Der Wind pfeift, es schneit und graupelt. Nur für kurze Momente kommt die Sonne durch. Kein Ort, um Sonnenstrom zu ernten, würde man denken. Gerhard Weber sieht das anders. „Der Standort ist perfekt“, sagt der Landwirt, der am Rande der 5000-Seelen-Gemeinde Tengen im Hegau einen Biobauernhof bewirtschaftet.
Erst nur Biobauer, jetzt auch Solar-Wirt
Schon seit 15 Jahren hat er Solaranlagen zur Stromerzeugung auf den Dächern seiner Ställe, jetzt aber dringt er in ganz andere Dimensionen vor. Im April wird auf einer mehrere Hektar großen Wiese oberhalb seines Hofes ein Freiflächen-Solarpark in Betrieb gehen, der rechnerisch knapp 900 Vier-Personen-Haushalte mit Energie versorgen kann.
Im Moment werden dafür auf der Fläche von etwa zwei Fußballfeldern Edelstahl-Träger in den harten Hegau-Boden getrieben. Später folgen die schwarz schimmernden Solarmodule. „Damit werde ich zu einem echten Energielieferanten“, sagt Weber. Im April soll der erste Strom ins Netz fließen.

So wie Biobauer Weber denken gerade viele. Fotovoltaik auf der Freifläche erlebt einen Boom. Allein der Singener Ökostom-Pionier Solarcomplex, der die Anlage im Auftrag von Weber errichtet und später zusammen mit dem Landwirt betreiben wird, hat in den vergangenen Jahren knapp 20 Sonnen-Parks in der Bodensee-Region errichtet.
Projekte sollen Strom für Tausenden Haushalte liefern
Und sechs weitere Projekte mit 30 Megawatt Leistung – das ist in etwa so viel wie 6700 Haushalte im Jahr an Strom benötigen – stehen fix in den Auftragsbüchern. Insbesondere auf alten Müllhalden, am Rand von Autobahnen oder alten Truppenübungsplätzen stehen die Anlagen. Seit einiger Zeit sieht man sie aber auch immer öfter auf landwirtschaftlichen Flächen.
Grundlage dafür ist eine Landesverordnung aus dem Jahr 2017, die den Bau der Sonnenkraftwerke auf Ackerflächen mit mäßiger Bodenqualität erlaubt. Theoretisch wäre damit der Bau der durch das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geförderten Solarkraftwerke auf etwa 900.000 Hektar möglich, allein in Baden-Württemberg.

Bauer Weber und Solarcomplex machen es anders. Sie errichten die Anlage ohne staatliche Förderung und verkaufen den Strom direkt. Ein großer Industriebetrieb aus Friedrichshafen habe sich verpflichtet, die Stromernte über zehn Jahre hinweg abzunehmen, sagt Solarcomplex-Chef Bene Müller. Für die Industrie, die immer strengeren Klimazielen unterliegt, lohne sich das. Für Bauer Weber und Solarkomplex auch.
Solarstrom ist spottbillig geworden
Für vier Cent je Kilowattstunde wird der Strom hier oben im Hegau erzeugt. Hinzu kommt die Gewinnmarge der Betreiber in Höhe von etwa ein bis zwei Cent.

Damit ist Sonnenstrom spottbillig. Zum Vergleich: 2021 erzeugten Braunkohlemeiler – die zur Zeit günstigste fossile Energiequelle – die Kilowattstunde zu Kosten zwischen 11 und 15 Cent je Kilowattstunde.
Tengen profitiert wirtschaftlich
Die Kalkulation lasse sogar zu, einen kleinen Teil des Ertrags an die Gemeinde Tengen abzugeben. Immerhin solle die Energiewende auch für die Bürger vor Ort da sein, sagt Solarcomplex-Chef Müller.
Nicht immer treffe man als Betreiber eines Solarparks aber auf so aufgeschlossene Bürgermeister wie Marian Schreier, sagt der Solarcomplex-Chef. Der Tengener Schultes habe das Projekt zügig genehmigt. Nach Schreiers Aussagen seien die baurechtlichen Genehmigungen in nur sechs Monaten geschaffen worden. „Wir sind zuversichtlich, dass wir um Tengen herum noch weitere Anlagen genehmigen können“, sagte Schreier. Der Landkreis Konstanz habe in Sachen Energiewende einen Rückstand. „Den müssen wir aufholen.“