Vor einem Jahr stellte ein Blumengeschäft in Konstanz seinen Betrieb ein. Die Besitzerin ging in den Ruhestand, auch ihre Internetseite meldete sie ab. Doch ohne ihr Wissen entstand unter dem Blumenladen-Namen eine neue Webseite – unter der scheinbar harmlosen Internetadresse hat sich ein Fakeshop breit gemacht.

Betrüger bieten Markenschuhe zu Schnäppchenpreisen

Wer nach dem Blumengeschäft im Internet sucht, findet in Branchenbüchern oder auf anderen Portalen noch diverse Verlinkungen zu der ursprünglichen Internet-Adresse. Doch von Blumen keine Spur. Jetzt werden unter dieser Adresse Markenschuhe zu Schnäppchenpreisen angeboten. Wer sich hier neue Puma-Sneakers bestellt, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit niemals erhalten und auch das bereits bezahlte Geld nie wieder sehen.

Joachim Feist aus Konstanz kämpft gegen Fakeshops im Internet. Sein Unternehmen Mindup befindet sich in direkter Nähe zum Rhein. Von ...
Joachim Feist aus Konstanz kämpft gegen Fakeshops im Internet. Sein Unternehmen Mindup befindet sich in direkter Nähe zum Rhein. Von hier aus versuchen er und sein Team den Betrügern das Handwerk zu legen. | Bild: Kipping, Julia

Das sei die gängige Masche von Fake-Shop-Betreibern, sagt Joachim Feist, Geschäftsführer der IT-Firma Mindup in Konstanz. Er und sein Team kämpfen seit fünf Jahren gegen Fake-Shops und versuchen Verbraucher davor zu schützen. Dafür arbeitet er mit Ministerien, Polizei und auch Herstellern von Virenschutz-Programmen zusammen.

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Fake-Shops nutzen abgelegte Internetadressen

Aber warum der Blumenshop aus Konstanz? Feist erklärt, dass die Kriminellen sich ausgediente Internetadressen suchen, die im Internet einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, also bei Anfragen an eine Suchmaschine weit oben auf der Ergebnisliste erscheinen. Diese Bekanntheit nutzen die Shops für sich, um Kunden auf die Seite zu ziehen: „Fake-Shops tun sich schwer überhaupt in einer Suchmaschine gelistet zu werden“, sagt Joachim Feist.

Werbung schalten sei meist keine Option für die Betrüger, ergänzt Feist. So wäre der Pfad zur Geldquelle zurückzuverfolgen. Deswegen suchen sie sich abgelegte Domains, also Adressen von Homepages, mit einer hohen Relevanz. Betroffen davon sind meist Vereine, Parteien oder Unternehmen. Unter den gekaperten Identitäten bieten die Kriminellen dann diverse Produkte an, die der Kunde kaufen kann aber niemals bekommen wird. Das können etwa Fahrräder sein oder Waschmaschinen, Kaffeevollautomaten oder eben Schuhe. „Es gibt einen Domain-Handel im großen Stil.“

So erkennen Sie, ob es sich um einen Fake-Shop handelt:

Mindup stößt beispielsweise bei Aufträgen für Ebay und billiger.de auf Fake-Shops. Die Konstanzer Firma sucht im Internet nach neuen Shops und wertet diese aus. „Die Fake-Shops werden selten von der Polizei abgeschaltet“, sagt Feist. Es sei noch kein Straftatbestand, einen Fake-Shop online zu stellen. Die Polizei kann erst einschreiten, wenn jemand tatsächlich geschädigt wurde.

Ein Hinweis auf einen Fakeshop kann die Adresse im Impressum sein. Joachim Feist zeigt, dass dieser Shop laut Internetseite unter einer ...
Ein Hinweis auf einen Fakeshop kann die Adresse im Impressum sein. Joachim Feist zeigt, dass dieser Shop laut Internetseite unter einer Brücke liegen müsste. Doch die Realität zeigt nur eine Bushaltestelle und einen Stromkasten. | Bild: Kipping, Julia

Die Bilanz ist ernüchternd: Nur 30 Prozent der gemeldeten Fake-Shops mit der Endung .de sind nach Aussage von Feist nach 8 Monaten abgeschaltet worden. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass es auch anders geht. Dort wurden 99 Prozent der gemeldeten Fake-Shops mit der Endung .ch binnen eines Monats abgeschaltet. Anders als in Deutschland, kann die Schweizer Polizei bei der Registrar, bei der in der Schweiz die Internetadressen registriert werden, eine Klärung fordern. Dafür ist lediglich ein Anfangsverdacht nötig.

