Frau Kunzendorf, welchen Krimi haben Sie zuletzt gesehen oder gelesen? Oder mögen Sie gar keine Krimis?

Doch, ich mag Krimis total. Gerade habe ich mit meinem Sohn „Aus Mangel an Beweisen“ geguckt, eine Mini-Serie mit Jake Gyllenhaal.

Als Krimi-Fan – was hebt Ihre neue Serie „Spuren“ von anderen Formaten ab?

Was ich mag, ist, dass es eigentlich weniger eine Krimi- als mehr eine Polizei-Serie ist. Dass man ein bisschen wegkommt von dem, wie wir deutschen Krimi-Zuschauer sozialisiert sind: Es gibt immer einen oder zwei Kommissare und dann im besten Fall noch jemanden, der ihnen assistiert. Und natürlich einen Chef, der alle zwei Tage sagt: „Ich will Ergebnisse sehen.“ Bei uns spielt das Privatleben der Kommissare und Kommissarinnen kaum eine Rolle, der Fokus liegt auf der Ermittlungsarbeit.

Es gibt in „Spuren“ keine Kommissare, die parallel zur Ermittlung ein krankes Kind zu pflegen haben oder die alkoholkrank sind. Polizeiarbeit ist im seltensten Fall sexy, sondern akribisch und unfassbar detailversessen. Man muss wahnsinnig hartnäckig und geduldig sein, und man muss Frustration aushalten können. Genau das fand ich spannend an „Spuren“.

Wenn das Privatleben der Ermittler keine Rolle spielt, ist es dann für Sie als Schauspielerin schwer, eine Figur wie die Kriminaloberrätin Barbara Kramer darzustellen?

Nein. Ich bin auch keine Schauspielerin, die viel über die Biografie einer Rolle wissen will. Eine Figur erzählt sich meiner Ansicht nach darüber, was sie tut, wie sie handelt. Ich bin niemand, der die Leerstellen, die nicht erzählt werden, in Gedanken bis ins kleinste Detail ausfüllt. Ich finde es toll, wenn die Zuschauer sich dazu ihre Gedanken machen – oder auch nicht, weil sie es gar nicht für wichtig erachten.

Ich mag es, wenn eine Figur nicht sofort einschätzbar ist, wenn ich nicht so richtig weiß, was für ein Mensch das eigentlich ist. Steht sie auf Männer, steht sie auf Frauen? Wieso war sie in Berlin und warum ist sie von dort weggegangen? Ich mag es, wenn sich Fragen auftun, die aber gar nicht alle beantwortet werden.

Wie realistisch wird die Polizeiarbeit Ihrer Meinung nach dargestellt?

Wir hatten als Basis ja das Buch „Soko Erle“ von Walter Roth, der zum Zeitpunkt der Morde, um die es in „Spuren“ geht, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Freiburg war. Und wir hatten Fachleute, die das Drehbuch gelesen haben und den Autoren beratend zur Seite standen. Wenn wir während des Drehs die eine oder andere Frage hatten, dann gab es immer einen Profi, den wir fragen konnten. Das schönste Erlebnis war ein Screening, bei dem einige der echten Kommissare von damals anwesend waren. Die waren völlig angetan, gerade von der Realitätsnähe, was die Arbeit von Ermittlern und Ermittlerinnen betrifft.

Sie haben die fertige Serie also schon gesehen? Sie sind zufrieden mit dem Ergebnis?

Oh, ich tue mich wirklich ganz schwer damit, das zu bewerten. Das kann ich erst mit ein bisschen mehr Abstand sagen, ich bin viel zu wenig objektiv. Aber ich kann sagen, dass ich die Arbeit wahnsinnig gerne mochte. Mit Regisseur Stefan Krohmer war es herrlich, und mein Kollege Tilman Strauß war ein Geschenk. Ich glaube, „Spuren“ ist eine im allerbesten Sinne unprätentiöse und trotzdem spannende Serie geworden. Sie will nicht aufregen, sondern einfach erzählen. So etwas mag ich wahnsinnig gerne. Die Figuren und die Handlung sind authentisch, deshalb funktioniert das Ganze.

Das Format spielt zum großen Teil im Büro, die Ermittlungen gehen schleppend voran. Hat sich das auf die Stimmung bei Dreh übertragen?

Wir waren als Ermittler schon auch unterwegs, es gab durchaus Bewegung. Es gab zum Beispiel Situationen mit den Familien oder bei der Vermisstensuche in den Weinbergen und im Wald. Aber ja, sehr viele Szenen finden in dem eigens eingerichteten Kommissariat statt. So etwas ist natürlich anstrengend, aber auch toll, weil es ein bisschen wie eine Druckkammer ist. Bei „Spuren“ habe ich das nicht als lähmend empfunden, weil in den Szenen Dinge verhandelt wurden, die über die Frage „Wo waren Sie gestern zwischen 14 und 18 Uhr?“
hinausgehen, auch weil es viele kleinere und größere Konflikte gibt.

Akribische Polizeiarbeit: In „Spuren“ ermitteln Barbara Kramer (Nina Kunzendorf) und Thomas Riedle (Tilman Strauß) auch vom Schreibtisch ...
Akribische Polizeiarbeit: In „Spuren“ ermitteln Barbara Kramer (Nina Kunzendorf) und Thomas Riedle (Tilman Strauß) auch vom Schreibtisch aus. | Bild: SWR/Luis Zeno Kuhn

Gedreht wurde unter anderem in Baden-Württemberg, Ihrem Heimat-Bundesland. Wie war das für Sie?

