„Ich kann mich heute einfach nicht konzentrieren.“– „Mir tut auch schon den ganzen Tag der Kopf weh, das liegt bestimmt am Wetter.“ Egal, ob es regnet, stürmt oder schneit: Als Sündenbock für Müdigkeit, Antriebslosigkeit und verschiedene Schmerzen kann im Zweifelsfall immer das Wetter herhalten. Das sind die Fakten zur Wetterfühligkeit.
Wie reagiert der Körper auf Wetteränderungen?
Menschen können bei 20 Grad minus genauso leben wie bei 40 Grad plus. Das geht nur, weil der Körper sich anpassen kann: Kälte- und Wärmerezeptoren auf der Hautoberfläche melden über Nervenzellen dem Gehirn, wie es den Körper regulieren soll. Bei Hitze wird beispielsweise die Durchblutung angeregt, um die Körperwärme von innen nach außen an die Haut zu transportieren, wo Schweiß sie wieder kühlen kann. Bei Kälte dagegen ziehen sich die Blutgefäße zusammen, das Blut wird vermehrt ins Körperinnere geleitet, wo es warm bleibt und die lebenswichtigen Organe am Laufen hält. Normalerweise passt sich der Körper gut an solche Wetteränderungen an, ohne dass man das spürt.

Dann sind wetterbedingte Kopfschmerzen oder Antriebslosigkeit also nur Einbildung?
Nein. Dann würde rund die Hälfte der Deutschen unter dieser Einbildung leiden. Denn einer Umfrage des Deutschen Wetterdienstes zufolge verspüren rund 50 Prozent der Bundesbürger Kopf- oder Gelenkschmerzen, Müdigkeit oder Schlafstörungen, wenn das Wetter umschlägt. Sie fühlen sich matt, müde, antriebslos, deprimiert oder gereizt. Kurz: Sie sind wetterfühlig. „Solche Befindlichkeitsstörungen treten auf, weil dem modernen Büromenschen das Anpassungstraining an Wetteränderungen fehlt“, sagt Angela Schuh, Medizinische Klimatologin und Professorin am Lehrstuhl Public Health der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Wer dank Heizung und Klimaanlage winters wie sommers 20 Grad im Büro hat, nimmt dem Körper die Möglichkeit, Temperaturveränderungen selbst zu regeln. Die Folge: Diese Fähigkeit verkümmert langsam. Kommt es dann zu einem Kälteeinbruch oder zu einer Hitzewelle, passt sich der Körper nicht mehr so reibungslos daran an, wie er das bei Bauarbeitern oder Briefträgern macht, die den Großteil des Tages draußen verbringen. Auch wer regelmäßig gegen seinen Biorhythmus lebt, zu wenig Tageslicht bekommt oder zu wenig Schlaf, hat eher Probleme, mit Wetteränderungen zurechtzukommen.
Und was ist mit wetterbedingten Gelenkschmerzen?
„Ich spüre es in den Knochen, das Wetter schlägt um!“ Auch solche Aussagen sind keine Einbildung. „Zwar können Wetterwechsel nicht krank machen“, sagt Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst. Aber sie können bei Menschen mit Vorerkrankungen ein weiterer Faktor sein, der ihre Krankheitssymptome verstärkt. „Ein Wetterumschwung bringt dann quasi das Fass zum Überlaufen“, sagt Andreas Matzarakis. Denn wenn durch Rheuma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Blutdruckprobleme die Regulationsfähigkeit des Körpers eingeschränkt ist, dann kann dieser sich auch schlechter an einen Wetterwechsel anpassen. „Man geht davon aus, dass etwa 20 Prozent der Deutschen zu dieser Gruppe der wetterempfindlichen Menschen gehören“, sagt Angela Schuh von der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Betroffen ist hier vor allem die Altersgruppe ab 60: Hier klagen nahezu 70 Prozent darüber, dass ihnen das Wetter in Knochen und Kopf fährt.
Aber wie genau kann das Wetter nun beispielsweise Kopfschmerzen auslösen?
