Die Politik will, dass Beschäftigte möglichst ins Homeoffice wechseln, und auch unter den Beschäftigten in Deutschland hat die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus laut einer Umfrage wieder zugenommen. Doch wie groß ist die Gefahr einer Ansteckung im Büro, und was könnte helfen, sie zu minimieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Es gibt bereits eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz. Kann man diese noch verschärfen?
Am Arbeitsplatz muss in Baden-Württemberg bislang nur eine Maske getragen werden, wenn der Mindestabstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann, das gilt auch im Freien. Wer also an seinem Schreibtisch sitzt und zu seinen Kollegen 1,50 Meter Abstand halten kann, der kann nach der aktuellen Corona-Grundverordnung des Landes den Mund-Nasen-Schutz abnehmen.
Ausgenommen sind davon jedoch Bereiche mit Publikumsverkehr. Wer zum Beispiel im Supermarkt arbeitet, muss dauerhaft eine Maske tragen. Die Verordnung könnte verschärft werden, indem eine dauerhafte Maskenpflicht am Arbeitsplatz eingeführt wird. Ebenso könnten FFP2-Masken, die am meisten Viren abhalten, zur Pflicht werden.

Reicht es nicht, sich an den Abstand zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen zu halten und eine Maske dann anzulegen, wenn der Schreibtisch oder die Werkbank verlassen wird?
Beim Atmen, Reden, Singen, Lachen und Telefonieren entstehen Aerosole, kleine Tröpfchen, die in der Luft schweben. Das Problem mit diesen kleinen Schwebeteilchen ist, dass sie bei corona-infizierten Personen den Virus enthalten können. Durch Luftströmungen im Raum können sich die Corona-Viren dann auch in einem Großraumbüro gleichmäßig verteilen.
Ein Mindestabstand schützt in diesem Fall zwar vor der Tröpfcheninfektion, also winzigen Spucketeilchen, die beim Sprechen ausgestoßen werden und zu Boden sinken, aber nicht vor den Aerosolen in der Luft, erklärt Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Wie hoch ist denn das Risiko, sich in einem Büro bei einem infizierten Kollegen anzustecken?
In geschlossenen Räumen, in denen mehrere Personen über längere Zeit zusammensitzen, ist das Risiko einer Ansteckung besonders hoch. Das zeigt eine Studie, die der Atmosphärenforscher Lelieveld mit Kollegen an seinem Institut und in Zusammenarbeit mit dem Cyprus Institut in Zypern entwickelt hat.
Anschaulich wird die Studie durch eine Simulation, in der sich verschiedene Einflussfaktoren verändern lassen. So errechnet sie beispielsweise für ein 40 Quadratmeter großes Büro, in dem vier Kollegen gemeinsam acht Stunden arbeiten, eine Wahrscheinlichkeit von 27 Prozent, dass sich das Corona-Virus von einem infizierten Kollegen auf einen anderen überträgt. Angenommen wird, dass nicht gelüftet wird, einen Mindestabstand von 1,50 Meter einhalten und alle ohne Mund-Nasen-Schutz am Schreibtisch sitzen.
In der Simulation lassen sich dann verschieden Faktoren ändern. Wird einmal pro Stunde gelüftet sinkt die Virenlast in der Luft und damit auch die Wahrscheinlichkeit sich zu infizieren auf 5,5 Prozent. Tragen die Kollegen Alltagsmasken im Büro, sinkt die Wahrscheinlichkeit weiter auf 4,5 Prozent, bei FFP2-Masken liegt das Ansteckungsrisiko fast bei Null.

Die Maßnahmen sollen auch wegen der ansteckenderen Mutationen verschärft werden. Wie sähe eine Verbreitung im Büro aus, wenn sich ein Kollege damit angesteckt hätte?
Jos Lelieveld betont, dass es zu den Mutationen noch sehr wenige Daten gäbe. Doch angenommen werde derzeit, dass sie 40 Prozent ansteckender sei, als das ursprüngliche Coronavirus. „Es reicht eine geringere Menge an Viren, die eingeatmet werden muss, um die Krankheit zu entwickeln“, sagt der 65-jährige Wissenschaftler. „Außerdem ist es wahrscheinlich, dass an der Mutation Erkrankte mehr Viren produzieren.“ Das bedeute, dass man bei dem ursprünglichen Virus etwa 300 Viren einatmen müsse, um krank zu werden. Bei der Mutation nur noch rund 180.
Warum ist eine generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz sinnvoll?
„Wenn mehrere Personen acht Stunden am Tag in einem Raum zusammensitzen, dann ist die Chance groß, dass die Schwelle überschritten wird“, sagt Jos Lelieveld über die Virenlast im Büro. „Da reicht es nicht aus, die Maske nur zu tragen, wenn Sie sich im Raum bewegen.“
Die Viren verbreiten sich von ganz alleine in der Luft. Je größer jedoch das Büro ist, desto größer ist auch die Luftmenge und die Viren verteilen sich mehr. „Alle Masken helfen“, erklärt Lelieveld. „Sie sollten allerdings gut passen.“ Er ergänzt, dass sich die FFP2-Masken gut an das Gesicht anpassen. Zusätzlich bieten sie wegen des Materials den größten Schutz.

Gilt das auch für Einzelbüros?
Nein, wer alleine im Büro sitzt, muss nach Meinung des Wissenschaftlers keine Maske tragen. Wichtig sei es allerdings trotzdem zu lüften, falls doch einmal ein Kollege ins Büro kommt.
Wie verbreiten sich die Aerosole?
„Personen, die im Büro sitzen, sind kleine Wärmequellen“, erklärt Jos Lelieveld die Verbreitung. Sie strahlen in etwa so viel Wärme aus, wie eine alte 100 Watt Lampe. Durch diese Wärme erhitzt sich die Luft und gerät in Bewegung, da die warme Luft nach oben steigt und im Raum zirkuliert. Auch eine Heizung bringt die Luft in Bewegung. „Die Luftbewegung trägt die Aerosole durch die Luft und durchmischt. Sie verteilen sich so quer durch den Raum.“ So kann sich auch ein Kollege am anderen Ende des Büros mit dem Virus anstecken.
Wie schützt ein Luftreinigungsgerät?
Jos Lelieveld hält Luftreinigungsgeräte mit Hepa-Filter für ein gutes Mittel, um die Virenlast in den Räumen zu verringern. Wichtig sei es, auf die Zertifizierung zu achten. Auch müsste der Filter regelmäßig ausgetauscht werden, da dort eventuell Viren hängen können. Außerdem müsse die Kapazität der Raumgröße angepasst sein. Einige Geräte können bis zu 70 Quadratmeter Raumfläche virenfrei halten.
Wie können Arbeitnehmer das Ansteckungsrisiko bei der Arbeit minimieren?
Am besten im Homeoffice arbeiten, wenn es sich einrichten lässt, empfiehlt Jos Lelieveld. „Das hilft die Kontakte zu verringern.“ Wo das nicht geht, sollten auf jeden Fall die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. „Durch regelmäßiges Lüften lässt sich die Konzentration der Belastung herunterbringen“, sagt Jos Lelieveld. Das Tragen einer Maske hilft, dass sich gesunde Kollegen nicht mit dem Virus anstecken und dass hochinfektiöse Kollegen, das Virus nicht in der Raumluft verteilten.