Schleimig beim Drüberlaufen. Und dann dieser faulige Geruch! Wer das Wort Algen hört, denkt meist an solche unangenehmen Begegnungen am Meer oder an einem See. „Damit tut man Algen total unrecht, denn sie stinken nur, wenn sie tot am Ufer liegen und von Bakterien zersetzt werden. Da stinkt jeder Fisch aber auch“, sagt Claudia Busse-Uhrig.

Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, den Ruf der Alge in Deutschland zu verbessern. Keine leichte Aufgabe, wie sie in den vergangenen zehn Jahren gemerkt hat, seit sie Geschäftsführerin von Viva Maris ist.

„Die Deutschen sind sehr konservativ beim Essen“

Das kleine Unternehmen aus Schleswig-Holstein stellt Algenprodukte her: Algen-Bratwürste, Algen-Pasta, Algen-Brotaufstriche, Algen-Senf. Bewusst wird auf konventionelle Lebensmittel gesetzt, die Algen als neue Zutat erhalten, um die Hemmschwelle beim Kauf zu senken. „Die Deutschen sind sehr konservativ beim Essen und in der Regel nicht besonders offen, neue Lebensmittel zu probieren“, so die Erfahrung von Busse-Uhrig.

Ein Meeresbiologe betrachtet in der Wattenmeerstation in List auf Sylt eine Rotalge. Sie ist in Deutschland als Lebensmittel zugelassen.
Ein Meeresbiologe betrachtet in der Wattenmeerstation in List auf Sylt eine Rotalge. Sie ist in Deutschland als Lebensmittel zugelassen. | Bild: Ulrich Perrey/dpa

Zu Aldi, Kaufland oder Edeka in die Supermarktregale schaffen es die Algenprodukte von Viva Maris oder anderen Anbietern wie Emily Snacks (Algen-Chips), Betta Fish (Algen-Thunfisch) oder Hello Helga (Algen-Limonade) bislang dennoch kaum. Was hier nicht schnell eine große Nachfrage findet, fliegt wieder aus dem Sortiment.

Neben den Vorbehalten gegenüber Algen dürften viele preissensible Deutsche auch die Kosten der Algenprodukte abschrecken. „Da wir die Algen weit draußen im Meer mit sehr viel Handarbeit ernten, geht das aber nicht anders“, sagt Busse-Uhrig.

Algen verbrauchen keine Ressourcen

Wie die meisten ihrer Mitbewerber in der Branche setzt auch ihr Unternehmen deshalb vor allem auf den Online-Handel. Und darauf, die Kunden anzusprechen, die sich für gesunde, vegane, nachhaltige Ernährung in Bio-Qualität interessieren – und auch bereit sind, dafür zu bezahlen.

Algen sind ein natürliches Produkt. Anders als beim Anbau von Gemüse verbraucht das Wachstum im Meer keine Ressourcen wie Wasser, auch der Dünger fällt weg. Das alles macht Algen für Busse-Uhrig zu einem sinnvollen und ökologisch gewonnenen Lebensmittel, das auch eine wachsende Weltbevölkerung gut ernähren könnte. Denn rund 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt.

Algen lassen sich unter anderem für grüne Smoothies verwenden.
Algen lassen sich unter anderem für grüne Smoothies verwenden. | Bild: Wolfram Kastl/dpa

Allerdings eignet sich nicht jedes Meer für den Anbau von Algen. So ist ein großes Manko der Algen bislang: Regional erhältlich sind sie noch kaum. Viva Maris beispielsweise erntet seine Algen im Europäischen Nordmeer weit oben in Norwegen, wo das Wasser sehr sauber ist, weil kaum mehr Schiffe fahren.

Salzgehalt in der Ostsee zu gering

Die deutsche Ostsee hat einen zu geringen Salzgehalt für eine gute Algenproduktion und wird im Sommer zudem zu warm. Die Nordsee ist zu großen Teilen Wattenmeer-Schutzgebiet, hinzu kommen Ebbe und Flut, welche einen Anbau schwierig machen würden. „Aber wir forschen an der Algenzucht an Land in Tanks, das wäre dann auch in Deutschland möglich“, sagt Busse-Uhrig.

