Das einstmals größte Flugzeug der Welt, die Dornier Do X, in Originalgröße wiederaufzubauen – das ist ein Plan, der zurzeit in Friedrichshafen verfolgt wird. In der Theorie ist das Projekt weit fortgeschritten, auf dem PC ist das Flugschiff schon auferstanden. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung in echtem Aluminium.

Die Aluminium-Struktur der Do x, so wie sie auf dem Bildschirm schon zu sehen ist.
Die Aluminium-Struktur der Do x, so wie sie auf dem Bildschirm schon zu sehen ist. | Bild: Steffen Harbusch

Heute würde man das Projekt Do XXL taufen. Denn alles an dieser Maschine war übergroß und für die damalige Zeit gigantisch: Auf den fast 50 Meter langen Tragflächen dröhnten keine drei oder vier, sondern zwölf Motoren mit insgesamt 7700 PS, um das 28 Tonnen schwere Flugschiff aus dem Wasser zu heben und auf 170 bis 190 km/h zu bringen.

Beim Start wirbelte die Do X mächtige Fontänen auf. 1931 flog der Jumbo vom Bodensee erstmals über den Atlantik nach New York.
Beim Start wirbelte die Do X mächtige Fontänen auf. 1931 flog der Jumbo vom Bodensee erstmals über den Atlantik nach New York. | Bild: Dornier Museum

Fast 160 Passagiere konnten in luxuriösem Ambiente über den Atlantik reisen. Konstrukteur Claude Dornier, dessen Todestag sich am heutigen Donnerstag zum 50. Mal jährt, hatte für diesen Riesen alle technischen Register gezogen. Den Großteil der immensen Entwicklungskosten schulterte der Reichshaushalt. Wie auch heute noch ist Großflugzeugbau ohne staatliche Subventionen nicht machbar.

Aus einem Gemälde von Claude Dornier (1884-1969), entstanden um 1930.
Aus einem Gemälde von Claude Dornier (1884-1969), entstanden um 1930. | Bild: Dornier-Museum
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Eine Bauzeit von zehn Jahren

Peter Kielhorn (63), Ingenieur und Informatiker, stammt aus Friedrichshafen, hat früher bei Dornier gearbeitet und an der Do X einen Narren gefressen. „Stück für Stück“, sagt er, soll das Flugschiff nachgebaut werden. „Das ist machbar.“ Sein Zeitplan scheint gedehnt, aber in Anbetracht der Größe des Projekts auch sportlich: Zum 100 Jahrestag des Erstflugs der Do X am 12. Juli 2029 soll der Nachbau präsentiert werden. Flugfähig wird er nicht sein.

Flugzeug-Entwickler in Friedrichshafen: Der Ingenieur und Informatiker Peter Kielhorn hält eine Seitenansicht des Flugbootes Do X, ...
Flugzeug-Entwickler in Friedrichshafen: Der Ingenieur und Informatiker Peter Kielhorn hält eine Seitenansicht des Flugbootes Do X, während die Studenten Dominik Bodenmüller, Kai Pete, Sofia Stich und Pascal Mannig am Computer arbeiten (von links). | Bild: dpa

Dennoch. Kielhorn muss ein ganz dickes Brett bohren. „Da haben wir eine Riesenaufgabe vor uns“, sagt der Informatiker, der seit 2014 mit Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg an der Rekonstruktion des Flugbootes arbeitet – trotz fehlender Originalpläne. Von den drei Do X, die gebaut wurden, existieren nur noch Reste und Trümmerteile – oder Modelle im Museum in Friedrichshafen.

Ein Blechmodell des Flugboots Do X ist in einer Vitirne im Dornier-Museum ausgestellt.
Ein Blechmodell des Flugboots Do X ist in einer Vitirne im Dornier-Museum ausgestellt. | Bild: dpa

Die Rekonstrukteure arbeiten aber nicht im Blindflug. Im Dornier Museum lagern Fotos, Baubücher und Zeichnungen, aber den größten Schatz fand Peter Kielhorn im Staatsarchiv St. Gallen: 1000 inzwischen digitalisierte Foto-Glasplatten, die seinerzeit bei der Dornier-Fertigung im schweizerischen Altenrhein aufgenommen wurden. „Alle Spanten und alle Holme des Flugzeugs wurden im Detail so gut fotografisch dokumentiert, dass man die Nieten im Alu erkennen kann“, zeigt sich Kielhorn begeistert.

Eine technische Zeichnung, die das Flugboot Do X in der Frontansicht zeigt, in einer Vitirne im Dornier-Museum.
Eine technische Zeichnung, die das Flugboot Do X in der Frontansicht zeigt, in einer Vitirne im Dornier-Museum. | Bild: dpa

1000 Fotos aus St. Gallen helfen

Der frühere Dornier-Mann hat es geschafft, immer mehr Studenten für seinen Plan zu begeistern. Mehr als 30 helfen ihm bereits. In Friedrichshafen sind Dominik Müller, Sophia Stich, Kai Peter und Pascal Mannig derzeit dabei, den Mittellängsträger der Do X zu konstruieren.

