Immer mehr Trillerpfeifen bleiben stumm. Den deutschen Kickern gehen die Schiedsrichter aus. In den vergangenen 15 Jahren verlor der Deutsche Fußball-Bund 37 Prozent seiner aktiven Schiedsrichter. Auch der Südbadische Fußball-Verband (SBFV) ist da keine Ausnahme. Dort kam der Schwund vor allem in den vergangenen fünf Jahren und führt dazu, dass in den unteren Kreisligen nicht mehr alle Spiele besetzt werden. Die Gründe dafür sind vielfältig – aber auch die Maßnahmen, um dem bedenklichen Trend entgegenzuwirken.

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Seit mehr als 14 Jahren ist Felix Streibert Schiedsrichter. Lange Zeit war er im Bezirk Bodensee bis zur Landesliga aktiv, seit einem Jahr pfeift er in seiner neuen Heimat Österreich. Und er hegt eine große Leidenschaft für den Job als 23. Mann auf dem Platz. „Die Schiedsrichterei ist eine eigene Welt. Es herrscht ein unglaublich hoher Zusammenhalt. Zudem macht es Spaß, eigene Entscheidungen zu treffen. Es hilft der Menschenkenntnis“, erklärt der 28-Jährige. Dennoch gibt es immer wieder die Momente des Zweifels. „In jeder Saison stelle ich mir drei, vier Mal die Frage, warum ich mir das überhaupt antue.“

Er sorgt sich um seine Zunft und benennt daher die Missstände, mit denen sie zu kämpfen hat, ohne Umschweife. „Die Akzeptanz des Schiedsrichters wird von manchen Zuschauern, aber auch von Spielern und Vereinen mit Füßen getreten. Das geht sogar so weit, dass ich schon mehrmals im privaten Rahmen von Spielern verbal angegangen wurde, deren Spiel ich mal geleitet habe. Deshalb werden die Schiedsrichter immer unzufriedener.“

„Behandelt wie der letzte Dreck“

Ein großes Problem sieht er darin, dass gleich die erste Station eines angehenden Unparteiischen für eine hohe Abbruch-Quote sorge. „Im Jugendfußball ist es am schlimmsten. Dort gibt es einen unglaublichen Schwund, sodass viele gar nicht im Aktivenbereich pfeifen, wo es auch sehr viele coole Spiele gibt“, schildert Streibert. „Es gibt viele Elternteile, die denken, ihr Kind wäre der nächste Ronaldo. Deshalb ist immer der Schiedsrichter schuld. Wir werden beleidigt, angeschrien und behandelt wie der letzte Dreck.“ Dennoch sei es alternativlos, dass ein junger Referee seine ersten Spiele in der Jugend pfeift, bevor er Aktiven-Spiele leitet. Denn ohne diese Erfahrung, so Streibert, „wird er bei den Aktiven zerfleischt. Das ist ein Haifischbecken.“ Streibert fordert einen besseren Schutz der Schiedsrichter seitens der Vereine. „Die Clubs müssen sich in der Aufklärung und Prävention viel mehr bemühen. Ein Schild, das bei Schiri-Beleidigung mit der Verweisung vom Sportplatz droht, ist zu wenig.“

Felix Streibert hat in 14 Jahren als Schiedsrichter eine Menge auf den Fußballplätzen erlebt.
Felix Streibert hat in 14 Jahren als Schiedsrichter eine Menge auf den Fußballplätzen erlebt. | Bild: SV Allensbach

Ralf Brombacher sieht dies ähnlich. Der Schiedsrichter-Obmann des SBFV legt das Heft des Handelns in die Hände der Vereine. „Die Unparteiischen sind oft nicht im Vereinsleben integriert. Werden sie zu Weihnachtsfeiern eingeladen? Werden sie mit Trainingsanzügen ausgestattet? Oftmals lautet die Antwort nein“, sagt der 49-Jährige, der beobachtet, wie der Stellenwert seiner Kollegen immer weiter schwindet. „Der Schiedsrichter ist im Verein oftmals das letzte Glied der Kette, weil er dem eigenen Betrieb nicht direkt nützt. Zuerst suchen die Vereine Spieler, Trainer, Platzwarte, Sportheimwirte und am Ende kommen die Schiedsrichter.“

