg und mein Mobiltelefon auch …

Was ist für Sie ein Muss, wenn Sie in Konstanz sind?

Ein Muss ist, mit Freunden auf der „Rheinterrasse“ Abende zu verbringen, dabei gutes Essen, guten Wein und den sensationellen Blick zu genießen! Und natürlich hin und wieder den Gästen ein Kaltgetränk oder einen Espresso zu servieren. Auch ein Muss: Mitten auf dem See ins Wasser zu springen. Das ist ein absolutes Highlight für mich! Das Problem: Ich habe kein Boot – aber das große Glück, dass einer meiner engsten Freunde ein kleines Boot besitzt. Der arme Christoph muss, kaum bin ich in Konstanz, als Erstes mit mir auf den See rausfahren. Als Dank werde ich diesen Sommer ein bis zwei Nachmittage bei Schwarz-Außenwerbung die Belegschaft als Barista verwöhnen.

Andreas Guenther im Sommer 2019 auf der Konstanzer „Rheinterrasse“.
Andreas Guenther im Sommer 2019 auf der Konstanzer „Rheinterrasse“. | Bild: Oliver Hanser

Bevor Sie Schauspieler wurden, haben Sie sich mit Aushilfsjobs über Wasser gehalten …

Ich habe hart gearbeitet, um meinen Traum wahr werden zu lassen und dahin zu kommen, wo ich heute stehe: Ich habe in Bars gearbeitet, Autos geschrubbt, war als Chauffeur und Möbelpacker tätig, um mir meine Schauspiel-Workshops und meinen Sprachunterricht finanzieren zu können. Nachdem ich 1999 in „Jenny Berlin“ meine erste Hauptrolle in einem Fernsehfilm hatte – darin spielte ich einen Jugendlichen, der auf der Suche nach seinem Vater zwei Menschen umbringt –, habe ich in meinem jugendlichen Leichtsinn einen kleinen Höhenflug erlitten.

Wie hat sich das geäußert?

Sagen wir so: Die Hoteleinrichtung musste etwas leiden. Ich dachte, das macht man so. Ich fühlte mich damals wie der Größte. Ich hatte zu der Zeit einen leichten Hang zur Selbstüberschätzung und glaubte, ein Rebell sein zu müssen. Das war natürlich totaler Schwachsinn.

Wie ging es weiter?

Meine Karriere war nicht ein einziges Bergauf. Es gab gute und miese Jahre – von den miesen waren es leider ein paar mehr. In dieser Zeit hatte ich zehn bis zwölf Drehtage pro Jahr, rannte von einem Casting zum nächsten. Du bereitest dich vor, steckst dein ganzes Herzblut in diese 15 bis 30 Minuten Casting und bekommst dann meist Absagen. Daran zerbricht man fast, dein Selbstwertgefühl leidet, du stellst dich und dein ganzes Sein infrage. Ich konnte in dieser Zeit nicht von der Schauspielerei leben, wusste zeitweise nicht mal, wie ich meine Miete bezahlen soll. Deshalb setzte ich mich sehr ernsthaft mit dem Gedanken auseinander, die Schauspielerei, meinen Traum, aufzugeben.

Ernsthaft?

Nach etwa einem halben Jahr des inneren Dialogs hatte ich mich mit dem Gedanken angefreundet. Ich sah darin kein eigenes Versagen. Ich habe als achtjähriger Junge davon geträumt, Schauspieler zu werden. Das hatte ich geschafft. Ich hatte Hauptrollen in abendfüllenden TV- und Kinofilmen gespielt und sogar mit Donald Sutherland gedreht. Ich wäre zurück nach Konstanz gegangen. Statt weiterhin nur zehn Tage im Jahr zu drehen, hätte ich dort lieber auf der „Rheinterrasse“ – die Bar gehört einem meiner besten Freunde – gearbeitet. Kaum hatte ich sozusagen losgelassen, habe ich das Angebot für „Polizeiruf 110“ bekommen.

Andreas Guenther (links) im Jahr 2013 beim Dreh für die Reihe „Polizeiruf 110“ – er spielt den Kommissar Anton Pöschel.
Andreas Guenther (links) im Jahr 2013 beim Dreh für die Reihe „Polizeiruf 110“ – er spielt den Kommissar Anton Pöschel. | Bild: Jens Büttner / dpa

Stimmt es, dass Sie dieses Jahr von Berlin nach Wien umziehen wollen?

Ja, das ist mein Plan. Vor drei Jahren haben wir in Wien den ersten Teil von „Blind ermittelt“ gedreht. Ich habe mich sofort in diese Stadt verliebt, sie hat einen völlig anderen Rhythmus als Berlin. Ich mag den Wiener Schmäh, die Lebensart der Wiener, das Essen ist sensationell und man atmet an jeder Ecke Geschichte.

Was muss eine Frau haben, um Sie verzaubern zu können?

Sie sollte eigenständig, selbstbewusst und humorvoll sein und unbedingt einen Schalk im Nacken haben. Und da ist diese Magie, die nicht in Worte zu fassen ist, dieses einzigartige Gefühl. Kennen Sie das? Man spürt auf einmal aus heiterem Himmel: Jetzt ist es passiert. Und sie sollte auch richtig feiern können. (lacht)

Welcher Typ Frau gefällt Ihnen?

Für ein Abendessen mit Jennifer Aniston würde ich mein letztes Hemd geben, habe ich mal gesagt – würde ich immer noch. (lacht)