Rekonstruktion des Baus der Do X Ende der 20er-Jahre im schweizerischen Altenrhein. Der Rumpf war 40 Meter lang, die Spannweite ...
Rekonstruktion des Baus der Do X Ende der 20er-Jahre im schweizerischen Altenrhein. Der Rumpf war 40 Meter lang, die Spannweite erreichte fast 50 Meter. | Bild: Steffen Harbusch

In Mosbach nördlich von Heilbronn sitzen 30 Studenten an den Bildschirmen. „Die Fotos aus St. Gallen haben wir in unsere CAD-Darstellungen übernehmen können“, erklärt Kielhorn. Fazit: Im Computer ist die Do X längst abgespeichert und Realität. „Im Grunde könnten wir jetzt loslegen“, sagt der Projektleiter. Dem Bau des Vorschiffs der Do X, das von der Rumpfspitze bis zur Tragflächenwurzel reicht, könne man theoretisch beginnen.

Simulation des Vorschiffs der Do X. Dieser Teil würde im Fall eines Nachbaus zuerst entstehen.
Simulation des Vorschiffs der Do X. Dieser Teil würde im Fall eines Nachbaus zuerst entstehen. | Bild: Peter Kielhorn

Damit ist Kielhorn weiter gekommen als andere, die schon 1996 die Idee hatten, die Do X wieder auf Kiel zu legen. Es scheiterte am Geld. Kielhorn, der bereits einen kleinen Helferkreis um sich geschart hat, will Anfang kommenden Jahres einen gemeinnützigen Verein gründen und bei Firmen und Luftfahrt-Enthusiasten auf Spendensammeltour gehen. Über die Kosten will er öffentlich nicht sprechen, doch glaubt er, sie in einem realistischen Rahmen halten zu können.

Nur über lange Treppen könnte man bei einem Nachbau in das Cockpit der Do X gelangen. Hier eine Simulation.
Nur über lange Treppen könnte man bei einem Nachbau in das Cockpit der Do X gelangen. Hier eine Simulation. | Bild: Peter Kielhorn

Teile-Fertigung in Ungarn?

Realistisch klingt auch, wie sich Kielhorn den Bau der neuen Do X vorstellt. Bereits „Merkur“ und „Wal“ sind in Ungarn gebaut worden, im Betrieb des Konstrukteurs Karl Bircsak in Herek bei Budapest.

Enkel Cornelius Dornier (links) und der ungarische Techniker Karl Birczak vor dem Nachbau der Dornier „Merkur“, der heute im ...
Enkel Cornelius Dornier (links) und der ungarische Techniker Karl Birczak vor dem Nachbau der Dornier „Merkur“, der heute im Museum steht. | Bild: Dornier-Museum

„Bircsak würde sich auch am neuen Projekt beteiligen und alle formgebenden Spanten und Holme herstellen“, sagt Kielhorn. Zusammen mit der Beplankung von Rumpf und Tragflächen könnte alles an den Bodensee gebracht und dort – vor den Augen der Öffentlichkeit – montiert werden.

Seit Juli 2012 steht ein Nachbau des berühmten „Amundsen Wal“ von Dornier im Museum in Friedrichshafen.
Seit Juli 2012 steht ein Nachbau des berühmten „Amundsen Wal“ von Dornier im Museum in Friedrichshafen. | Bild: Dornier Museum

Gänzlich neu ist die Idee nicht. In der Außenstelle des Deutschen Museums auf dem Alten Fluggelände Oberschleißheim bei München können Besucher Technikern beim Restaurieren alter Maschinen zuschauen. Durch eine Glasscheibe.

Dornier zeigt sich offen

Von Seiten des Dornier-Museums besteht für den Giga-Nachbau Unterstützung, wie Sprecher Philipp Lindner bestätigt.

Blick in die Halle des Dornier-Museums in Friedrichshafen. Hier wäre genug Platz, um die Do X in Originalgröße nachzubauen.
Blick in die Halle des Dornier-Museums in Friedrichshafen. Hier wäre genug Platz, um die Do X in Originalgröße nachzubauen. | Bild: dpa

Peter Kielhorn eilt dem Stand der Dinge bereits voraus. Besucher sollen auch das Innere des Flugschiffs sehen können, die riesige Pilotenkanzel und die gediegenen Sessel-Landschaften des Passagierdecks, von der das Dornier-Museum bereits einen kleinen Teil zeigt. Auch die zwölf Propeller und die Motoren hat Kielhorn schon vor dem geistigen Auge. Die Triebwerke werden nicht in Metall nachgebaut, sondern als Holzform gefräst – wie bereits beim „Wal“.

David Dornier sitzt in der ehemaligen Baracke, in der sein Großvater, der Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier, am Bodensee gearbeitet hat.
David Dornier sitzt in der ehemaligen Baracke, in der sein Großvater, der Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier, am Bodensee gearbeitet hat. | Bild: dpa

Die Luftfahrt-Archäologen am Bodensee sind also guter Dinge. Hoffnung auch für Museums-Chef David Dornier, dessen „Landshut„-Projekt inzwischen fern jeder Realisierung scheint? Seit mehr als zwei Jahren sind die Reste der „Landshut„ in einer Halle unweit des Museums eingemottet. Ob die Restaurierung jemals in Angriff genommen wird, steht nach wie vor in den Sternen.

Juli 2018: David Dornier steht vor der Lufthansa-Maschine Landshut in Friedrichshafen. Das 1977 entführte Flugzeug Landshut sollte ...
Juli 2018: David Dornier steht vor der Lufthansa-Maschine Landshut in Friedrichshafen. Das 1977 entführte Flugzeug Landshut sollte restauriert und im Dornier Museum ausgestellt werden. | Bild: Felix Kästle

Kommt für genug Geld zusammen, um die Do X auferstehen zu lassen, hätte der Enkel von Claude Dornier im Kampf um mehr Museumsbesucher jedenfalls ein Ass im Ärmel.

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