„Ich habe alles versucht und wollte das Ende so weit wie möglich hinauszögern.“ Unternehmens-Chef Eberhard Hackelsberger ist emotional angefasst. „Die widrigen Marktumstände haben den Niedergang befeuert“, räsoniert der 66-Jährige im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Als geschäftsführender Gesellschafter der J.Weck GmbH & Co. KG musste er vergangene Woche für sein in Wehr-Öflingen ansässiges Unternehmen sowie für das Tochterunternehmen, die Weck-Glaswerk GmbH in Bonn, die Zahlungsunfähigkeit anmelden. Die Insolvenz des traditionsreichen Unternehmens aus dem Süden Baden-Württembergs hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Dabei beherrschte die Erinnerung an die sogenannten Weck-Einmachgläser die Schlagzeilen.
Mit dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts etablierten Verfahrens des Einkochens sowie der dazu gestarteten Produktion der markanten Einmachgläser war das Unternehmen groß geworden und hatte es wirtschaftliche Erfolge gefeiert. Ob der Gründe für den jetzt erreichten Tiefpunkt redet sich der Firmenpatriarch wiederholt in Rage: „Es ist einfach so vieles zusammengekommen.“ Er schimpft auf eine unternehmensfeindliche Bundespolitik, und er hadert mit sich selbst, schließlich sehen jetzt rund 370 Mitarbeiter an beiden Unternehmensstandorten in eine ungewisse Zukunft.
Hohe Energiekosten ein Grund für Weck-Pleite
Die Glasproduktion sei extrem energieintensiv, führt der ausgebildete Betriebswirt den Hauptgrund für die unternehmerische Schieflage an. „Gegenüber dem Vorjahr sind die Energiekosten um den Faktor drei gestiegen.“ Zugleich seien von Januar bis Mai die Verkäufe eingebrochen, was die Situation verschärft habe.
Zudem befand sich das Unternehmen seit 2020 in einer Investitionsphase. „Wenn sie alte Maschinen haben und es keine Ersatzteile mehr gibt, dann ist irgendwann der Zeitpunkt, wo viel Geld für neue Produktionsmittel in die Hand genommen werden muss“, sagt Hackelsberger. Das seien alles Kostenfaktoren, mit denen gegenüber der Konkurrenz in China oder der Türkei, kaum zu bestehen sei. „Angesichts der Investitionen war dann irgendwann kein Geld mehr da, um die Rechnungen bezahlen zu können.“
Der Unternehmens-Chef verweist aber auch auf die zugespitzte Situation nach drei Corona-Jahren und den Beginn des Ukraine-Kriegs. Das seien gewaltige Veränderungen. „Im Osten Europas werden noch große Absatzmärkte wegfallen“, warnt Hackelsberger.
Das werde noch viele in Deutschland produzierende Betriebe treffen. Zugleich seien zunehmende Auflagen und Regulierungen der deutschen Politik zu bewältigen. „Das sind widrige Rahmenbedingungen, die Deutschland in Hochgeschwindigkeit in die Deindustrialisierung führen“, sagt Hackelsberger.
Glasindustrie herausgefordert
Ganz so dramatisch sieht man beim Bundesverband der Glasindustrie die Lage nicht. Von weiteren Glas-Unternehmen, die in Schieflage geraten seien, wisse man aktuell nicht. Die in Düsseldorf ansässige Interessenvertretung der Glasproduzenten sieht aber große Herausforderungen, vor denen die Branche stehe. „Die Glasherstellung ist nun mal energieintensiv“, sagt Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes. Zu einem Anteil von 80 Prozent werde Erdgas bei der Produktion eingesetzt. Der bereits im Herbst 2021 einsetzende Preisanstieg habe vielen Unternehmen zu schaffen gemacht.
Wer hier zuvor keine langfristigen Versorgungsverträge abgeschlossen hatte, geriet durchaus unter Druck. Die zugleich gestiegenen Rohstoffpreise für die Glasproduktion, etwa für Sand, Kalk, Dolomit und Feldspat, hätten die Situation zusätzlich erschwert, sagt Overath. Preissteigerungen könnten nicht immer vollumfänglich an die Kunden weitergereicht werden.