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Die fehlende Akzeptanz ist ausschlaggebend dafür, dass immer mehr aktive Schiedsrichter aufhören und immer weniger neue dazukommen. Gerade das Anwerben von Interessenten sieht Brombacher als Ansatzpunkt – und nimmt dabei die Vereine in die Pflicht. „Die Clubs müssen die Schiedsrichter stellen, das kann der Verband nicht für sie übernehmen.“

Die Ausfallgebühren schmerzen

Vereinen, denen dies nicht gelingt, geht es an den Geldbeutel. Einer davon ist die SpVgg F.A.L.. Der Club hat derzeit fünf Schiedsrichter und damit drei zu wenig, gemessen an der Zahl der gemeldeten Mannschaften. Daher kommt er nicht auf die Soll-Zahl an geleiteten Spielen, was eine Strafe von 3000 Euro zur Folge hat. „Das tut weh, vor allem in Zeiten von Corona, in denen wir nicht viele Einnahmen haben“, sagt Abteilungsleiter Martin Strehl. Nicht nur deshalb versucht der Landesligist fieberhaft, neue Unparteiische zu gewinnen.

Martin Strehl, Abteilungsleiter des Landesligisten SpVgg F.A.L., sucht nach neuen Schiedsrichtern.
Martin Strehl, Abteilungsleiter des Landesligisten SpVgg F.A.L., sucht nach neuen Schiedsrichtern. | Bild: privat

Besser gelingt dies dem SV Deggenhausertal. Der Bezirksligist hat ausreichend aktive Unparteiische, die auch noch sehr viele Spiele leiten. Dies bedeutet einen finanziellen Bonus, den der Verein in das Schiedsrichterwesen investiert. Doch die aktuell gute Lage hat trotzdem keine langfristige Zukunft, wie der SVD-Vorsitzende Benedikt Caspari schildert. „Wir haben hauptsächlich ältere Schiedsrichter. Die Jugendlichen werden immer schwerer zu überzeugen.“

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Demnach könnte der Verband auch in Zukunft eine große Zahl an Schiedsrichtern verlieren, ähnlich wie in den Vorjahren. Waren es 2016 noch 1354 Aktive, sank die Zahl bis 2020 auf 1105. Immerhin gelang es dem SBFV, in der Corona-Pause mittels Online-Lehrgängen die Zahl wieder auf 1200 zu erhöhen. Dies mache Hoffnung, ausreichend sei dies aber noch lange nicht, und auch der große Schwund sei damit nicht abgewendet. Im Gegenteil: „Es kann sein, dass einige ältere Schiedsrichter nicht durch die Corona-Pause zum Aufhören gezwungen werden wollten und noch eine Saison dranhängen. Daher ist es möglich, dass uns nach der laufenden Saison einige Abmeldungen erreichen“, bangt Brombacher.

Ralf Brombacher (Kandern) zu den Futsal-Plänen des SBFV: „Es wird ermöglicht, dass mehrere Kumpels aus verschiedenen Clubs ...
Ralf Brombacher (Kandern) zu den Futsal-Plänen des SBFV: „Es wird ermöglicht, dass mehrere Kumpels aus verschiedenen Clubs gemeinsam antreten – unter dem Namen eines Vereins. Im November soll es los gehen.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Der ehemalige Zweitliga-Schiedsrichter wird aber auch dann weiterkämpfen. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Ich bin optimistisch und überzeugt davon, dass ich etwas bewegen kann.“ Denn er weiß genau: Wenn immer mehr Trillerpfeifen verstummen, wird es irgendwann ruhig auf den Sportplätzen.