Wir haben an ziemlich vielen Orten im Schwäbischen gedreht, einmal beispielsweise in Strümpfelbach, dem Geburtsort meiner Urgroßmutter.

Wie war es für Sie als gebürtige Mannheimerin, von lauter Schwaben umgeben zu sein?

Die Hälfte meiner Familie ist schwäbisch. Meine Mama ist eine waschechte Schwäbin, meine halbe Verwandtschaft kommt von da, insofern waren mir sowohl der Dialekt als auch die Gegend total vertraut. Es war wie zu Hause! Ich musste mich wirklich bemühen, in meiner Rolle nicht auch irgendwann selbst ins Schwäbische reinzurutschen. (lacht)

Und alle Schauspieler, die im Film Dialekt sprechen, sind echte Schwaben?

Sie sprechen alle den Dialekt, den sie von zu Hause aus mitgebracht haben. Und im Schwäbischen ist es ja oft so, dass man den Leuten anhört, wenn sie aus unterschiedlichen Orten kommen.

Barbara Kramer geht akribisch an die Ermittlungen ran und erweist sich als sehr beharrlich. Entspricht das auch Ihrem Naturell?

Ja. Ich sag‘ das immer so dahin, aber es ist tatsächlich so, dass mich Kriminalistik sehr interessiert. Ich bin 53, ich fange jetzt natürlich nicht mal eben noch ein Studium an – aber wenn dem so wäre … Vielleicht ist das ein bisschen naiv, aber ich finde das extrem spannend.

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Sind Sie denn ein akribischer Mensch oder jemand, der sehr ordentlich ist?

Ich bin ordentlich, das schon. Ich mag gerne Ordnung um mich herum und ich finde auch, dass das irgendwie für Ordnung in einem selber sorgt. Aber ich bin nicht akribisch. Ich habe zum Beispiel keine Wohnung, in der man sich nicht vorstellen kann, dass da eine alleinerziehende Mutter mit zwei Teenagerkindern und Hunden wohnt. Ich bin nicht pingelig. Und ich bin jemand, der Dinge gerne wissen will. Ich interessiere mich schon immer, gerade wenn es um Menschen geht, für das, was hinter der Fassade steckt oder was unter der Oberfläche liegt.

Auf Barbara Kramers Tisch zu Hause liegt ein angefangenes Puzzle. Puzzeln Sie auch gern?

Nicht wirklich. Aber tatsächlich habe ich in den Weihnachtsferien bei meinen Eltern ein Puzzle wieder aufgetan. Das hatte mich immer ein bisschen genervt, weil es eins von diesen sauschwierigen ist, die nur aus Weißschattierungen bestehen. Das ist nicht so meins. Aber Puzzle, auf denen man konkrete Dinge sieht, mag ich schon eher.

Würden Sie Ihre neue Serie eigentlich auch Ihrer Familie zum Anschauen empfehlen?

Ich sage schon Bescheid, wenn etwas Neues kommt. Meistens zumindest. (lacht) Wenn meine Kinder Lust haben, sich das anzugucken, können sie das gerne machen, aber ich stupse sie da nicht hin. Ich glaube, für sie ist das nach wie vor komisch, die eigene Mutter in ganz anderen Zusammenhängen zu sehen.

Viele Zuschauer erinnern sich an Sie noch aus dem Frankfurter Tatort. Anfang der 2010er-Jahre waren Sie in fünf Filmen als Conny Mey zu sehen. Blicken Sie gern zurück?

Und wie! Das war für mich eine total schöne Zusammenarbeit mit Joachim Król, Lars Kraume, einem tollen Team. Wir haben fünf sehr unterschiedliche Filme gemacht, ich habe eine gute Zeit gehabt und es war eine super Spielwiese für mich. Ich bereue es überhaupt nicht, weder dass ich es gemacht habe, noch dass ich irgendwann weitergezogen bin. Ich freue mich auch nach wie vor, wenn Leute mich darauf ansprechen.

Als Tatort-Kommissarin Conny Mey wurde Nina Kunzendorf (hier mit Joachim Król) einem breiten Publikum bekannt.
Als Tatort-Kommissarin Conny Mey wurde Nina Kunzendorf (hier mit Joachim Król) einem breiten Publikum bekannt. | Bild: Malte Christians/dpa

Haben Sie verfolgt, wie es beim Tatort in Frankfurt weiterging?

Margarita Broich und Wolfram Koch, die nach uns kamen, sind beide tolle, sehr geschätzte Kollegen. Und natürlich habe ich verfolgt, was sie machen, aber eher sporadisch. Ich bin allgemein keine große Fernsehguckerin, muss ich gestehen.

Sie haben Ihre Kindheit und Jugend in Mannheim verbracht. Hat es Sie da auch manchmal an den Bodensee oder in den Schwarzwald verschlagen?

Ich habe im Schwarzwald als Fünfjährige das Skifahren gelernt.

Auf dem Feldberg?

Ja, auf dem Feldberg, wobei ich zuerst ehrlich gesagt mehr in der Waagerechten war. (lacht) Skianzug an und geradeaus fahren – und wenn ich hingefallen bin, hat meine Mutter aus der Bauchtasche einen Schokoriegel gezogen. Ferien auf dem Bauernhof haben wir im Schwarzwald auch gemacht.

Fahren Sie heute noch Ski?

Ja, aber selten. Tatsächlich war ich gerade seit Langem mal wieder Skifahren. Das wird ja nicht nur rein schneetechnisch immer schwieriger, inzwischen sehe ich das Ganze tatsächlich auch eher kritisch und nehme mehr und mehr Abstand davon. Obwohl es eine große Leidenschaft von mir ist.