Herr Buchwald, Ihr Herzensverein, der VfB Stuttgart, startet am Samstag gegen den FSV Mainz 05 in die entscheidende Saisonhälfte. Haben Sie ein gutes Gefühl in Sachen Klassenerhalt?

Die Bundesliga befindet sich ja noch nicht mal in der Rückrunde, es sind also noch sehr, sehr viele Punkte zu vergeben. Ich bin recht zuversichtlich. Für den VfB fand ich es unglaublich wichtig, dass vor der WM in Katar personelle Entscheidungen fixiert wurden und somit Ruhe eingekehrt ist. Mit Phillip Lahm, Sami Khedira und Christian Gentner ist nun auch mehr sportliche Kompetenz da, was mich freut. Es war ein Schnitt, durch den auch wieder mehr VfB-DNA im Club ist. Zudem gibt es keinen Alleinherrscher mehr, die Aufgaben werden auf mehrere Schultern verteilt. Ich bin wirklich positiv gestimmt.

Und es geht weiter mit frischem Wind auf der Trainerposition...

Bruno Labbadia kenne ich aus früheren Zeiten sehr gut. Er ist ein Profi durch und durch, hat ein klares Konzept und weiß, wie er sein Team motivieren muss. Ich glaube aber auch, dass auch mit dem neuen Sportdirektor Fabian Wohlgemuth eine gute Entscheidung getroffen wurde. Das ist ein Typ, der sich nicht in den Vordergrund stellt, aber überall gute Arbeit geleistet hat – das hat man in Paderborn in der 2. Liga zuletzt gesehen. Kurzfristig geht es für Stuttgart natürlich um den Klassenerhalt, mittelfristig muss aber das Ziel sein, ein Team zu formen, bei dem die Hierarchien im Kader stimmen. Natürlich braucht es den einen oder anderen erfahrenen Spieler, das ist klar. Ausgezeichnet hat den VfB aber immer, dass er eigene Jugendspieler geformt hat und sich mit ihnen weiterentwickelt hat.

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Was werden für Labbadia kurzfristig die entscheidenden Aufgaben sein?

Die Balance in der Defensive. Es heißt zwar, Stuttgart schießt zu wenige Tore, aber entscheidend ist in meinen Augen die Abstimmung in der Defensive. Es geht da nicht mal so sehr um einzelne Zweikämpfe, es braucht einfach wieder eine gewisse Grundstabilität. Da bin ich aber wirklich guter Dinge. Bruno Labbadia arbeitet zudem viel an der Kondition der Spieler. Mich hat das immer gewundert, dass andere Teams zwei, drei Kilometer mehr gelaufen sind, obwohl der VfB eine junge Mannschaft hat. Da kann was nicht stimmen, denn als junger Spieler laufe ich tendenziell immer mehr, weil ich aufgrund fehlender Routine auch mal umsonst renne. Vielleicht war das in der Vergangenheit ein taktischen Korsett oder die Spieler waren eben nicht hundertprozentig fit. Ich freue mich jetzt auf eine Mannschaft mit großer Laufbereitschaft und absolutem Willen.

Diskutierten gemeinsam über aktuelle Fußball-Themen: SÜDKURIER-Redakteur Julian Widmann (links) und Ex-Fußball-Profi Guido Buchwald.
Diskutierten gemeinsam über aktuelle Fußball-Themen: SÜDKURIER-Redakteur Julian Widmann (links) und Ex-Fußball-Profi Guido Buchwald. | Bild: David Fritz

An der Spitze steht mal wieder der FC Bayern. Ist die Bundesliga aus Ihrer Sicht langweilig?

Natürlich würde ich mir mal wieder einen anderen deutschen Meister und mehr Spannung wünschen. Auch in der internationalen Spitze wäre es schön, wenn sich andere Mannschaften aus der Bundesliga etablieren könnten. Was zum Beispiel Eintracht Frankfurt vergangene Saison mit dem Gewinn der Europa League geleistet hat, war sensationell. Das hat Lust auf mehr gemacht. In der Liga schaffen es die Konkurrenten der Bayern einfach nicht, das Optimale rauszuholen. Bei aller Anerkennung für Freiburg oder Union Berlin, Mannschaften wie Borussia Dortmund oder RB Leipzig müssten vom Potenzial die ersten Verfolger sein. Und die Bayern punkten ja auch eigentlich nicht mehr wie vor drei, vier Jahren.

Sie deuten es schon an: In Baden-Württemberg hat sich der SC Freiburg die vergangenen Jahre am VfB vorbei geschlichen – warum ist der Sportclub so erfolgreich?

Die Freiburger sprechen alle dieselbe Sprache, da herrscht ein offener, fairer Umgang. Christian Streich lebt es als Trainer perfekt vor und hat ein top abgestimmtes Team um sich herum. Da wissen alle ganz genau, welche Spieler zum Klub passen, welchen Charakter und welche Mentalität es in Freiburg braucht. Die Freiburger schauen sich neue Spieler sehr gezielt an, dann kommt noch eine hervorragende Jugendarbeit hinzu. Alles wird auf einer sehr gesunden Basis aufgebaut. Gerade auch der Stadionbau hat das gezeigt, nichts wird von 0 auf 100 gemacht, sondern sehr bedacht. Es ist schon eine faszinierende Kontinuität, da kann man wirklich nur sagen: Chapeau!

