Wer an dieser Stelle Prognosen, Diagnosen oder auch nur Spekulationen über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher fünf Jahre nach seinem fatalen Skiunfall erwartet, der wird gleich enttäuscht werden. Allein der Papst-Vertraute Georg Gänswein sah sich jüngst bemüßigt, über seinen Besuch beim Rekordweltmeister der Formel 1 zu plaudern.

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So verschafft der Mann, der zu seiner aktiven Zeit gern als „Renngott“ betitelt wurde, der katholischen Kirche in diesen Tagen ein wenig Aufmerksamkeit. Der Bischof sprach von warmen Händen und bekannte, heimlich ein Fan zu sein. Was im Motorsport für das Limit gilt, trifft auch für die Moral zu: Jeder muss diese Grenze für sich selbst ziehen.

Der Unfall bewegte nicht nur die Sport-Welt

Michael Schumacher hat diese Linie in seiner einzigartigen Karriere sportlich immer weiter hinausgetrieben, privat hat er sie gegen jegliche Trittbrettfahrer immer enger gezogen.

Die Jahrestage, die Deutschlands größten Sport-Star des Jahrtausends wieder zurück in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit bringen, fallen in jene Zeit, die gemeinhin als besinnlich gilt. Das hat am 29. Dezember 2013 die Reaktionen der Nachricht von einem Skiunfall des Formel-1-Rekordweltmeisters Michael Schumacher noch verstärkt, selbst als tagsüber die Auswirkungen noch harmlos erschienen, da der ehemalige Ferrari- und Mercedes-Pilot nach einem Sturz in den französischen Alpen noch bei Bewusstsein gewesen sein sollte. Schnell spitzten sich Gesundheitszustand und Meldungen zu, und als am Abend seine ehemaligen Teamchefs Jean Todt und Ross Brawn ins Krankenhaus von Grenoble kamen, das bereits von Journalisten belagert wurde, war zu ahnen: Die Lage ist ernst. Die bizarre Szenerie hatte etwas von Abschied, auch Bruder Ralf und Vater Rolf eilten zur Intensivstation.

Der Ausnahmerennfahrer stand auch nach seinem zweiten Rücktritt zum Saisonende 2012 noch im Training, diese Fitness hat wohl dazu beigetragen, dass er die Operationen und das halbjährige Koma überlebt hat, die nach seinem Schädel-Hirn-Trauma nötig waren. Die Absurdität des Schicksals, dass da einer bei einem harmlosen Ausflug trotz bester Ausrüstung fast sein Leben verliert, der es über drei Jahrzehnte auf den Rennstrecken in ganz anderen kritischen Bereichen ständig riskiert hatte, verstärkt die weltweite Anteilnahme. Schumacher war derjenige, der den Beruf des Formel-1-Rennfahrers und die Kategorien des Erfolges neu definiert hatte. Über den aktuellen gesundheitlichen Zustand von Michael Schumacher, der am 3. Januar den 50. Geburtstag feiert, ist nichts bekannt. Er lebt seit Herbst 2014 mit der Familie auf einem Anwesen in Gland am Genfer See, wo er auch medizinisch betreut wird.

Managerin Kehm blockt ab

Seine Managerin Sabine Kehm erklärt immer wieder, warum es keine Bulletins gibt: „Michael hätte das nicht gewollt, er hielt sein Privatleben schon immer privat. Zudem brächte jede Antwort neue Fragen mit sich.“ Der Hamburger Journalistik-Professor Stephan Weichert widerspricht gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Ich sehe da aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ein Dilemma. Einerseits hat die Öffentlichkeit ein Interesse zu erfahren, wie es dem langjährigen Rennsport-Star geht, andererseits hat die Familie ein Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre.“ Dass die Öffentlichkeit nichts mehr zum Zustand Schumachers erfährt, könne auch Unbehagen erzeugen, denn: „Man sorgt sich um diesen Nationalhelden, mit dem sich viele identifizieren konnten.“

Die Familie muss in Kauf nehmen, dass auf dem Boulevard spekuliert wird. Um dem nicht nachlassenden Interesse am erfolgreichsten Rennfahrer der Formel-1-Geschichte gerecht zu werden, wurde im Sommer in der Kölner Motorworld, nicht weit von Schumachers Heimatort Kerpen gelegen, eine Dauer-Ausstellung eröffnet, die das sportliche Leben des Rheinländers anhand seiner Rennwagensammlung erzählt. Im Museum bei der Ferrari-Zentrale in Maranello wird vom 3. Januar an ebenfalls eine Ausstellung gezeigt, die eine Hommage an den Mann ist, der die Italiener von der Jahrzehnte langen Talfahrt erlöste und zum erfolgreichsten Fahrer der Marke avancierte: „Michael Schumacher hat einen besonderen Platz in Ferraris Geschichte.“ Nicht nur dort gilt: Der Respekt vor dem Rekord-Champion ist ungebrochen, war vielleicht sogar nie größer als heute.

Zum Weltmeister der Herzen wurde er erst spät, auf dem Weg zu 91 Grand-Prix-Siegen und sieben Weltmeistertiteln hat er stets polarisiert, kompromisslos gegen andere – und sich selbst. Auch jene, denen Spekulationen fern liegen, die sich jetzt natürlich für seinen in der Formel 2 startenden Sohn Mick interessieren oder der Stiftung „Keep fighting“ folgen, fragen sich immer wieder, wie schwer sein Schicksal ist, ob man ihn je wieder sehen wird. Die Ungewissheit nagt, man kann nur ahnen, dass er kämpft, wie er es immer getan hat. Selbst im schnelllebigen Formel-1-Geschäft ist er immer noch, immer wieder ein Thema.

Vettel vermisst Vorbild und Freund

Der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel, der bei Ferrari Schumachers Erfolg zu wiederholen versucht, hat offen gestanden: „Ich vermisse Michael sehr.“ Für den heute 31-Jährigen war er erst Vorbild, dann Freund: „Ich habe gewissermaßen zwei Michael Schumachers kennengelernt. Den einen, als ich aufgewachsen bin – das war, als würdest du den lieben Gott treffen. Und dann erlebte ich ihn, als ich selber auch groß war.“ Der Unterschied: „Beim einen Mal traf ich den Champion, beim anderen Mal den Menschen Schumacher. Ich habe erfahren, was Michael verkörpert, wer er wirklich ist.“ Lewis Hamilton, der 2013 Michael Schumacher bei Mercedes ersetzte und als jetzt fünffacher Weltmeister dessen Rekorde für die Ewigkeit angreift, sagt, dass er häufig für die Genesung und die Familie Schumachers bete. Mercedes-Teamchef Toto Wollf würdigt Schumacher als einen der Gründungsväter des aktuellen Silberpfeil-Erfolgs.

In diesen Tagen werden sich Anteilnahme und Fragen enorm verstärken. Michael Schumacher hat sich in seinem Tun mit der Gefahr stets mit dem ihm eigenen Pragmatismus auseinandergesetzt: „Rennfahren ist keine Mutprobe und kein Kraftakt. Man muss das Gefühl dafür haben, ob das Auto eine bestimmte Situation bewältigen kann oder nicht. Es liegt dann an einem selbst, richtig in die Kurve zu fahren.“