Sie sind freundlich, diese Pappkartons von Amazon. Ihr Logo hält immer ein Lächeln parat. Eine gute Marketingstrategie. Das Lächeln transportiert ein positives Markenimage.

Amazon. Es gibt viel Kritisches, über den weltweitgrößten Onlineversandhändler zu berichten. Immer wieder gibt es Schlagzeilen über die Arbeitsbedingungen, über die Auswirkungen auf den Einzelhandel, über die Blase, in der wir uns bewegen, wenn wir Filme und Musik von der Amazon-Plattform konsumieren.

Mitten in der Nacht geht es los. Es ist 6 Uhr am Morgen als wir mit der Reportage im Amazon-Verteilzentrum in Meßkirch beginnen können.
Mitten in der Nacht geht es los. Es ist 6 Uhr am Morgen als wir mit der Reportage im Amazon-Verteilzentrum in Meßkirch beginnen können. | Bild: Sara Lo Frano

Faszination Amazon

Trotzdem lockt dieser Konzern viele Kunden, wegen seiner Größe oder einfach, weil er überall präsent ist. Vor allem vor Weihnachten dreht sich alles um Pakete, in diesem Jahr noch mehr als sonst. Durch Corona sind viele Konsumenten schon vor dem Lockdown auf Bestellungen ins Internet ausgewichen, um Kontakte zu reduzieren. Mit der Schließung der Läden in den Innenstädten schießen die Onlinebestellungen noch einmal mehr in die Höhe, auch bei Amazon.

Ein Grund mehr zu schauen, wie die vielen Weihnachtsgeschenke überhaupt an ihren Bestimmungsort gelangen – im Verteilzentrum von Amazon in Meßkirch. Auch hier ist die Corona-Pandemie derzeit überall präsent. Schon vor dem Betreten des Gebäudes wird Fieber gemessen, um eine mögliche Corona-Infektion zu erkennen. Gleich hinter der Eingangstür steht ein Mitarbeiter und misst bei jedem, der hinein möchte, die Temperatur.

An den Förderbändern scannen die Mitarbeiter die Pakete und kleben gelbe Etiketten drauf. Auf denen steht ein Code, der verrät, in ...
An den Förderbändern scannen die Mitarbeiter die Pakete und kleben gelbe Etiketten drauf. Auf denen steht ein Code, der verrät, in welche Tasche welches Päckchen muss. | Bild: Sara Lo Frano

An diesem Standort mit seiner 11.000 Quadratmeter großen Halle wird darauf geachtet, dass sich das Virus nicht unter den etwa 130 Mitarbeitern ausbreiten kann. Zwei Meter beträgt der Mindestabstand zur nächsten Person, zusätzlich gibt es zahlreiche Stationen zum Hände desinfizieren und ausreichend Mund-Nasen-Schutz zum Auswechseln.

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Corona-Check am Eingang

Standortleiter Tom Rügemer und Manuel Lesch von der Öffentlichkeitsarbeit bei Amazon zeigen bei einem Rundgang, wie jedes Paket die richtige Tasche findet.

Temperatur-Kontrolle am Eingang: Hier kommt niemand ohne Fiebermessen rein. Auch bei SÜDKURIER-Redakteurin Julia Kipping wird die ...
Temperatur-Kontrolle am Eingang: Hier kommt niemand ohne Fiebermessen rein. Auch bei SÜDKURIER-Redakteurin Julia Kipping wird die Temperatur kontrolliert, um eine Corona-Infektion auszuschließen. | Bild: Sara Lo Frano

Peccy erinnert an den Abstand

Beim Gang durch das Gebäude erinnern Aufkleber daran, wie lang zwei Meter sind. Außerdem gibt es extra Mitarbeiter, die ihre Kollegen an die Abstands-Regel erinnern. Sie laufen mit Schildern durch die Halle, auf denen zwei blaue Monster mit Namen Peccy im sicheren Abstand zueinander stehen. Und dann werden wir während des Rundgangs mitten im Gespräch auch mal lautstark darauf hingewiesen, dass wir zu dicht beieinander stehen: „Abstand halten!“ Das gilt auch für Standortleiter und Journalisten.

Mareike Braun ist in der Nachtschicht der Social Distance Champion. Sie erinnert ihre Kollegen mit einem Schild an den ...
Mareike Braun ist in der Nachtschicht der Social Distance Champion. Sie erinnert ihre Kollegen mit einem Schild an den Zwei-Meter-Abstand, der wegen Corona nötig ist. | Bild: Kipping, Julia

Immer wieder ertönt auch eine Stimme vom Band, die etwas höflicher auf die Abstandsregeln hinweist. Die Abstände sind unregelmäßig. Die Frage nach einer Videoüberwachung verneint Manuel Lesch. Das gäbe es hier nicht. Zwar seien Kameras installiert, allerdings nur um Arbeitsprozesse zu optimieren, nicht um Mitarbeiter zu überwachen. Auf den Aufnahmen seien keine Gesichter zu erkennen.

Im Verteilzentrum kommen Pakete an, die schon fertig gepackt sind und nur noch auf ihre Zustellung warten. Ab 1.30 Uhr bis in die frühen Morgenstunden treffen hier Lastwagen aus den Amazon-Logistikzentren ein. Sie sind voll beladen mit Paketen für Kunden aus der Region. Wer in Singen oder Konstanz bei Amazon bestellt, bekommt sein Paket aus Meßkirch. Ebenso Kunden aus Friedrichshafen, Ravensburg und Tuttlingen.