Lassen Sie uns über die deutsche Nationalmannschaft sprechen. Was hatte zum Beispiel die Weltmeister-Mannschaft 1990, in der Sie gespielt haben, was dem WM in Katar gefehlt hat?

Die Basis der Qualität ist die Mentalität. Auf das größte Ereignis müssen alle Spieler maximal fokussiert sein. Mir haben bei unserem Team ein paar Prozente gefehlt, das reicht dann nicht. Dieser unbedingte Wille, was reißen zu wollen. Ein Bastian Schweinsteiger hat das 2014 zum Beispiel perfekt verkörpert. Dann hatte Hansi Flick in der Vorbereitung auf andere Defensivspieler als beim Turnier gesetzt. In der Defensive brauche ich Kontinuität, die Abstimmung muss passen. Dass die beiden Freiburger Christian Günter und Matthias Ginter keine Rolle gespielt haben, hat mich etwas gewundert, bei aller Anerkennung für Hansi Flick, den ich für einen großen Trainer halte. Das wären solche Spieler gewesen, die durch ihre Mentalität gutgetan hätten.

Sie waren Publikumsliebling, den aktuellen Nationalspielern wird oft eine Entfremdung zu den Fans vorgeworfen. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?

Früher waren Welt- und Europameisterschaften absolute Höhepunkte, man hat wochenlang richtig darauf hin gefiebert. Das war in Katar schon bei vielen Fans, auch bei mir persönlich, nicht so sehr der Fall wie meist in der Vergangenheit. Natürlich lag das auch an den Themen abseits des Fußballs. Aber bei den Argentiniern hat man dann zum Beispiel ja auch schon früh im Turnier eine enorme Begeisterung gesehen. Als es losging, zählte nur der Sport, nur das Spiel. Bei der DFB-Elf ist der Funke leider nie richtig übergesprungen.

Die Heim-EM steht 2024 an – machen Sie sich Sorgen um die Zukunft der deutschen Nationalelf oder trauen Sie ihr bald schon wieder große Erfolge zu?

Das ist jetzt eine große Chance. Die vergangenen Turniere ist man jeweils unter den Möglichkeiten geblieben, wobei die WM in Russland 2018 schwächer als das Turnier in Katar war. Wir haben viele tolle Spieler, man kann jetzt bei einer Heim-EM eine große Euphorie entfachen und die Fans wieder mitreißen.

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Sie galten 1990 als der Gegenspieler, der Superstar Diego Maradona das Leben schwer machte. Bei dieser WM glänzte Lionel Messi, vor wenigen Wochen verstarb der Brasilianer Pelé. Wer ist der größte Fußballer der Geschichte?

Das kann man nicht beurteilen, weil jede Zeit anders ist. Man kann höchstens sagen, welche Spieler innerhalb einer Dekade, also unter den gleichen Bedingungen, die Topstars waren. Aber beispielsweise einen Pelé mit Messi zu vergleichen, das geht nicht. Durch den WM-Titel Argentiniens sehe ich Messi ein Stück vor Cristiano Ronaldo, auch wenn Ronaldo für mich ein unglaublicher Fußballer ist. Und aus den alten Zeiten muss man neben Pelé natürlich auch Franz Beckenbauer oder einen Johan Cruyff nennen.

Sie haben große Erfolge gefeiert, wurden nicht nur Weltmeister, sondern auch zweimal Deutscher Meister mit dem VfB Stuttgart. Denken Sie noch häufig an alte Zeiten zurück?

Wenn man erinnert wird, kommen die Bilder natürlich hoch. Gerade auch vor Welt- und Europameisterschaften sprechen mich Leute darauf an, dann denkt man gerne zurück. Die Erfolge haben einen schließlich ja auch geprägt. Ich war 20 Jahre Profi, von 18 bis 38, habe viel erlebt und dem Fußball viel zu verdanken. Im Alltag bin ich aber grundsätzlich ein Typ, der wenig an die alten Zeiten denkt.

Wie hat sich Ihr Leben damals durch den WM-Titel verändert wird?

Privat hat sich nichts verändert, aber ich bin natürlich deutlich bekannter geworden. Man wurde in der Öffentlichkeit viel mehr wahrgenommen und die Anerkennung als Fußballer war eine ganz andere. Gerade auch in fremden Stadien. Gegnerische Fans, die einem bei der Weltmeisterschaft zujubelten, hatten dann auch in der Bundesliga eine ganz andere Wertschätzung für einen, das hat man enorm gespürt. Da wurde man plötzlich auch mal nicht mehr ausgebuht in anderen Stadien. (lacht)

Sie waren am Freitag zu Gast am Bodensee, genauer gesagt in Pfullendorf – wie kam es dazu?

Da gab es zwei Verbindungen. Mit Martin Fritz, der in Pfullendorf ein Küchenstudio leitet und Hausherr der Veranstaltung war, bildete ich früher in Stuttgart ab und an eine Fahrgemeinschaft. Wir haben beim VfB zusammen gespielt und sind seither befreundet. Und dann war die Firma Morgenstern aus Reutlingen ebenfalls bei der Veranstaltung dabei. Während meiner Karriere haben wir die Morgenstern + Buchwald GmBH aufgebaut, da habe ich nach wie vor noch eine enge Beziehung, da ich stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Morgenstern AG bin.