Grün. Ziemlich viel Grün. Zumindest auf den ersten Blick. Wenn man sich ein bisschen genauer umschaut in David Schimmeyers Waldgarten im Deggenhausertal, dann kann man winzige Johannisbeeren entdecken. Rhabarberstängel. Salatblätter. Erdbeerblüten. Kleine Erbsenpflanzen. Unter Erde und Mulch verborgen wachsen Spargel, Kartoffeln und Pilze heran. Aber die Ernte für ein Mittagessen würde ziemlich karg ausfallen, jetzt im Mai.
Selbstversorgung ist auch nachhaltig
„Als Selbstversorger kann man in unserer Region derzeit nur leben, wenn man noch Vorräte aus dem letzten Jahr hat“, sagt David Schimmeyer, 32. Er bewirtschaftet das 1000 Quadratmeter große Grundstück zwischen Bach und Feld seit 2019 zusammen mit zwei Freunden – im Sinne der Permakultur, also einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Statt um schnellen Ertrag geht es darum, so zu pflanzen und zu ernten, dass der Boden viele Jahre nutzbar ist. Schimmeyer ist gelernter Gärtner. Er kennt sich aus mit Standortansprüchen, Fruchtfolge, Mischkulturen. Gedüngt wird mit dem, was im Garten an Mulch anfällt –und mit ein bisschen Mist von einem befreundeten Bauern. Gegen Schädlinge lockt David Schimmeyer Nützlinge an: der Garten wird umgeben von einer riesigen Totholzhecke, überall gibt es kleine Mauern, Sandhügeln, Brennnesseln für Insekten und Schmetterlinge.
Am Teuersten ist die Arbeitszeit
„Außer Arbeitszeit habe ich nicht viel investiert in den Garten“, sagt Schimmeyer. Zu ernten gab es bislang allerdings auch nicht besonders viel. „Dieses Jahr könnte es zum ersten Mal etwas üppiger ausfallen.“
Das Beispiel aus dem Deggenhausertal zeigt: Von heute auf morgen wird man nicht zum Selbstversorger. Wer angesichts der gestiegenen und weiter steigenden Preise für Lebensmittel mehr eigenes Obst und Gemüse anbauen möchte, braucht ein bisschen Geduld – und Platz.
Viel Platz braucht man zur Selbstversorgung nicht
Genauer gesagt 40 Quadratmeter pro Person im Haushalt. So überraschend klein ist die Fläche, die man anpflanzen muss, um sich über das Jahr hinweg mit Gemüse selbst versorgen zu können. „Das funktioniert aber natürlich nur, wenn man die Fläche mehrfach bepflanzt und den Boden so pflegt, dass er das auch mitmacht“, sagt Annette Wilkening, die für das Projekt Überlinger Weltacker verantwortlich ist.
Dort wird auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern gezeigt, dass genug landwirtschaftliche Fläche weltweit da wäre, um die Weltbevölkerung zu ernähren – wenn man die richtigen Dinge anpflanzen, nicht so viele Lebensmittel wegwerfen und die Böden nachhaltiger nutzen würde.
Auch ein Balkon oder Schrebergarten tuts
„Das kann sogar auf einem gut genutzten Balkon funktionieren“, sagt Annette Wilkening. Oder im Hausgarten, wer einen hat. Oder in einer Schrebergartenanlage. Dort sind maximal 400 Quadratmeter große Parzellen zu pachten. Ein Drittel davon muss dem Bundeskleingartengesetz zufolge mit Obst und Gemüse angebaut werden. In den letzten Jahren hat genau dieser Nutzgartenanteil so manche Kleingarten-Interessierte eher abgeschreckt.
„Wir hatten während der Corona-Pandemie einen merklichen Schub an Nachfragen von Leuten, die einen Platz draußen gesucht haben, also einen Freizeitgarten und nur bedingt am Anbau von Obst und Gemüse interessiert waren“, sagt Stefan Schwytz, Erster Vorsitzender der Kleingärtner-Vereinigung Konstanz.

Lieber sind dem Verein Familien, denen es tatsächlich ums nachhaltige Gärtnern geht. Noch macht sich die derzeit hohe Inflation jedoch nicht durch eine höhere Nachfrage mit der Begründung nach Selbstversorgung bemerkbar. „Und das ist gut nachvollziehbar“, findet Stefan Schwytz. Dann liefert er ein paar Zahlen.
Versteckte Kosten wie Strom und Wasser beachten
Für einen Kleingarten fallen Pacht und Mitgliedschaft im Verein sowie Kosten für Strom und Wasser im unteren dreistelligen Bereich an. Hinzu kommen die Kosten für Saatgut, Setzlinge oder Pflanzen, für gute Erde, Werkzeug, gegebenenfalls Dünger und der Unterhalt für Parzelle und Laube. „Das summiert sich schnell auf eine Summe, für die es sich einiges an Lebensmitteln kaufen lässt“, sagt Stefan Schwytz.
Zumal inflationsbedingt auch das Gärtnern teurer wird. Die Preise für Jungpflanzen haben wegen der gestiegenen Energiekosten laut Martin Herrmann vom Verband Gartenbau Baden-Württemberg schon ordentlich angezogen. „Gleiches gilt für die Preise für Substrate, weil Torfe aus dem Baltikum kriegsbedingt nicht mehr kommen.“
Eigenanbau kann auch frustrierend sein
Hinzu kommt, dass Eigenanbau manchmal eine ganz schön frustrierende und verlustreiche Angelegenheit sein kann. „Letztes Jahr war durch die feuchte, Dauerregen-Witterung ein extremes Schneckenjahr. Viele Pflanzen wurden massiv von diversen Schimmelpilzen befallen, die in der konventionellen Landwirtschaft mit Fungiziden oder durch den Anbau in klimatisierten Gewächshäusern vermieden werden“, sagt Stefan Schwytz.
Für den Kleingärtner gibt es in so einem Jahr dann halt keinen Salat, keine Tomaten, keine Gurken. Die Selbstversorgung kommt da schnell an ihre Grenzen. Schwytz Fazit: „Aus reinen ökonomischen Gründen wird ein Kleingarten nur in echten Notzeiten als kompletter Kartoffelacker helfen, ansonsten zahlt man drauf.“

Den meisten Hobbygärtnern sind solche Überlegungen und Berechnungen aber ohnehin fremd. Schon während der Corona-Pandemie haben die Pflanz- und Baummärkte enorme Umsatzsteigerungen verzeichnet. „Derzeit erleben wir noch einmal einen Zuwachs von einem Drittel“, sagt ein Bauhaus-Sprecher.
Die Menschen kaufen allem ökonomischen Sinn oder Unsinn zum Trotz Saatgut, Hochbeete, Jungpflanzen und bauen sich Gewächshäuser. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir einen Zuwachs von rund 50 Prozent verzeichnet“, sagt Jens Mühle, kaufmännischer Leiter bei Beckmann, einem Gewächshaus-Anbieter aus Wangen im Allgäu.
Der Grund: Die Menschen säen, graben, pflanzen, jäten und gießen vor allem deswegen, weil ihnen die Tätigkeit an sich gut tun. Wenn dabei am Ende ein paar wohlschmeckende Tomaten herauskommen, umso besser.