Sie ist neben der Künstlichen Intelligenz eine der spannendsten Neuerungen der digitalen Welt: die Blockchain-Technologie. Wer von Industrie 4.0 redet und dieses Thema draußen lässt, kennt das Potenzial der Blockchain nicht. Sie ist Gesprächsthema nicht nur in großen Konzernen, sondern Industrie- und Handelskammern arbeiten daran, auch den Mittelstand über die Chancen und Möglichkeiten der Blockchain aufzuklären.
Pilotprojekte sind am Laufen
„Lange Zeit war der Begriff Blockchain fast ausnahmslos mit dem Thema Bitcoin und später anderen Kryptowährungen verknüpft“, sagt Achim Berg, Präsident des Branchenverbands Bitkom. Inzwischen aber, so Berg, gebe es „eine Vielzahl von Pilotprojekten in unterschiedlichsten Branchen, die auf der Blockchain aufbauen.“
Effizienter und kundenfreundlicher
Auch wenn man noch in der Experimentierphase ist: Die Blockchain bewegt Unternehmen in Deutschland und im Rest der Welt. Tendenz steigend. Buchhaltung, Finanzen und Logistik könnten mit ihr deutlich effektiver und auch für Kunden preiswerter werden, sind sich Experten sicher. In wenigen Jahren könnte die Blockchain so zur digitalen Standard-Ausrüstung von Firmen werden wie es heute SAP- oder Microsoft-Programme sind.
Werden Anwälte überflüssig?
Aber es geht um mehr. Heute verdienen Anwaltskanzleien viel Geld, wenn es zwischen Herstellern und Kunden zu Streit kommt. Die Blockchain kann da Kosten sparen. Der Trick: Alle denkbaren Fälle – wie Verlust, Raub oder Beschädigung von Waren auf dem Transportweg – sind in Algorithmen formuliert und in gegenseitigem Einvernehmen der Vertragspartner in der Blockchain hacking-sicher und unveränderbar hinterlegt. Wenn etwas schiefgeht, spult die Blockchain ein automatisiertes Handlungsprogramm ab und verhindert so Konflikte. Teure Juristen sind überflüssig.
Nie wieder Gema-Scherereien
Kleine Start-ups haben darüber hinaus bereits konkrete Visionen, die für manche Branchen den Alltag erleichtern. Kann man in Zukunft Organisationen wie die Gema, die davon lebt, Urheberrechte von Musikern bei Veranstaltern wie Vereinen und Gastwirten geltend zu machen, umgehen und ausschalten? Denkbar ist das. Die Idee, an der man arbeitet: Die Blockchain sorgt dafür, dass Komponisten, Bands und Musiker als Rechte-Inhaber ihr Geld direkt von den Veranstaltern erhalten – ohne Umweg über die Gema, deren umständliches und zeitraubendes Gebaren immer wieder für Unmut sorgt.
Der intelligente Vertrag
Das Zauberwort für diese Welt ohne Nutznießer, die zwischen zwei Partnern stehen und Geld verdienen, heißt „Smart contract“ (intelligenter Vertrag). Smart contracts sollen mit Verträgen vergleichbar werden, an deren Abschluss Anwälte und/oder Notare beteiligt sind. Sie kosten jedoch weniger und arbeiten effizienter, weil sie auf Protokollen in der Blockchain basieren. Menschliche Fehlerquellen sind nahezu ausgeschlossen, die Kosten minimal. Wie steht es um die Blockchain-Technologie in Deutschland? Laut einer Bitkom-Studie beschäftigen sich vor allem größere Firmen mit der Blockchain. Dazu gehört die Deutsche Bahn.

Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr wird am Einsatz einer Blockchain gearbeitet. Denn neben der Bahn gibt es in diesem Sektor für Kunden zahlreiche Anbieter, die alle verschiedene Vor- und Nachteile sowie Tarife für die Reisenden bieten. Das Problem: Die Geschäftsbeziehungen zwischen allen Unternehmen sind nicht transparent genug, um gemeinsame Strukturen aufzubauen, etwa zum Verteilen der Erlöse.
Der Kunde profitiert
Wer als Kunde für seine Reise etwa Bus und Bahn kombinieren möchte, muss aufwendig planen. Die Blockchain könnte mit ihrer dezentralen Datenspeicherung Transparenz schaffen. Alle Partner hätten nahezu in Echtzeit Zugriff auf die Daten. Damit wären Manipulationen ausgeschlossen. An so einer Lösung arbeitet die Deutsche Bahn. Letztlich hätten die Bahnkunden davon einen Gewinn – etwa wenn bei Zugausfällen schneller Ersatz bereitsteht oder die Wartung von Gleisen reibungsloser vonstattengeht.
Aber auch in der globalen Welt der Logistik kann die Blockchain einiges umkrempeln.

Erprobt wird die Blockchain insbesondere im Bereich Logistik und Lieferketten. Grenzüberschreitende Warenströme könnten transparent und für Behörden wie den Zoll nachvollziehbar dargestellt werden. Die transparente Rückverfolgung und Dokumentation von Lieferprozessen wie auch Produktionsschritten diene zudem der Qualitätssicherung und könnte dem Endverbraucher Sicherheit über Herkunft und Herstellungsprozess von Produkten geben.
Sensoren im Container
Ein Beispiel wäre die Einhaltung von Kühlketten bei temperaturkritischen Produkten. Externe Sensoren in den Containern erfassen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Gas, Erschütterung, geschlossene oder geöffnete Türen. Die Daten werden manipulationssicher in der Blockchain gespeichert.
Auch die Automobilindustrie setzt auf die Hilfe der Blockchain. Denn auch hier sind die Prozesse komplex, weshalb sich die Blockchain-Technologie aufdrängt. Laut Bitkom-Studie könnten Automobilhersteller ihre Wertschöpfungskette komplett über die Blockchain abbilden, angefangen beim Zulieferer.
Blockchain kennt alle Bauteile
Zur Qualitätssicherung könnten Informationen über die Herstellung von Bauteilen in der Blockchain gespeichert werden, wie Produktionsbedingungen in Übersee-Ländern, eingesetzte Rohstoffe, verbrauchte Energie oder eingesetzte Maschinen.

Bei Rückrufaktionen von Fahrzeugen aufgrund fehlerhafter Bauteile ist durch Informationen aus der Blockchain sofort nachvollziehbar, wo die Ursache für das Problem liegt. Lieferketten müssen nicht für Tage oder Wochen unterbrochen werden. Denn Zulieferer, die Qualitätsstandards nicht erfüllt haben, wären rasch feststellbar. Von Fehlern betroffene Fahrzeuge könnten exakt bestimmt werden. Damit muss nicht mehr ein komplettes Fahrzeugmodell zurückgerufen werden, sondern nur noch die, die betroffen sind.
Hilfe für kleine Stromhändler
Der zentrale Anwendungsfall für Blockchain-Technologie im Energiesektor ist der dezentrale Stromhandel. Immer mehr Verbraucher betreiben eigene Solar-, Wind- oder Biogasanlagen, deren Energie sie ins Stromnetz einspeisen oder direkt an den Nachbarn oder ein nahegelegenes Unternehmen verkaufen könnten.

Über die Blockchain könnten diese Transaktionen in Echtzeit abgerechnet werden – verschlüsselt und dennoch nachvollziehbar für alle Beteiligten. Solche Mini-Zahlungen scheiterten bisher an Aufwand und Kosten. Ob an diesen Transaktionen Geldinstitute überhaupt noch beteiligt sein werden, ist mehr als zweifelhaft. Denn die Blochchain organisiert Geldtransfers ohne Vermittlung von Banken. Sogenannte FinTech-Start-ups arbeiten an dieser Zukunft.