Dazu gibt es bislang nur Mutmaßungen. Experten vermuten, dass möglicherweise Luftdruckschwankungen die Ursache sein könnten. Sie entstehen, wenn zwei Luftmassen aufeinandertreffen – etwa bei Föhn oder beim Durchzug von Fronten. Wie der menschliche Körper diese minimalen Luftdruckschwankungen aber wahrnehmen soll, ist für Forscher noch ungeklärt.
Und welche Wetterlagen lösen gesundheitliche Beschwerden aus?
Besonders bei stürmischem Wetter und wenn es kälter wird, klagen viele Menschen über Beschwerden. Eine höhere Luftfeuchtigkeit ist schlecht bei Gelenkproblemen. Nähert sich eine Warm- oder Kaltfront, haben Menschen häufiger Kopfschmerzen. Am allerbesten ist die stabile Hochdrucklage. Da haben die wenigsten Menschen Probleme mit der Gesundheit. Das zumindest hat die Umfrage des Deutschen Wetterdienstes ergeben. Die genauen Einflussfaktoren des Wetters auf die Gesundheit zu erforschen, ist jedoch schwer. Denn bei einem Wetterumschwung ändern sich viele verschiedene Wettervariablen wie Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchte gleichzeitig.

Was hat es mit dem Biowetter auf sich?
„Heute können die winterlichen Temperaturen bei Rheumatikern besonders in den Stunden nach dem Aufstehen zu Beschwerden führen. Menschen mit Herz- oder Kreislauf-Erkrankungen sollten anstrengende Tätigkeiten meiden.“ Der Deutsche Wetterdienst stellt täglich auch eine sogenannte Biowetterkarte zusammen. Sie zeigt, in welchen Regionen Deutschlands mit Wärme- oder Kältereizen zu rechnen ist oder wo Schwüle droht.
Um eine solche Karte zu erstellen, greifen die Meteorologen auf Mess- und Beobachtungsdaten wie Temperaturen, Luftdrucke, Windgeschwindigkeiten oder Luftfeuchte zurück, welche die deutschen Wetterstationen in den vergangenen 30 Jahren erhoben haben. Anhand des sogenannten Klima-Michels, eines fiktiven Durchschnittsmenschen des Deutschen Wetterdienstes, werden aus den Werten dann gesundheitlich relevante Wetterverhältnisse wie Kältereize oder Wärmestress für eben diesen Klima-Michel erstellt.
Und was bringt das Biowetter?
Die Biowettervorhersage hat eine begrenzte Aussagekraft: Sie basiert nur auf statistischen Zusammenhängen und gilt nicht für einzelne Personen, sondern für eine fiktive Durchschnittsperson. Die Medizinische Klimatologin Angela Schuh von der Ludwig-Maximilians-Universität München hält deshalb nicht besonders viel vom Biowetter. „Jemand, der einen Herzinfarkt hatte, weiß ohnehin, dass er bei eisiger Kälte nicht hinausgehen sollte. Und zusätzlich führen die Vorhersagen womöglich dazu, dass die Betroffenen Symptome entwickeln, nur weil sie gelesen haben, dass Beschwerden auftreten könnten.“
Muss man Wetterfühligkeit einfach so hinnehmen oder kann man etwas dagegen tun?
Egal, ob es eiskalt ist, wie aus Kübeln schüttet oder eine Hitzewelle droht: Statt sich vor dem Wetter zu verkriechen, sollte man lieber rausgehen. „Regelmäßige Bewegung im Freien ist die beste Empfehlung“, betont Expertin Angela Schuh. Denn bei dieser Gelegenheit bekommt der Körper die Chance, die Anpassung an veränderte Wetterlagen zu trainieren. Auch kann man Wetterwechsel simulieren: durch Wechselduschen, Kneipp-Anwendungen oder Saunagänge. Wer dann noch genug schläft sowie gesund und regelmäßig isst, dem sollte ein Wetterumschwung künftig deutlich seltener zu Kopf steigen. Bei wetterempfindlichen Menschen, die aufgrund einer Vorerkrankung auf Wetterumschwünge reagieren, ist die Situation schwieriger. „Hier kann es hilfreich sein, die Biowettervorhersage zu beachten und seine Aktivitäten entsprechend zu planen“, sagt Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis vom Deutschen Wetterdienst.