Der Verfassungsschutz hat schon im März für Wirbel gesorgt, als beim inzwischen offiziell aufgelösten rechten „Flügel“ der AfD eine „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ feststellte. Die beiden Anführer Björn Höcke und Andreas Kalbitz stuften sie als rechtsextremistisch ein. Aus einem internen Papier wird wenig später bekannt, dass der Verfassungsschutz erwägt, die ganze Partei unter Beobachtung zu stellen.
Immer wieder hat die Partei Mitglieder ausgeschlossen, die unangenehm aufgefallen waren, zuletzt Kalbitz, der den Ausschluss aber juristisch anfechten will. Wie aber sieht es in Baden-Württemberg aus? Wir haben die umstrittensten Figuren, die der AfD angehör(t)en, zusammengestellt.
Thomas Seitz
Thomas Seitz, derzeit ruhender Staatsanwalt in Freiburg, ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter der AfD. Der 52-jährige Jurist hat ebenfalls eine spannende Parteihistorie hinter sich. 2011 gehörte er knapp ein Jahr der rechten und inzwischen selbst aufgelösten Partei „Die Freiheit“, bevor er 2013 in die neu gegründete AfD eintrat. In seiner Heimat, der Ortenau, sitzt er im Kreistag. Seitz gehörte dem völkischen Flügel der Partei an.
Er diffamierte mehrfach den Islam und sprach sich dafür aus, den diskriminierenden Begriff „Neger“ weiter zu verwenden. Den früheren US-Präsidenten Barack Obama hatte er als „Quotenneger“ bezeichnet.
2016 leitete die Staatsanwaltschaft Freiburg ein Disziplinarverfahren gegen den Staatsanwalt ein. 23 Rechtsanwälte hatten sich beschwert, weil Seitz sich wiederholt abfällig über den Islam geäußert hatte und Mandanten mit Migrationshintergrund fürchten müssen, er sei ihnen gegenüber nicht unvoreingenommen.
Seitz beschäftigte im Bundestag Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund, seine Mitarbeiter nannten sich auf Facebook „Brigade Seitz„, wo sie unter anderem das „Soldatenlied“ der Wehrmacht posteten. Das baden-württembergische Justizministerium hat wegen rassistischer Äußerungen und mangelnder Neutralität Klage eingereicht: Seitz könnte seinen Beamtenstatus verlieren, der Rechtsstreit ist aber noch nicht beendet.
Stefan Räpple