Alge ist nicht gleich Alge

Was bereits gut funktioniert, ist der Anbau sogenannter Mikro-Algen in Deutschland. Hierzu haben sich inzwischen elf Produktionsbetriebe im Norden zur Deutschen Algen-Genossenschaft zusammengeschlossen.

Anbau in flachen Wasserbecken unter Glasdächern

In flachen Wasserbecken unter Glasdächern bauen sie vorwiegend Spirulina an. Die Mikro-Alge wird in Pulver- oder Tablettenform verkauft, gilt als Superfood und kann etwa in grünen Smoothies verwendet werden. Beworben wird ihr beachtlicher Vitamin- und Mineralstoffgehalt.

Aussagen wie „proteinreich“ oder „reich an Vitamin B12“ auf den Verpackungen sind allerdings verboten – aus gutem Grund, wie Verbraucherschützer meinen. „Es ist bislang wissenschaftlich nicht bewiesen, dass das enthaltene Vitamin B12 für den Menschen wirklich nutzbar ist“, sagt Antje Degner, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern.

Biologe Jörg Ullmann untersucht eine Wasserprobe mit Spirulina-Blaualgen an einem Wasserbecken der Algenfarm Dr. Eberhard Bioenergie ...
Biologe Jörg Ullmann untersucht eine Wasserprobe mit Spirulina-Blaualgen an einem Wasserbecken der Algenfarm Dr. Eberhard Bioenergie GmbH & Co. KG in Norddeutschland. | Bild: Jens Büttner/dpa

Vitamin B12 findet sich im Grunde nur in tierischen Produkten, weshalb es bei veganer Ernährung zu einem Mangel kommen kann. Es ist unter anderem für die Zellteilung und verschiedene Stoffwechselprozesse beim Menschen wichtig.

Proteinreich sind die Mikro-Algen zwar. Allerdings bräuchte man den Verbraucherschützern zufolge 10 Spirulina-Tabletten, um so viel Eiweiß aufzunehmen wie mit einem Esslöffel Magerquark.

Bekannt sind Algen vor allem in der Zubereitung von Sushi.
Bekannt sind Algen vor allem in der Zubereitung von Sushi. | Bild: Christin Klose/dpa

„Algen können unseren Speiseplan sicher bereichern, weil sie viele Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Eiweiße und Omega-3-Fettsäuren enthalten“, sagt Degner. Gerade bei verarbeiteten Lebensmitteln seien Algen aber nicht selten nur in so geringen Mengen enthalten, dass es weder gesundheitlich einen nennenswerten Vorteil mit sich bringen könne, noch die hohen Preise rechtfertige. Es lohne sich deshalb, genauer auf die Zutatenliste zu schauen.

Algen enthalten viel Jod

„Kaufe ich wiederum ganze Algenblätter, etwa um Sushi zu machen, muss ich an den hohen Jodgehalt denken“, so Degner. Außer in Algen stecken in keinem anderen Lebensmittel derart hohe Mengen Jod. Auch wenn es nicht verpflichtend sei, dass der Jodgehalt auf der Verpackung angegeben werde, rät Degner dazu, nur Produkte zu kaufen, die diesen Hinweis auf freiwilliger Basis tragen.

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Denn wer regelmäßig jodhaltige Algen verzehrt, riskiert Fehlfunktionen der Schilddrüse mit gravierenden Spätfolgen. Der Stiftung Warentest zufolge kann bereits eine einmalige Überdosis Jod von 100 Milligramm reichen, um die Schilddrüse zu blockieren und eine vorübergehende Unterfunktion herbeizuführen.

Bleibt die Frage, wonach Algen schmecken – wenn nicht nach dem fauligen Geruch, den man am Meer oft in der Nase hat. „Das kommt ganz auf die Algen und die Zubereitung an“, Claudia Busse-Uhrig. Von leicht fischig über würzig, salzig oder leicht süßlich bis ohne großen Eigengeschmack findet sich alles.