Nicht fahren sondern fliegen. Statt mit dem Auto im Stau zu stehen, könnten Kunden bald schon mit Flugtaxis schneller an ihren Zielort gelangen. Was sich für einige noch nach Science Fiction anhört, ist bereits jetzt ein rasant wachsender Zukunftsmarkt. Das Konstanzer Unternehmen Unisphere könnte diesen Markt mitgestalten. Die drei Gründer haben eine Software entwickelt, mit deren Hilfe sich autonome Flüge mit Drohnen oder Flugtaxis im Luftraum planen lassen. Die Software übernimmt die Aufgaben eines Piloten.
Dem Flugtaxi gehört die Zukunft
Bis zu 160.000 kommerzielle Flugtaxis sollen sich 2050 weltweit durch den Luftraum bewegen. Das schätzt die Unternehmensberatung Roland Berger in einer Studie zu „Urban Air Mobility“, die sich mit der städtischen Mobilität in der Luft befasst. Auf etwa 74 Milliarden Dollar könnte sich dann der Jahresumsatz der Branche belaufen und das nur für den Personentransport. Denn auch für die Logistik mit Hilfe von Drohnen eröffnen sich riesige Märkte.

Software soll die Erfahrung des Piloten beim autonomen Fliegen ersetzen
Einige Unternehmen, die sich in der neuen Branche schon als Startups tummeln, unterstützt Unisphere bereits mit seiner Software. Dazu zählt zum Beispiel das Münchner Startup Lilium, das mit seinen elektrischen Senkrechtstartern bis 2025 regionale Flugdienste anbieten möchte. Und auch die Schweizerische Post greift auf die Technologie vom Bodensee zurück, mit der sich die verschiedenen Flüge planen lassen. Unisphere wurde für die Software, die die Flüge simuliert und auf Machbarkeit prüft, mit dem Deutschen Mobilitätspreis des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ausgezeichnet.
„Wir bilden die gesamte Erfahrung eines Piloten in unserer Software ab“, schildert Firmengründer und Flugversuchsingenieur Michael Anger. Alle Entscheidungen, die ein Pilot vor dem Flug oder währenddessen treffen muss, werden automatisiert vom Computer getroffen. Dieser bezieht zum Beispiel die Reichweite und Leistungsfähigkeit des Akkus von dem Fluggerät, die Flugwege und die Wetterdaten mit ein und entwirft für die geplante Route eine digitale Simulation. Auf Basis dieser Berechnungen kann das Flugunternehmen dann entscheiden, ob und wann es sich lohnt die Drohne oder das Flugtaxi in die Luft zu schicken.
„Bislang ist es so, dass der Pilot vor dem Flug ein ausführliches Briefing von der Fluggesellschaft zu der Route, der Landung und dem Treibstoffvorrat bekommt“, sagt der 32-jährige Wirtschaftsingenieur Christoph Selig. Auch während des Fluges werde permanent geschaut, ob alle getroffenen Annahmen weiter zutreffen. „Wir arbeiten daran, diese Prozesse zu digitalisieren. So wird das Fliegen effizienter. Wenn das Flugtaxi zwanzigmal fliegen muss, dann darf es nicht jedes Mal eine Stunde an Vorbereitungszeit kosten.“
Flüge werden durch Automatisierung wirtschaftlicher
Das gleiche gelte für den Drohnenflug, bei dem bislang drei Menschen benötigt werden – jeweils einer beim Start und bei der Landung und einer, der den Flug überwacht. „Da ist die Citylogistik günstiger“, rechnet Selig vor. Betriebswirtschaftlich ideal läuft alles, wenn es vollständig autonom abläuft. Das gelte auch für die Lufttaxis. Bleibt der Pilot am Boden, ist der Sitzplatz frei für einen zusätzlichen Passagier.

Doch ein erfahrener gut ausgebildeter Pilot lässt sich nicht so einfach ersetzen. In diesem Jahr wurde die Software bisher mit 2,6 Millionen Simulationen gefüttert, 24.000 täglich. Zum Jahreswechsel sollen es zehn Millionen Daten zu Flügen sein, die Unisphere in einem eigenen Simulationsprogramm errechnet. So sollen die Flüge später genauso sicher sein wie bemannt.
Vorhersage für Drohnenflüge
Das Programm Flight Forecast übernimmt jetzt schon die Flugplanung für einen Zeitraum von einer Woche. Stündlich simuliert es mit den sich ändernden Wetterdaten, wie Wind, Niederschlag oder Temperatur die Flüge und zeigt dem Verantwortlichen durch ein Ampelsystem, welche Zeiträume sich für Flüge in der angestrebten Lufthöhe eignen. „Wir haben viele führende Drohnen- und Lufttaxihersteller, die unser Programm testen und nutzen“, betont der 36- jährige Michael Anger die Relevanz seines Unternehmens. Die rund 15 Unternehmen sitzen über die ganze Welt verteilt.
Schweizer Post transportiert Gewebeproben mit Drohnen

Die Schweizerische Post etwa nutzt die Software für Drohnenflüge zwischen zwei Spitälern in Lugano im Tessin. Seit 2017 werden regelmäßig dringende Laborproben transportiert, teilt das Unternehmen mit. „Die Vorteile der Drohnenlogistik sind mittlerweile im Betrieb erwiesen: Drohnen sind schneller, effizienter und ökologischer als ein Kurier auf der Straße.“ Zeitersparnis: bis zu 45 Minuten.
In den kommenden Jahren wird es im Lauftraum enger werden. Der chinesische Flugtaxihersteller Ehang hat in diesem Jahr eine Kooperationsvertrag mit der spanischen Stadt Sevilla unterzeichnet. Dort soll eine Pilotprojekt zur städtischen Luftmobilität starten, da sich die engen Gassen der Altstadt nicht für den Autoverkehr eignen. Laut Roland-Berger-Studie Aktuell arbeiten derzeit rund 110 Städte und Regionen auf der ganzen Welt an Lösungen in diesem Bereich. Die Anzahl der Marktteilnehmer wachse beständig.
Und so steckt auch die Europäische Union einiges an Fördermitteln in die Luft- und Raumfahrtbranche, um den Anschluss nicht zu verpassen. „Wir sind in größeren Förderprogrammen involviert“, sagt Angerer. Eines davon sei ein aus dem Luftfahrt-Forschungsprogramm, das sich damit beschäftigt, wie sich unbemannte Fluggeräte in den Luftraum integrieren lassen.