Das einstmals größte Flugzeug der Welt, die Dornier Do X, in Originalgröße wiederaufzubauen – das ist ein Plan, der zurzeit in Friedrichshafen verfolgt wird. In der Theorie ist das Projekt weit fortgeschritten, auf dem PC ist das Flugschiff schon auferstanden. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung in echtem Aluminium.

Heute würde man das Projekt Do XXL taufen. Denn alles an dieser Maschine war übergroß und für die damalige Zeit gigantisch: Auf den fast 50 Meter langen Tragflächen dröhnten keine drei oder vier, sondern zwölf Motoren mit insgesamt 7700 PS, um das 28 Tonnen schwere Flugschiff aus dem Wasser zu heben und auf 170 bis 190 km/h zu bringen.

Fast 160 Passagiere konnten in luxuriösem Ambiente über den Atlantik reisen. Konstrukteur Claude Dornier, dessen Todestag sich am heutigen Donnerstag zum 50. Mal jährt, hatte für diesen Riesen alle technischen Register gezogen. Den Großteil der immensen Entwicklungskosten schulterte der Reichshaushalt. Wie auch heute noch ist Großflugzeugbau ohne staatliche Subventionen nicht machbar.
Eine Bauzeit von zehn Jahren
Peter Kielhorn (63), Ingenieur und Informatiker, stammt aus Friedrichshafen, hat früher bei Dornier gearbeitet und an der Do X einen Narren gefressen. „Stück für Stück“, sagt er, soll das Flugschiff nachgebaut werden. „Das ist machbar.“ Sein Zeitplan scheint gedehnt, aber in Anbetracht der Größe des Projekts auch sportlich: Zum 100 Jahrestag des Erstflugs der Do X am 12. Juli 2029 soll der Nachbau präsentiert werden. Flugfähig wird er nicht sein.

Dennoch. Kielhorn muss ein ganz dickes Brett bohren. „Da haben wir eine Riesenaufgabe vor uns“, sagt der Informatiker, der seit 2014 mit Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg an der Rekonstruktion des Flugbootes arbeitet – trotz fehlender Originalpläne. Von den drei Do X, die gebaut wurden, existieren nur noch Reste und Trümmerteile – oder Modelle im Museum in Friedrichshafen.
Die Rekonstrukteure arbeiten aber nicht im Blindflug. Im Dornier Museum lagern Fotos, Baubücher und Zeichnungen, aber den größten Schatz fand Peter Kielhorn im Staatsarchiv St. Gallen: 1000 inzwischen digitalisierte Foto-Glasplatten, die seinerzeit bei der Dornier-Fertigung im schweizerischen Altenrhein aufgenommen wurden. „Alle Spanten und alle Holme des Flugzeugs wurden im Detail so gut fotografisch dokumentiert, dass man die Nieten im Alu erkennen kann“, zeigt sich Kielhorn begeistert.

1000 Fotos aus St. Gallen helfen
Der frühere Dornier-Mann hat es geschafft, immer mehr Studenten für seinen Plan zu begeistern. Mehr als 30 helfen ihm bereits. In Friedrichshafen sind Dominik Müller, Sophia Stich, Kai Peter und Pascal Mannig derzeit dabei, den Mittellängsträger der Do X zu konstruieren.

In Mosbach nördlich von Heilbronn sitzen 30 Studenten an den Bildschirmen. „Die Fotos aus St. Gallen haben wir in unsere CAD-Darstellungen übernehmen können“, erklärt Kielhorn. Fazit: Im Computer ist die Do X längst abgespeichert und Realität. „Im Grunde könnten wir jetzt loslegen“, sagt der Projektleiter. Dem Bau des Vorschiffs der Do X, das von der Rumpfspitze bis zur Tragflächenwurzel reicht, könne man theoretisch beginnen.

Damit ist Kielhorn weiter gekommen als andere, die schon 1996 die Idee hatten, die Do X wieder auf Kiel zu legen. Es scheiterte am Geld. Kielhorn, der bereits einen kleinen Helferkreis um sich geschart hat, will Anfang kommenden Jahres einen gemeinnützigen Verein gründen und bei Firmen und Luftfahrt-Enthusiasten auf Spendensammeltour gehen. Über die Kosten will er öffentlich nicht sprechen, doch glaubt er, sie in einem realistischen Rahmen halten zu können.

Teile-Fertigung in Ungarn?
Realistisch klingt auch, wie sich Kielhorn den Bau der neuen Do X vorstellt. Bereits „Merkur“ und „Wal“ sind in Ungarn gebaut worden, im Betrieb des Konstrukteurs Karl Bircsak in Herek bei Budapest.

„Bircsak würde sich auch am neuen Projekt beteiligen und alle formgebenden Spanten und Holme herstellen“, sagt Kielhorn. Zusammen mit der Beplankung von Rumpf und Tragflächen könnte alles an den Bodensee gebracht und dort – vor den Augen der Öffentlichkeit – montiert werden.

Gänzlich neu ist die Idee nicht. In der Außenstelle des Deutschen Museums auf dem Alten Fluggelände Oberschleißheim bei München können Besucher Technikern beim Restaurieren alter Maschinen zuschauen. Durch eine Glasscheibe.
Dornier zeigt sich offen
Von Seiten des Dornier-Museums besteht für den Giga-Nachbau Unterstützung, wie Sprecher Philipp Lindner bestätigt.

Peter Kielhorn eilt dem Stand der Dinge bereits voraus. Besucher sollen auch das Innere des Flugschiffs sehen können, die riesige Pilotenkanzel und die gediegenen Sessel-Landschaften des Passagierdecks, von der das Dornier-Museum bereits einen kleinen Teil zeigt. Auch die zwölf Propeller und die Motoren hat Kielhorn schon vor dem geistigen Auge. Die Triebwerke werden nicht in Metall nachgebaut, sondern als Holzform gefräst – wie bereits beim „Wal“.

Die Luftfahrt-Archäologen am Bodensee sind also guter Dinge. Hoffnung auch für Museums-Chef David Dornier, dessen „Landshut„-Projekt inzwischen fern jeder Realisierung scheint? Seit mehr als zwei Jahren sind die Reste der „Landshut„ in einer Halle unweit des Museums eingemottet. Ob die Restaurierung jemals in Angriff genommen wird, steht nach wie vor in den Sternen.

Kommt für genug Geld zusammen, um die Do X auferstehen zu lassen, hätte der Enkel von Claude Dornier im Kampf um mehr Museumsbesucher jedenfalls ein Ass im Ärmel.