Schon im Dezember kündigte ZF-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Achim Dietrich an, dass es ‚laut werden könnte vor der Hauptverwaltung‘, wenn die rund 5000 Mitarbeiter des Betriebs Z nicht noch im Jahr 2023 eine Beschäftigungssicherung erhalten. Die erhielten sie nicht – und dementsprechend laut wurde es am Mittwochvormittag. Rund 3000 ZF-Mitarbeiter versammelten sich, trotz Regen und Temperaturen um den Gefrierpunkt, vor dem Hauptsitz in Friedrichshafen, um ihrem Unmut über die Politik der Konzernspitze Luft zu machen.

Mit deutlichen Worten drücken Mitarbeiter des von der Schließung bedrohten Werks in Gelsenkirchen ihren Ärger aus. Sie kamen mit ...
Mit deutlichen Worten drücken Mitarbeiter des von der Schließung bedrohten Werks in Gelsenkirchen ihren Ärger aus. Sie kamen mit Reisebussen, neun Stunden betrug ihre Anfahrtszeit. | Bild: Nagel, Marvin

Standortschließungen, fehlende Jobsicherheit – Mitarbeiter gehen aus vielerlei Gründen auf die Barrikaden

Dabei seien die Gründe für den Ärger der Anwesenden mannigfaltig, wie Achim Dietrich später im Pressegespräch berichtet. Es gehe um die geplante Schließung der Werke in Gelsenkirchen und Eitorf, ebenso wie ausbleibende Beschäftigungssicherungen.

Wegen dieser ausbleibenden Beschäftigungssicherungen für den Bereich Z – also Verwaltung, Entwicklung und Einkauf -, hat deren Betriebsratsvorsitzender Franz-Josef Müller die Verhandlungen mit der Konzernspitze um eine sogenannte Zielbildvereinbarung im Dezember für gescheitert erklärt.

Mit einer Zielbildvereinbarung sollen dem jeweiligen Bereich eine Perspektive aufgezeigt und Arbeitsplätze gesichert werden. „Wir wollen aber nicht nur ein Zielbild, wir wollen auch sichere Arbeitsplätze – schließlich hat den Kollegen in Gelsenkirchen das 2019 vereinbarte Zielbild auch nichts genützt.“

Betriebsrat weiß um den Ernst der Lage

Die Aktionen der Konzernleitung fasst Dietrich mit dem Dreisatz „Verlagern, Schließen, Sparen“ zusammen. Dabei sei es nicht so, dass die Vertreter der Arbeitnehmer den Ernst der Lage verkennen würden.
Dem schließt sich Helene Sommer, Geschäftsführerin der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben an: „Wir wissen um die schwierige Lage, in der die ganze Industrie steckt“.

Helene Sommer, Geschäftsführerin der IG-Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, sieht einen sicheren Weg für ZF in die Zukunft „auch ...
Helene Sommer, Geschäftsführerin der IG-Metall Friedrichshafen-Oberschwaben, sieht einen sicheren Weg für ZF in die Zukunft „auch und gerade mit Sicherung von Beschäftigungen in Deutschland“. | Bild: Jarausch, Gerald

Sie als Arbeitnehmervertreter seien jederzeit bereit darüber zu reden, wie man am besten mit der Transformation zur E-Mobilität umgehe. Der jetzige Weg sei aber der falsche: „Die ZF-Strategie ist getrieben von BCC – best cost country. Auf gut Deutsch sind das Niedriglohnländer, in die ZF auslagern will.“

Dabei würden die Zahlen zeigen, dass Produktion in Deutschland funktioniere. Außerdem würde durch die Arbeit über mehrere dieser BCCs keine Kreativität entstehen. Eher komme es zu Qualitätsverlusten, weil Mitarbeiter damit beschäftigt seien, Teams über Länder hinweg zu koordinieren.

Großer Stellenabbau – ohne Kündigungen?

Achim Dietrich beschreibt diese Auslagerungsversuche mit dem Bild einer wandernden Heuschrecke. „Es ist wie eine Jagd nach immer günstigeren Arbeitern und Angestellten.“ Dazu wolle der Konzern in Deutschland um die 12.000 Stellen abbauen, so Dietrich.

Gesamtbetriebsratsvorsitzender Achim Dietrich befürchtete, dass die Wetterlage viele Mitarbeiter davon abhalten könnte zu kommen. Dem ...
Gesamtbetriebsratsvorsitzender Achim Dietrich befürchtete, dass die Wetterlage viele Mitarbeiter davon abhalten könnte zu kommen. Dem war nicht so, „das war ein eindrucksvolles Signal an die Zentrale“, findet er. | Bild: Gunnar M. Flotow, Felix Kaestle, Marvin Nagel

Es soll aber niemand gekündigt werden – einen Teil regle der demografische Wandel, viele Mitarbeiter würden in Rente und Altersteilzeit gehen. Dazu kämen die befristeten Verträge, die auslaufen, sowie die Leiharbeiter. Einen kleinen Teil mache auch die Fluktuation aus. „Für uns ist das eine absolute Milchmädchenrechnung“, stellt Dietrich klar. „Was passiert zum Beispiel mit den 4000 Auszubildenden, die wir haben – werden die nicht übernommen?“

Konzernleitung widerspricht Betriebsrat, Wiederaufnahme der Verhandlungen geplant

Und was sagt die Konzernleitung dazu? Personalvorständin und Arbeitsdirektorin Lea Corzilius kann die Sorgen der Arbeitnehmer verstehen. Mittlerweile sei die Krise der Normalmodus der Industrie. „Dass die Transformation zur E-Mobilität auch Arbeitsplätze kosten wird, zeigt sich bei der Getriebemontage. Für das brauchen wir zwei Mitarbeiter, für E-Motoren nur einen“. Trotzdem sei der Personalstamm in Deutschland in den letzten Jahren noch gewachsen.

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Angesprochen auf die Auslagerung von Arbeitsplätzen in BCCs, erwidert Corzilius, dass das noch sehr überschaubar sei – womit hier die Aussage des Konzerns gegen die der Arbeitnehmervertreter steht. Auch die kursierenden Zahlen zum Stellenabbau will Corzilius nicht kommentieren: „Zahlen sind Sache für den Verhandlungstisch“. An diesen wolle man sich schon morgen mit dem Gesamtbetriebsrat setzen. Dann sei man auch bereit, über den Ausschluss von Kündigungen bei Betrieb Z zu sprechen. Gesprächsbereitschaft ist also vorhanden – die eindrucksvollen Bilder vor der Konzernzentrale scheinen Wirkung hinterlassen zu haben.