Stefan Räpple, Noch-AfD-Mitglied, selbsterklärter Hypnocoach aus Freiburg, sitzt seit 2016 im Landtag, zunächst für die AfD. Der frühere Lehramtsstudent soll eine Ausbildung als Heilpraktiker für Psychotherapie angestrebt haben. Räpple gehört zu den Gründungsmitgliedern der AfD und der Jungen Alternative. Recherchen zufolge stand er der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung (ID) nahe und soll 2013 in Freiburg einen Gründungsversuch unternommen haben.
Der 39-Jährige warb dafür, die Identitäre Bewegung von der Unvereinbarkeitsliste für AfD-Mitglieder zu streichen. Anfang 2020 rief Räpple zu einer Demonstration vor dem SWR-Medienhaus in Baden-Baden auf und sprach von „linksextremen Medienleuten“.
Das Holocaust-Gedenken hält er für überflüssig: Sein Motto lautet „Schluss mit dem Schuld-Kult“. Im Landtag bezeichnete er 2016 Mitglieder anderer Fraktionen als „Volksverräter“, 2017 wurde er aus dem Landtag verwiesen, 2018 erneut, nachdem er Vertreter der SPD als „rote Terroristen“ bezeichnet hatte und einen Eklat auslöste. Er musste von der Polizei aus dem Saal gebracht werden.
Räpple nahm auch an der umstrittenen Demonstration „Pro Chemnitz„ teil, wo es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen gekommen war. Im gleichen Jahr leitete die AfD ein Ausschlussverfahren gegen Räpple ein. Im März 2020 wurde er vom Landesschiedsgericht in erster Instanz aus der Partei ausgeschlossen: Grund waren seine Äußerungen im Landtag sowie seine Nähe zu rechtsextremen Organisationen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Räpple will dagegen vorgehen.
Dubravko Mandic
Dubravko Mandic, Mitglied der AfD, ist Rechtsanwalt in Freiburg. Der im früheren Jugoslawien geborene 40-Jährige gilt als rechtsextremer Aktivist. In Freiburg gehörte er in seiner Studentenschaft verschiedenen Burschenschaften an, wo 2016 Nazi-Lieder gespielt worden sein sollen. Mandic wird nachgesagt, er habe dort „Heil Hitler“ gerufen.
2016 veröffentlichte er eine Fotomontage mit den Grünen-Politikern Claudia Roth, Cem Özdemir und Anton Hofreiter zu den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen auf Facebook und wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Als Strafverteidiger gab er einer 15-Jährigen, Opfer einer Vergewaltigung, eine Mitschuld an der Tat seines Mandaten. Der Freiburger Stadtrat, der 2019 einen der beiden AfD-Sitze gewann, kündigte an, Oberbürgermeister Martin Horn „aus dem Amt zu jagen“. Im selben Jahr war er in eine Prügelei in Freiburg verwickelt, bei der er Reizgas einsetzte. Gegen ihn wurde ein Strafbefehl erlassen, gegen den der Anwalt Einspruch erhob.
Mandic gehörte sowohl dem völkischen Flügel an als auch der Jungen Alternative. 2014 wurde er in den Bundesvorstand der Patriotischen Plattform gewählt, der Mitglieder des Flügels angehörten. 2018 wurde die Selbstauflösung beantragt wegen der drohenden Beobachtung des Verfassungsschutzes. Mandic glaubt, der Verfassungsschutz habe die AfD „infiltriert“.
Der Anwalt fordert eine engere Zusammenarbeit mit der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung. Anfang 2020 beteiligte er sich an der Demonstration vor dem SWR-Gebäude und drohte, man werde die Journalisten „aus ihren Redaktionsstuben vertreiben“. Dafür erntete er scharfe Kritik des Bundessprechers Jörg Meuthen.
Markus Frohnmaier
Markus Frohnmaier, Jurastudent in Tübingen, wurde in Rumänien geboren und von Deutschen adoptiert. Heute ist der 29-Jährige Bundestagsabgeordneter der AfD. Frohnmaier wurde Mitglied im Landesvorstand und 2015 Bundesvorstand der Jungen Alternative. Er gehört zu den Unterzeichnern der Erfurter Resolution, die zur Spaltung der Partei und der Gründung des Flügels führte.
Bis Ende 2016 war er Pressesprecher der damaligen Bundesvorsitzenden Frauke Petry. 2017 wurde er Sprecher von Alice Weidel, mit der er zeitgleich in den Bundestag einzog. Zuvor hatte er erfolglos für den Landtag kandidiert.
Medien berichteten über Verbindungen mit der rechtsextremistischen und der Hooligan-Szene nahen Gruppierung „German Defence League“ (GDL). Frohnmaier beschäftigt eine Mitarbeiterin, die zuvor in einem rechtsradikalen Verlag aktiv war. Manuel Ochsenreiter, Chefredakteur der rechtsextremen Zeitschrift Zuerst!, war sein Referent. Weil gegen Ochsenreiter wegen des Anfangsverdachts der Anstiftung zur Brandstiftung ermittelt wurde, wurde das Arbeitsverhältnis mit ihm einvernehmlich beendet.
Frohnmaier begrüßte die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und forderte nach dem Anschlag in Nizza 2016 ein generelles Einreiseverbot für Muslime in die EU. Sozialleistungen für Ausländer will er einschränken lassen und für Asylbewerber unter 50 Jahren eine Ausgangssperre verhängen. Nach einem tödlichen Messerangriff in Chemnitz rief Frohnmaier dazu auf, die „todbringende Messermigration zu stoppen“.
Das Bundesverfassungsgericht will Frohnmaier nach einer Machtübernahme der AfD durch parteitreue Richter ersetzen. Zur Identitären Bewegung hat Frohnmaier ebenfalls Verbindungen. Berichte, Frohnmaier erhalte Unterstützung aus Russland, wies er zurück. Der Verfassungsschutz schreibt in einem Bericht zur AfD 2019, Frohnmaier legitimiere „Angriffe auf das staatliche Gewaltmonopol“.
Harry Ebert

Harry Ebert, war seit mehr als 20 Jahren Bürgermeister in Burladingen, genau genommen schon seit dem vorherigen Jahrhundert. 1999 wurde er erstmals zum Bürgermeister der Stadt in der Schwäbischen Alb gewählt. Zum 1. Juni hat Baden-Württembergs einziger AfD-Bürgermeister sein Amt aufgegeben. Eine Begründung hat das langjährige Stadtoberhaupt nicht hinzugefügt. Sie ergibt sich aus seiner Geschichte: Der umstrittene Bürgermeister war erst 2018 in die AfD eingetreten – und zog sich damit den Unmut vieler Bürger zu.
Anlass für seinen Parteieintritt sei die Migrationspolitik der AfD gewesen, die zwar „radikal“ sei, aber eben auch „wirksam“. Schon zuvor hatte der Bürgermeister wegen despektierlicher Äußerungen in dem schwäbischen Städtchen für Unbehagen gesorgt.
Auf Facebook teilte er Posts wie „Merkel muss weg“. Als es 2006 im beschaulichen Schwabenstädtchen zu einer Schlägerei wegen Ausländerfeindlichkeiten kam, schwieg der Bürgermeister.
Eine Flüchtlingsunterkunft hatte er als „Asylantenschau“, eine Unterkunft für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge als „Vollpension-Internat“ bezeichnet, seine Gemeinderäte waren für ihn „Landeier“. Das Landratsamt Zollernalbkreis leitete ein Disziplinarverfahren gegen das Stadtoberhaupt ein, das einen Verweis bekam. Seine Stellvertreter und zwei Fraktionssprecher legten seinetwegen ihre Ämter nieder.
Dirk Spaniel