Mit Hilfe von Hubwagen werden die großen Kartons, Gaylords genannt, in die Halle des Verteilzentrums gefahren.
Mit Hilfe von Hubwagen werden die großen Kartons, Gaylords genannt, in die Halle des Verteilzentrums gefahren. | Bild: Sara Lo Frano

Mitten in der Nacht beginnt auch für die etwa 80 Mitarbeiter der Nachtschicht der Dienst. Zwischen drei bis sieben Lkw entladen sie während der Schicht mithilfe von Hubwagen oder mobilen Förderbändern. Bei der Eröffnung des Zentrums im Oktober waren es 10.000 Pakete am Tag, erzählt Standortleiter Rügemer. „Das schwankt täglich sehr. Da ist es schwierig, Durchschnittszahlen zu nennen.“ Wie viele Pakete vor Weihnachten mehr bearbeitet werden, wollen er und Lesch nicht verraten.

Nach dem Ausladen werden die Pakete auf Förderbänder gelegt. Die Mitarbeiter, die dort stehen, scannen jedes Päckchen ein. In sekundenschnelle erkennt das System, wo die Lieferung hingehen soll, ordnet es einem Platz im Lager zu und druck das Etikett mit der entsprechenden Nummer aus. Mithilfe dieser Kennung können die folgenden Mitarbeiter die Pakete dann auf den Förderbändern sortieren und sie den richtigen Fingern, wie die unterschiedlichen Abschnitte im Lager genannt werden, zuteilen.

Mitarbeiter können Musik mitbestimmen

Plötzlich kommt ein Stehtisch auf Rollen um die Ecke. An ihm steht der Schichtleiter, der durch sein Mikrofon den Mitarbeitern den Stand ihrer Arbeit durchgibt. Außerdem fällt auf, dass er mobile Lautsprecher in der Halle platziert. Aus ihnen schallt jetzt Hiphop-Musik. „Die Mitarbeiter können die Muik über eine Playlist selbst bestimmen“, erzählt Rügemer. „Gestern war Schlagertag. Nicht ganz mein Geschmack.“

Tom Rügemer zeigt dann, wo die Pakete weiter sortiert werden. Ein Mitarbeiter scannt das Paket erneut. Dann leuchtet das passende Fach auf. In den Fächern liegen bunte Taschen, in die die Pakete wandern. Das System errechnet, wie viele Pakete in eine Tasche passen.

Tom Rügemer ist Standortleiter in Meßkirch. Das Verteilzentrum ist im Oktober eröffnet worden. Seit dem sind seine Mannschaft und er an ...
Tom Rügemer ist Standortleiter in Meßkirch. Das Verteilzentrum ist im Oktober eröffnet worden. Seit dem sind seine Mannschaft und er an Bord und bearbeiten etwa 10.000 Pakete täglich. | Bild: Kipping, Julia

„Wir wissen immer genau, wie viele Pakete wir bearbeiten müssen“, sagt Manuel Lesch. „Sobald der Kunde das Produkt kauft, können wir planen.“ Dann werden Lkw-Kapazitäten angepasst sowie die nötigen Mitarbeiter eingeplant und das System errechnet wie viele Taschen mit welchem Transporter nachher das Verteilzentrum verlassen.

Gegen 8 Uhr sind die Lastwagen sind, die Pakete in den Taschen zu geordnet und verstaut. Zeit für die Frühschicht. Etwa 30 Mitarbeiter wuseln durch die Gänge des Lagers. Jetzt dröhnt eine tiefe Stimme durch die Halle, bis in die letzte Ecke: „Abstand halten!“ Immer wieder. Es wird voller in den Gängen und der Mann auf der höheren Arbeitsebene hat eine Menge zu tun. Ein Italiener, sagt Standortleiter Rügemer. „Das ist mein bester Mann für den Job.“

Tom Rügemer ist seit Mai bei Amazon und mit zwei Monaten noch frisch in seinem neuen Job. Vorher hat er in der Luftfahrt- und Automobilbranche gearbeitet. Jetzt ist es dem Lindauer auch wichtig, dass ein offenes Ohr, oder besser eine offene Tür, für seine Mitarbeiter zu haben. Sicher gibt es Vorgaben für Prozesse von der Zentrale, die man auch einhalte. „Aber über Optimierungen am Standort können die Standortleiter selbst entscheiden“, sagt Lesch. Er habe eine gewisse Autonomie.

180 Fahrer liefern Pakete aus

Die Frühschicht zieht Tasche um Tasche aus den Regalen, packt alles in metallene Packwagen. Über ihren Scanner erfahren sie die Route des Transporters, auf dem der Packwagen dann landet. Das System sagt ihnen, welche Tasche in ihren Packwagen kommt.

Die Pakete sind in den Taschen verstaut. Eine Amazon-Mitarbeiterin stellt auf dem Packwagen die Pakete für eine Tour zusammen.
Die Pakete sind in den Taschen verstaut. Eine Amazon-Mitarbeiterin stellt auf dem Packwagen die Pakete für eine Tour zusammen. | Bild: Sara Lo Frano

Vier Dienstleister mit 180 Fahrern sind alleine für den Standort Meßkirch unterwegs und fahren die Pakete zum Kunden. Sie fahren mit ihren meist weißen Transportern an eines der 13 Ladetore und nehmen dort bis zu drei Packwagen auf. Um 10 Uhr ist Abfahrt. Anhand einer App erkennen sie, wo sie auf ihrer Route stoppen müssen. Bis in den Abend hinein sind dann schließlich bis zu 10.000 Pakete und Päckchen verteilt.

Wie präsent Amazon ist, wird auf der Rückfahrt bewusst. Im Radio läuft Werbung zu Last-Minute-Geschenken, später fährt ein Amazon-Fahrer vorbei. Der sicher in Meßkirch seine Ladung aufgenommen hat. Überall lächelnde Pappkartons.