Innerhalb weniger Tage hat der Konflikt der USA mit dem Iran eine neue gefährliche Dimension erreicht, die über die absehbare Spirale der Gewalt nach der Tötung des iranischen Generals und Top-Terroristen Soleimani weit hinausgeht. Man nehme nur die Schlagzeilen der letzten 48 Stunden: Teheran gibt nun völlig das 2015 geschlossene internationale Abkommen auf, das von Barack Obama unter Assistenz unter anderem der Bundesregierung in Berlin ausgehandelt worden war und das Ziel hatte, Iran von der Entwicklung nuklearer Waffen abzuhalten.
Irak will US-Truppen loswerden
Die Gesetzgeber im iranischen Nachbarstaat Irak stimmen gleichzeitig dafür, dass die Präsenz von US-Truppen im Land vollständig beendet wird. Und die Trauerfeiern für Soleimani zeigen, dass der bei einem Drohnen-Luftangriff Getötete offenbar deutlich mehr verehrt als gehasst wurde. Letzteres hat ja US-Präsident Donald Trump in seinen Rechtfertigungen für die Aktion mit angeführt.
Der Iran hat mehrere Optionen, um den USA zu schaden. Hier einige Möglichkeiten:
Trump hat auf die Entwicklungen zuletzt zudem mit Muskelspielen und der Hammer-Drohung reagiert. Er sprach von 52 möglichen Angriffszielen im Iran für Vergeltungsschläge, darunter auch – was internationale Gesetze klar verletzten würde – Kulturstätten. Er drohte Bagdad mit „sehr großen Sanktionen“, falls man die Amerikaner zum Gehen zwinge, und einer Milliarden Dollar-Rechnung für erbrachte Dienste.
Unberechenbare Situation im Mittleren Osten
Die Gesamtsituation im Mittleren Osten und in der Golfregion könnte nun kaum unberechenbarer sein, als man es sich vorstellen kann.
Und wer sich fragt, ob es eine klare Linie des Weißen Hauses und eine gut nachvollziehbare sicherheitspolitische Taktik Trumps gibt, kann nur zu dem Fazit kommen: Hier steht ein Präsident unter Handlungsdruck, der sich – siehe seine Twitter-Ausbrüche – oft von Emotionen und Instinkten und weniger von ausgeruhtem rationalen Kalkül leiten lässt. Und der sich mit seinen Aussagen so weit vorgewagt hat, dass er sich selbst unter massiven militärischen Handlungsdruck gesetzt hat. Hinzu kommt eine eklatante außenpolitische Unerfahrenheit und ein Desinteresse für Details und Diplomatie.
Explosive Mischung
Das ist vor allem angesichts der Aufkündigung der Nuklear-Absprachen durch Teheran ein höchst explosives Gemisch. Bei dieser Thematik scheint es nun kein Zurück mehr zu Verhandlungen zu geben, mit denen man den Vertrag aus der Ära Obama – der durchaus lückenhaft und mit heißer Nadel gestrickt worden war – nachbessern könnte.
Schließlich hatte sich Teheran unter anderem die Inspektion militärischer Anlagen verboten, wo – nimmt man das bisherige Verhalten als Maßstab – die Mullahs vermutlich insgeheim weiter an der Atombombe gewerkelt haben.
Gefahr nuklearer Aufrüstung wächst
Die Gefahr einer nuklearen Bewaffnung rückt näher, was schon in wenigen Monaten und mitten im Wahlkampf Donald Trump unter enormen Entscheidungsdruck setzten wird.
Damit dürfte für den US-Präsidenten klar werden, dass der amerikanische Ausstieg aus dem Vertrag – auch gedacht als politischer Fußtritt gegen Obama – ein Fehler war und es klüger gewesen wäre, mit Hilfe der verprellten Europäer auf neue Verhandlungen zu setzen. Denn eine gemeinsame Front gegen Teheran hätte hier vermutlich Zugeständnisse erreichen können.
Doch in Washington setzten sich die Hardliner wie der mittlerweile geschasste Sicherheitsberater und Super-Falke John Bolton durch. Bolton dürfte Trump eingeredet haben, der Iran werde durch weitere Sanktionen bald einknicken. Es war ein falsches Kalkül, das auch zur Eskalation von Provokationen durch Teheran geführt hat – und das nun Trump zu Aktionen zwingen könnte, die er mit Blick auf die kriegsmüde Kernwählerschaft eigentlich nie anordnen wollte.