Das hat die Stimmung nicht verbessert. In der Konzernzentrale des Automobilzulieferers ZF wird mit großem Unverständnis auf den jüngsten Schritt der Arbeitnehmervertreter reagiert. Diese haben am Dienstag in einer Betriebsversammlung die Belegschaft darüber unterrichtet, dass die Verhandlungen zur angestrebten Garantie-Erklärung des Konzerns zum Erhalt von Tausenden Arbeitsplätzen am ZF-Standort Friedrichshafen gescheitert seien. Auf die Botschaft, keine Jobgarantie für die nächsten Jahre zu erhalten, reagierte die Belegschaft verärgert und verunsichert.

Auf Konzernseite versuchte der für Deutschland zuständige Personalchef Frank Iwer in Interviews mit Medienvertretern die Wogen zu glätten. Doch die Botschaft war raus: „Bei ZF herrscht Krisenstimmung“, „Keine Garantie für ZF-Arbeitsplätze“ oder „Bei ZF brodelt es“ titelten Medien.

Betroffen sind 5000 Arbeitsplätze

Betroffen sind 5000 Arbeitsplätze in Verwaltung, Entwicklung und Einkauf. Für diesen „Betrieb Z“ genannten Konzernteil versuchen die Betriebsräte seit geraumer Zeit eine sogenannte Zielbildvereinbarung abzuschließen. Die Verhandlungen werden nach Angaben des Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates, Achim Dietrich, seit 2022 geführt.

Grundlage hierfür bildet der „Tarifvertrag Transformation“, den ZF im Juli 2020 mit dem Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaften geschlossen hat. Die Grundidee ist, statt kurzfristige Strukturmaßnahmen einzuleiten, besser jeweils Zielbilder auf der Ebene einzelner Standorte zu erarbeiten, um diese wettbewerbsfähiger zu machen.

Dies ist dringend notwendig, bestätigen Branchen-Experten. Denn der Automobilzulieferer ZF, der zu den drei größten Konzernen seiner Branche zählt, muss auf die aktuelle Transformation der Automobilindustrie reagieren. Die zunehmende Elektromobilität und die mit ihr neu in den Markt eingetretenen Unternehmen senden im zunehmenden Takt disruptive Wellen aus – von ihnen getroffen wird die gesamte Automobilbranche.

Die Konzernleitung ist überrascht

In der Konzernleitung des Automobilzulieferers herrscht auch am Mittwoch, ein Tag nach der bewegenden Betriebsversammlung, Unverständnis: Das Handeln der Betriebsräte hat uns überrascht, sagte der Leiter der Konzernkommunikation, Christoph Horn.

Man befinde sich im konstruktiven Austausch zur Zielbildvereinbarung für den „Betrieb Z“ hatte noch Ende November der Konzern mitgeteilt. Damals war der Erfolg der Verhandlungen zum Zielbild für den „Betrieb N“ verkündet worden. Das ist der zweite Standortzweig in Friedrichshafen, dem die Sparten Industrietechnik, ZF Aftermarket, also die der Produktion nachgelagerten Waren und Dienstleistungen, sowie die Nutzfahrzeugtechnik vereint sind.

Für die dort 5500 Beschäftigten hatte zwischen Standortleitung und Arbeitnehmervertretern vereinbart werden können, dass Friedrichshafen mit seinen Produktionsstätten der „Leitstandort“ bleibe. Zudem solle eine zweite Montagelinie für das Getriebe „Traxon“ installiert werde.

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Für die Beschäftigten bedeutet dies eine Perspektive und Absicherung bis zum Jahr 2028. Auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Achim Dietrich sprach im November noch von einem „ermutigenden Signal“. Für die parallel laufenden Verhandlungen für den „Betrieb Z“ erwies sich dies jedoch als Trugschluss. Knackpunkt für das am Dienstag verkündete Zerwürfnis ist wohl, dass der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bisher nicht erreicht werden konnte.

„ZF braucht mehr Flexibilität“

Die Arbeitnehmervertreter peilen ebenso eine Jobgarantie bis 2028 an. Für die Konzern- und Standortleitung wäre das dem Vernehmen nach übers Ziel hinausgeschossen. „ZF braucht mehr Flexibilität“, bestätigte Konzernpressesprecher Horn. Personalchef Frank Iwer hatte zuvor in seinen Statements mit Blick auf die Beschäftigtensituation davon gesprochen, dass es notwendig sei, „atmen zu können“. Die Beschäftigtenzahl müsse der jeweiligen Marktsituation kurzfristig angepasst werden können. Der mögliche Abbau von rund 500 Stellen – also zehn Prozent der im Betriebszweig beschäftigten Mitarbeiter – könnte hier die nötige Luft verschaffen.

Begründet wird das auch damit, dass es möglich sein müsse, weniger ertragreiche Entwicklungs-Projekte zur Disposition zu stellen. Von solchen Entscheidungen könnten die rund 3700 Entwickler am ZF-Standort Friedrichshafen unmittelbar betroffen sein. „Wir können eine rückläufige Beschäftigung am Standort Friedrichshafen nicht ausschließen“, verlautete es dazu aus der Konzernleitung. Welche Projekte das Etikett „wenig ertragreich“ verpasst bekämen, stehe noch nicht fest, sondern werde von der Unternehmensberatung McKinsey noch untersucht.

Ausgebremst: Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen sieht sich mit vielen Krisen konfrontiert.
Ausgebremst: Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen sieht sich mit vielen Krisen konfrontiert. | Bild: Bernd Günther

Es sind schwierige Zeiten für ZF. Der Automobilzulieferer kämpft mit einem schleppenden Absatz. Hohe Lagerbestände müssen abgebaut werden. Der Konzern ist mit rund 10,5 Milliarden Euro verschuldet. Steigende Zinsen lassen die Schuldenlast noch stärker drücken.

Die Inflation habe das Geschäft belastet. Hinzu kommen notwendige Investitionen im Zuge der Transformation der Automobilindustrie. Wie ernst die Lage für ZF ist, zeigen getroffene Sparmaßnahmen: für bestimmte Standorte seien Einstellungsstopps verhängt, Lagerbestände sollen abgebaut, unnötige Geschäftsreisen unterlassen werden. Selbst der Zuschuss zu Weihnachtsfeiern sei gestrichen worden. Der Konzernsprecher bestätigte dies.

McKinsey prüft noch

Welche Projekte in Friedrichshafen auf dem Prüfstand stehen, wollte der Konzernsprecher nicht sagen. Dass die Berater von McKinsey ihre Arbeit noch nicht beendet haben, sei aber ein Grund, warum sich die Konzernvertreter gegenüber dem Betriebsrat noch in Zurückhaltung übten.

Man sei auf den McKinsey-Bericht zur Wirtschaftlichkeit von Projekten angewiesen, heißt es. Bis Jahresende könnten die Zahlen vorliegen. Dann könne ZF Entscheidungen treffen. Der Konzernsprecher äußerte sich zuversichtlich, dass dann mit dem Betriebsrat wieder konstruktive Gespräche zu führen seien.