Lassen Sie sich diesen Satz auf der Zunge zergehen: Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland laut Paragraf 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar.

Das ist die aktuelle Rechtslage – allerdings mit drei Ausnahmen: Straffrei bleibt die Frau, wenn sie sich drei Tage vor dem Eingriff beraten und den Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen vornehmen lässt. Zweitens, wenn aus medizinischer Sicht Gefahr für Leib und Seele der Schwangeren besteht oder drittens, wenn sie Opfer einer Vergewaltigung geworden ist.

Die heute gültige Regelung stammt aus dem Jahr 1992, der Paragraf geht auf das Jahr 1871 zurück. Es waren Männer, die für diese Regelungen verantwortlich zeichneten. Sie begründeten dies meist mit dem ungeborenen Leben, das es zu schützen gilt.

Im Strafgesetzbuch steht der Paragraf 218 nur wenige Paragrafen hinter Mord und Totschlag.
Im Strafgesetzbuch steht der Paragraf 218 nur wenige Paragrafen hinter Mord und Totschlag. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Abtreibungen werden in Deutschland seitdem grundsätzlich kriminalisiert, denn bis heute steht der Paragraf 218 im Strafgesetzbuch nur wenige Paragrafen hinter Mord und Totschlag. Dort gehört er nicht hin, Abtreibungen sollten künftig im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden und bis zur zwölften Woche grundsätzlich straffrei bleiben.

Experten empfehlen, Abbruch zu erlauben

So sieht es auch ein Gruppenantrag von SPD und Grünen vor, dem sich bereits mehr als 300 Abgeordnete im Bundestag angeschlossen haben. Bereits im Frühjahr hatte eine Kommission aus Medizin-, Ethik- und Rechtsexperten empfohlen, den Abbruch einer Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich zu erlauben, sofern ein Arzt ihn vornimmt. Sinnvoll ist, dass dies mit einer Beratung der Schwangeren verbunden bleiben soll.

Zwölf Wochen sind eine sehr kurze Zeit für eine Frau, wenn man bedenkt, dass die meisten in der fünften Woche, viele aber auch erst später erfahren, dass sie schwanger sind. Die Tage, sich zu überlegen, ob man das Kind austragen kann und möchte oder nicht, sind also gezählt und schnell vorbei.

Konsequenzen für das Leben der Frau

Doch Frauen beschäftigen sich eingehend mit dem Für und Wider eines Abbruchs und den Konsequenzen für ihr Leben. Keine Frau macht es sich leicht.

Ein Schwangerschaftstest zeigt mit zwei Streifen eine Schwangerschaft an. Keine Frau macht sich die Entscheidung leicht, ob sie das Kind ...
Ein Schwangerschaftstest zeigt mit zwei Streifen eine Schwangerschaft an. Keine Frau macht sich die Entscheidung leicht, ob sie das Kind behalten will oder nicht. | Bild: Hendrik Schmidt/dpa

Gleichzeitig ist es für Frauen in Deutschland schwer, eine Abtreibungsklinik zu finden, wie eine Umfrage unter den mehr als 300 öffentlichen Kliniken mit gynäkologischer Station zeigt. Nur 60 Prozent geben überhaupt an, Schwangerschaften abzubrechen. Wenn es sich um einen Abbruch nach der Beratungsregel handelt, dann bieten nur 40 Prozent der Kliniken die Möglichkeit zur Abtreibung an. Ein Viertel der 1500 befragten Frauen berichtet auch von einer teils entwürdigenden Behandlung auf den Stationen, ebenso werden ihnen demnach immer wieder Schmerzmittel verwehrt.

Krankenkassen müssten zahlen

Würden Abtreibungen straffrei gestellt, wären sie rechtmäßig. Damit müssten die Krankenkassen auch den Eingriff bezahlen, was sie heute nur im Fall der medizinischen und kriminologischen Indikation tun. Die aktuelle Regelung benachteiligt damit insbesondere sozial schwache Frauen, die eine Beratungslösung in Anspruch nehmen und die Kosten kaum tragen können. Auch Minderjährige, Frauen mit gewalttätigen Partnern und solche, die nicht gut Deutsch sprechen, zählen dazu. Wie sollen sie in der Kürze der Zeit eine Praxis oder Klinik finden und lange Anfahrtswege überwinden?

Eine Frauenärztin deutet auf den Kopf eines Fötus im Ultraschall, dessen Scheitel-Steiß-Länge auf eine Schwangerschaftsdauer von etwa 9 ...
Eine Frauenärztin deutet auf den Kopf eines Fötus im Ultraschall, dessen Scheitel-Steiß-Länge auf eine Schwangerschaftsdauer von etwa 9 Wochen hinweist. Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt straffrei, wenn er innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft durchgeführt wird, die schwangere Person zuvor eine staatlich anerkannte Beratung in Anspruch genommen hat und seit dieser Beratung mindestens drei Tage vergangen sind. | Bild: Hendrik Schmidt/dpa

Auch Ärzte tun sich mit einem solchen Eingriff häufig schwer. An den Universitäten sind Abtreibungen bis heute fast ausschließlich Thema in Medizinethik und Medizinrecht, um Methoden des Abbruchs einer Schwangerschaft geht es nur selten.

Frankreich: Recht auf Abtreibung in der Verfassung

Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, Abtreibungen zu legalisieren. Das ist nun Geschichte. Würde der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Bundeskanzler, hätte ein Recht auf Abtreibung bei ihm wohl keine Chance. Noch ist das Fenster offen für eine Gesetzesänderung. Frankreich hat dieses Jahr als weltweit erstes Land das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankert. Deutschland sollte nachziehen.