Grundsätzlich profitiere die Glasindustrie aber von einem gestiegenen Bedarf. Insbesondere die Branche der Glasbehälterproduzenten verzeichne Absatzsteigerungen, was etwa auch darauf zurückzuführen sei, dass in der Lebensmittelindustrie zunehmend Plastikbehälter durch Glas ersetzt würden.

Die Konkurrenz im Ausland sei jedoch groß. Für deutsche Unternehmen sei es nicht leicht, wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Bundesverband der Glasindustrie kritisiert hier seit Jahren, dass die Strompreise in Deutschland deutlich über den Weltmarktpreisen lägen. Produzenten in Frankreich profitierten von deutlich günstigerem Industriestrom, der vom Staat subventioniert werde.
Der Stromeinsatz bei der Glasherstellung läge derzeit bei rund 20 Prozent, werde jedoch in absehbarer Zeit gegenüber dem Erdgas steigen, weil auch die Glasindustrie bis 2045 klimaneutral produzieren soll, sagt Verbands-Geschäftsführer Overath.
Weck-Gläser spielen geringere Rolle
Auch die Firma Weck hatte auf den sich wandelnden Markt reagiert, sagt Hackelsberger. Das frühere Erfolgsprodukt von Weck, die markanten Einmachgläser, haben nach Angaben von Hackelsberger zuletzt nur noch rund zehn Prozent an der Gesamtproduktion ausgemacht. Schon seit Jahren habe der Fokus auf der Produktion von Glasbehältern für die Lebensmittelindustrie gelegen.
So seien etwa Gläser für Gurken und Senf oder auch Kerzengläser in Millionen-Stückzahlen hergestellt worden. Zuletzt habe man sich auf kleinvolumige Glasbehälter spezialisiert. Aktuell laufe die Produktion weiter, sagt Hackelsberger. Doch nun sein mit der Insolvenz ein Prozess angestoßen, auf den er nur noch gering einwirken könne.
Ein schwerer Gang für Hackelsberger
Es war ein schwerer Gang, den Hackelsberger vergangene Woche zum Amtsgericht in Karlsruhe antreten musste. Wegen dem Schicksal seiner langjährigen Mitstreiter. Aber auch, weil er, der als Urenkel von Firmengründer Johann Weck das Unternehmen in vierter Generation lenkte, nun das Steuer aus der Hand geben muss.
Seit 2010, als sein Vater im Alter von 62 Jahren gestorben war, lenkte Sohn Eberhard Hackelsberger als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter die Geschicke des Unternehmens. Zuvor war er bereits mehrere Jahre Mitglied in der Geschäftsführung gewesen; vor allem aber auch Redaktionsleiter des hauseigenen Verlags. „Das bin ich bis heute geblieben“, bekräftigt er. Die Herausgabe von Magazinen wie „Lust auf Natur“ oder „Ratgeber Frau und Familie“ – immerhin die erste Frauenzeitschrift Deutschlands, die 1901 aufgelegt wurde – waren laut Hackelsberger das „Propagandainstrument der Firma“.
Es ist eine Gruppeninsolvenz, die für beide betroffenen Betriebe beim Amtsgericht Karlsruhe eröffnet wurde. Dass für beide Unternehmen gemeinsam nach einem wirtschaftlichen Fortgang gesucht werde, sei ihm wichtig. Jetzt laufe das vorläufige Insolvenzverfahren. Es blieben drei Monate Zeit, nach einem Ausweg zu suchen, bevor das Hauptverfahren eröffnet werde. Der Geschäftsbetrieb laufe zunächst weiter. Die Löhne und Gehälter würden von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt.
Zum Insolvenzverwalter ist der Freiburger Rechtsanwalt Thilo Braun bestellt. Er wird versuchen das Unternehmen zu stabilisieren und notwendige Sanierungsmaßnahmen einleiten. „Darauf habe ich nur noch wenig Einfluss“, sagt der Firmenpatriarch und fügt demütig hinzu: „Ich will aber mithelfen, wo ich kann.“