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Liste als Meldeplattform in Österreich

Auch die Idee einer Meldeplattform, auf der es eine öffentliche Liste der bekannten Fake-Shops geben könnte, wurde in Deutschland bislang nicht umgesetzt. „In Österreich gibt es eine solche Liste seit Jahren. Das wäre auch für Deutschland sinnvoll“, schätzt Feist die Situation ein. Er hat sich für eine Einführung engagiert, doch eine Bundesratsinitiative brachte nicht das erhoffte Ergebnis.

Zusammenarbeit mit Anitvirenhersteller

Zusammengefasst gibt es wenige Möglichkeiten, um den Kriminelle das Handwerk zu legen. „Wir haben fünf Jahre lang zugeschaut“, sagt Feist. Jetzt sucht er nach einer privatwirtschaftlichen Lösung. Mindup will mit einem Antivirenhersteller zusammen arbeiten und diesen mit einer aktuellen Liste von Fakeshops versorgen. Am Ende soll das Antiviren-Programm die Verbraucher warnen, wenn sie einen Fake-Shop im Browser öffnen.

Meist würden sich die Markenbetreiber gegen die unrechtmäßige Nutzung ihrer geschützten Marken wehren. „Aber eine Abmahnung kostet Geld und dauert lange.“ Die Rechtsanwaltskosten pro Fakeshop schätzt Feist auf zwischen 500 und 1000 Euro. Aber es ist meist nicht nur ein Fakeshop, der von den Betrügern online gestellt wird. Damit sich das kriminelle Geschäftsmodell richtig lohnt, können es über 100 sein, die nach dem selben System aus dem Boden gestampft werden.

Webers-konstanz.de war mal die Internetadresse von einem Blumenladen aus Konstanz. Betrüger machen sich die Bekanntheit zu nutze und ...
Webers-konstanz.de war mal die Internetadresse von einem Blumenladen aus Konstanz. Betrüger machen sich die Bekanntheit zu nutze und bieten jetzt Schuhe im Sonderangebot an. | Bild: Screenshot: Kipping, Julia

Feist macht eine Beispielrechnung auf, die er für einen Polizeikongress zusammengestellt hat, von einem Shop, der gefälschte Bundesliga-Fußball-Trikots verkauft hat. Nach Einsicht in die Registrierungsdaten bei der Denic, die die Internetadressen verkauft, zeigten sich unvollständige und falsche Daten. Es gab nur einen falschen Namen und keine Adresse. Der gleiche Domaineigner betrieb weitere Onlineshops, die ähnlich aufgebaut waren.

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Nach dem Kauf in dem Shop wurden von der angegebenen Kreditkarte von Mindup weitere Geldbeträge eingezogen. Bei der Suche im Internet stießen Joachim Feist und seine Kollegen auf andere Geschädigte und ließen ihre Karte sperren. Über die Beschwerdeplattform creditcharge.com gab es täglich eine Beschwerde zu der Bankverbindung aus dem Trikotshop – über etwa fünf Monate. „Wir rechnen mit einer Dunkelziffer von bis zu 2000 Fällen“, sagt Feist. Das hochgerechnet kommt er auf bis zu 15 Millionen Euro Schaden. Geld, das über hunderte von Fakeshop-Seiten auf ein Konto überwiesen wurde.

Corona und Lockdown befeuern das Geschäftsmodell

„Wir schätzen die Zahl der Fakeshops auf eine fünfstellige Zahl, nur mit der Endung .de“, erzählt Feist weiter. Die Tendenz sei steigend und habe vor allem durch die beiden Lockdowns wegen des Corona-Virus Aufwind bekommen.

Das bestätigt auch die Verbrauchzentrale in Baden-Württemberg: „Die Zahl der Beschwerden, die bei uns im vergangenen Jahr eingegangen ist, ist explodiert“, beschreibt Oliver Buttler, Abteilungsleiter Telekommunikation, Internet, Verbraucherfragen, die Situation. Sie sei mehr als viermal so hoch. Der Verbraucherschützer fordert das Abschaffen der Vorkasse: „Vorkasse macht diesen Betrug erst möglich.“

Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg | Bild: Verbraucherzentrale

Vor allem Bekleidung und Elektronikartikel wurden für Lockangebote genutzt. Aber die Betrüger hätten sich auch auf die Situation der Verbraucher eingestellt und vermehrt Gartenmöbel und andere Ausstattungen zu Schnäppchenpreisen beworben. „Es gibt Fakeshops, die sehr professionell gemacht sind“, warnt er. Oder die Kriminellen hätten die Originalshops einfach geklont. Das würde dann an einer leicht geänderten Internetadresse auffallen, erklärt Buttler.