Herr Keller, der SC Freiburg in der Champions League – vor zehn Jahren hätte man bei diesem Satzanfang mit einem Witz gerechnet. Und jetzt ist genau das möglich. Anderthalb Stunden noch bis zur möglichen Sensation, das ist doch verrückt, oder?
Fritz Keller: Ja, das kann man so nennen. Es ist grandios. Aber Vorsicht, wir haben‘s noch nicht. So nah dran, wie wir es noch nie waren. Aber man muss es eben so sagen: Der Verein, die Leute sind immer bei sich geblieben, sie haben ihre eigene Idee gehabt. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn es klappt.
Real Madrid, FC Barcelona, Manchester City, um mal drei europäische Fußball-Schwergewichte herauszupicken, die wissen doch gar nicht, wo Freiburg liegt.
Fritz Keller: Ha, sie können es ja googeln. Aber wir sind schon keine blutigen Anfänger mehr im internationalen Geschäft. Mit einem Jahr Pause haben wir ja zweimal international gespielt und das auch nicht schlecht. Man kennt uns, davon gehe ich aus (lacht).
Es ist die Saison eins nach Christian Streich. Haben Sie diese sportliche Entwicklung, diesen Erfolg für möglich gehalten – es ist ja auch einer, wenn gegen Eintracht Frankfurt das Champions-League-Ticket nicht gelöst werden kann und der SC Freiburg Europa League spielt?
Fritz Keller: Absolut. Es ist einfach die Arbeitsweise beim Sport-Club. Christian Streich hat die Öffentlichkeitsarbeit gemacht, aber ja nicht nur die. Er war die zentrale Figur, gar keine Frage, aber eben auch ein Teamplayer. Es ist im Prinzip die Fortführung der Philosophie, dass man einen aus den eigenen Reihen, einen mit ausgeprägtem Kontakt zu unserer Fußballschule zum Trainer gemacht hat. So war das ja auch bei Christian Streich gewesen. Und nahezu das gesamte Team drumherum ist ja geblieben – die Co-Trainer, die sportliche Leitung, das ist der eine Grund.
Der andere ist, dass der SC Freiburg ein Verein ist, der nicht so einfach die Nerven verliert und eine Führungsstruktur hat, die fachlich sehr gut, immer sachlich und professionell arbeitet. Das macht es auch möglich, dass der neue Trainer Julian Schuster auf junge Spieler setzen kann, von denen er weiß, dass die mal Fehler machen. Sie dürfen das auch, weil nicht nur von einem Spiel zum nächsten gedacht wird. Wenn es irgendwelche hysterische Worte gäbe und die womöglich auch noch in die Öffentlichkeit kämen, dann gäbe es auch nicht die Möglichkeit, diese jungen Spieler weiterzuentwickeln. Klare Linie, das wird nicht passieren, da bin ich mir sicher.
Ein paar Worte zu Julian Schuster?
Fritz Keller: Ich kenne Julian Schuster, seit er 2008 unter Robin Dutt (SC-Trainer von 2007 bis 2011; die Red.) zu uns gekommen ist. Seine taktischen Vorstellungen hat Dutt mit der Mannschaft diskutiert, da ist Julian Schuster immer vorangegangen. Er war ein sehr kluger, fast ein weiser Spieler, der mehr von seiner Intelligenz und seinem Fleiß gelebt hat als von seinem fußballerischen Talent. Wir haben damals schon geglaubt, dass er mal ein guter Trainer wird.

Stichwort Stadion. Als damaliger SC-Präsident haben Sie in einem Südkurier-Interview erklärt, warum der Sport-Club unbedingt eine neue, eine größere Arena braucht, um im Fußballgeschäft mithalten zu können. Mit Augenzwinkern gefragt: Schämen Sie sich nicht, dass die neue Heimstätte zu klein dimensioniert wurde? Es gibt doch ein Problem, an Tickets heranzukommen.
Fritz Keller: Als ich erstmals den Bau eines neuen Stadions angesprochen habe, war kein Mensch dafür, alle waren dagegen. Hätte man gar noch ein größeres gefordert, hätte es gar keines gegeben. Und genau diejenigen, die damals vehement erst gegen ein neues Stadion überhaupt und danach gegen die Größe des neuen Stadions waren, also die Bedenkenträger, von denen es in unserem Land immer mehr gibt als Optimisten oder gar Visionäre, genau die sagen jetzt, es ist zu klein geraten.
Wenn man eine Glaskugel gehabt hätte, in der man hätte die Zukunft sehen können, dann hätte man das Stadion eine Idee größer machen können. Aber ich habe lieber ein neues Stadion, das immer ausverkauft ist und so die Fixkosten gedeckt sind. Es ist aus anderer Sicht ja auch besser, weil man sich in einem vollen Stadion nicht einsam fühlt. Nie vergessen: Hätte man das Stadion größer dimensioniert, wäre damals von Größenwahn gesprochen worden.
Es gibt eine bekannte Brauerei in Bayern, die hat jetzt erstmals ein alkoholfreies Bier auf den Markt gebracht und rationiert es stark. Verknappung als Marketingziel – wie beim SC Freiburg?
Fritz Keller: Fast, aber nicht ganz. Vom Marketing her stimmt das, wenn was knapp ist, wollen es alle. Der Unterschied ist, dass die Brauerei die Produktion steuern kann, wir nicht, wir haben 34.700 Plätze und Ende. Aber bei uns wird sich jeder überlegen, ob er seine Dauerkarte zurückgibt – selbst wenn es tatsächlich noch mal weniger attraktiv zugehen sollte. Der Sport-Club hat das ja erlebt, als es mal runter ging in die Zweite Liga.
Mit dem Einzug in die Champions League würde dem Verein mehr Geld denn je in die Kasse gespült (18,62 Mio. Startgeld in der Saison 2024/25 plus Punktprämien). Das klingt nicht schlecht, aber es gibt auch ein Aber. Es können Ansprüche entstehen, die das bislang solide Finanzmanagement im Klub durcheinander wirbeln. Wie sehen Sie das?
Fritz Keller: Die Gefahr sehe ich bei absolut null. Das liegt in der DNA des Vereins, dass der Vorstand und Aufsichtsrat, einfach alle Führungskräfte damit souverän umgehen können. Natürlich muss man, was die Finanzen angeht, immer einen genauen Plan haben, was können wir machen und was nicht.
Gerade was die Ausgaben für die Spieler betrifft, muss man immer im Auge haben, dass man keine Zahlungen für hochdotierte Verträge an der Backe hat, wenn es mal anders kommt als zuletzt. Das kennt man ja beim SC Freiburg, aber die Nachhaltigkeit, mit der der Verein immer geführt wurde, hat es ermöglicht, dass man auch sportliche Wellen inklusive der Zweiten Liga gut überstanden hat. Aber selbstverständlich wird es einen weiteren Schritt nach vorne, ein weiteres Wachstum geben. Das muss auch so sein.
Damit befasst sich im Freiburger Fußballfieber in diesen Tagen ja eh niemand. Sind Sie am Samstag im Europa Park Stadion dabei und haben Sie – wir erinnern uns da an einen Keller-Satz von früher – „eine Flasche vom Guten“ parat gestellt für den positiven Fall der Fälle?
Fritz Keller: Also erstens ist es schon positiv, weil wir auf jeden Fall europäisch mit dabei sind. Und zweitens habe ich natürlich mehrere Flaschen im Keller, die mit Freunden getrunken werden können. Zum ersten Teil der Frage: Ich habe nur ein einziges Spiel in dieser Saison verpasst und bin selbstverständlich auch gegen Frankfurt im Stadion.