Dirk Spaniel, Bundestagsabgeordneter der AfD, hat seine Doktorarbeit über Brennstoffzellenfahrzeuge geschrieben. Der 48-jährige frühere Entwicklungsingenieur von Daimler wohnt in Stuttgart. E-Mobilität hält er für „ideologischen Weltverbessererquatsch“, Fahrräder für „unpraktisch und gefährlich“, Radfahrer seien die „Hauptunfallverursacher im Verkehr“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der AfD.
Auf Facebook beschreibt er sich als „Wahl-Schwabe, Familienvater, Patriot“. Das frühere Mitglied in der Jungen Union trat 2015 mit der Flüchtlingskrise in die AfD ein. Dort gehörte er dem rechten Flügel an. Er schaffte es bis zum Landes-Co-Vorsitzenden, wurde im Februar aber abgewählt und unterlag damit dem gemäßigteren Gögel, mit dem er zuvor den Vorsitz teilte.
Doch seine Zeit könnte bald ablaufen: Im Januar berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ darüber, dass die Bundesparteispitze eine Essener Kanzlei beauftragt hat, in einem Gutachten die Aussichtschancen für seinen Parteiausschluss zu beurteilen. Demnach sei eine Ämtersperre oder Abmahnung wahrscheinlich.
2019 waren Audioaufnahmen bekannt geworden, in denen Spaniel gegen Meuthen intrigierte, den er als Bundesvorsitzenden verhindern wollte. Beim Auftritt vor dem SWR-Studio in Baden-Baden Anfang des Jahres war er dabei, als bei der Demo unter anderem gerufen wurde „Wir werden sie aus ihren Redaktionsstuben vertreiben“ – gemeinsam mit bereits ausgeschlossenen Parteimitgliedern.
Heinrich Fiechtner, mittlerweile parteilos

Der Onkologe und Palliativmediziner dürfte ein rotes Tuch für seine letzte Partei sein. Bevor er der AfD beitrat, war er Mitglied bei der CDU und der FDP. Die AfD versuchte den 59-Jährigen zwischenzeitlich zu bestechen, damit er den Stuttgarter Stadtrat verlässt, dem er bis 2019 angehörte. Dabei gehörte Fiechtner einst zu den Gründungsmitgliedern der AfD 2013 und war bis im Folgejahr ihr Landesvorsitzender.
2015 machte er von sich reden, weil er den Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) verbal angriff und ihn als „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ bezeichnete, wofür er sich später entschuldigte. Schon damals startete die Partei ein Ausschlussverfahren, später wurde es eingestellt.
2016 zog er für den Wahlkreis Göttingen in den Landtag ein, wo er entgegen der Fraktion, die er mit Jörg Meuthen, dem heutigen Bundesvorsitzenden, gründete und befürwortete eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge. Danach wurde er nicht mehr als Redner eingesetzt.
Fiechtner überwarf sich mit seiner Partei, klagte beim Stuttgarter Verfassungsgericht gegen das inoffizielle Redeverbot und seinen Ausschluss aus dem NSU-Untersuchungsausschuss. Fiechtners Bundestagskandidatur wurde von der AfD unterbunden, 2017 trat er aus der Partei aus. Grund: Die Nähe der Landes-AfD zum inzwischen ausgeschlossenen Wolfgang Gedeon.
Im April wurde er – ähnlich wie andere Vertreter seiner früheren Partei, aus dem Parlament verwiesen, weil er sich nicht an sein zuvor erteiltes Redeverbot gehalten hatte. In den vergangenen Wochen nahm er an Corona-Protesten in Stuttgart teil.
Wolfgang Gedeon, mittlerweile parteilos

Wolfgang Gedeon, parteilos, wurde aus der AfD ausgeschlossen, nachdem er 2016 für sie in den Landtag eingezogen war. Der frühere Allgemeinarzt, der einst dem Kommunismus anhing und sich in den 1970er-Jahren der 68er-Bewegung angeschlossen hatte, veröffentlichte immer wieder antisemitische Schriften.
Zum Bruch mit seiner Partei kam es wegen antisemitischer Äußerungen in dem bereits 2012 erschienen Buch „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“. Darin nimmt der 73-Jährige unter anderem Bezug auf die Hetzschrift „Protokolle der Weisen von Zion“.
Doch erst 2016 stellt die Fraktion einen Antrag auf Gedeons Ausschluss. Die Partei holt Gutachten ein, die Gedeons Schriften prüfen sollen. Zwei bestätigen antisemitische Inhalte. Nachdem der Ausschluss Gedeons wegen verfehlter Zweidrittelmehrheit nicht gelingt, kommt es zum Eklat in der Fraktion. Der damalige Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen tritt aus, gemeinsam mit vielen anderen.
Schließlich verzichtet Gedeon auf seine Fraktionsmitgliedschaft. Trotzdem arbeitete er weiter zusammen mit der Fraktion: Er nahm als „Gast“ weiter an Arbeitskreisen teil. Erst 2020 wird er aus der Partei ausgeschlossen. Zuletzt spekulierte er, das Coronavirus sei ein Biowaffenangriff der USA.