2009, sechs Jahre und zwei Tage nach ihrem ersten Kuss, haben Antje und Michael Groll geheiratet. Doch bereits seit 17 Jahren sind die beiden ein Paar.

Das mit dem Kuss ging damals relativ flott. Sie arbeiteten zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Jahren in derselben Firma in München, seit einiger Zeit sogar in der gleichen Abteilung und waren auch abends mit Kollegen öfter unterwegs. Sie fanden sich sympathisch, doch Michael Groll hatte eine Freundin und war damit für sie tabu, wie Antje Groll heute sagt.
Er war als Marketingreferent frisch vom Studium ins Unternehmen gekommen, sie hatte dort ihre Ausbildung zur Industriekauffrau und ein berufsbegleitendes Abendstudium zur Kommunikationswirtin gemacht.
Auf einer Party hat es gefunkt
Dass sie heute ein Paar sind, haben sie einer ehemaligen Kollegin zu verdanken und einem angehenden Zahnarzt, der die damals 22-Jährige bei einer Party versetzte. Ihre Kollegin wusste, dass Michael Grolls Beziehung gerade in die Brüche gegangen war. So riefen sie ihn an und fragten, ob er Lust habe, zu kommen.
Er kam – und wenige Stunden später küssten sie sich.

Seitdem haben sie sich nicht mehr losgelassen. Es war der Beginn einer Liebe, die bis heute hält. Inzwischen leben sie mit ihrem siebenjährigen Sohn in Radolfzell, er arbeitet als Marketingleiter bei Werma-Signaltechnik in der Nähe von Tuttlingen, sie bei Sto in Stühlingen.
Mit ihrer elfjährigen Ehe liegen die Grolls über dem Durchschnitt in Deutschland, wo die meisten Ehen nach sechs bis zehn Jahren geschieden werden und jede dritte Ehe zerbricht.

Doch warum klappt es bei den Grolls und bei anderen nicht?
Gegenseitigen Respekt und Vertrauen halten beide für besonders wichtig. „Wir fragen uns auch bei beruflichen Entscheidungen immer um Rat“, sagt Antje Groll. Beide sind, was Beruf und Haushalt angeht, gleichberechtigt. Natürlich übernimmt sie mehr Aufgaben im Haushalt, weil sie nicht Vollzeit arbeitet.
Doch da er ein Morgenmensch ist, kocht er jeden Morgen den Kaffee und macht das Pausenbrot für den siebenjährigen Felix. Es ist ein Geben und Nehmen.

Zu Monika Gras-Brand kommen viele Paare, die in der Krise stecken. „Sie sagen, wir können nicht miteinander reden. Oder: ‚Mein Mann, meine Frau hört mir nicht zu. Können Sie mal für mich übersetzen?‘

Seit vielen Jahren bietet die 57-jährige Diplompsychologin in ihrer Praxis Paartherapien an. Wenn das Paar ihr einen Konflikt darstellt, wandert sie oft von einem zum anderen.
Natürlich gibt es auch mal Streit
Wenn einer von beiden den Konflikt geschildert hat, wiederholt sie das Gesagte sinngemäß, aber mit ihren eigenen Worten. „Das erleben die Paare als sehr erleichternd: Da ist endlich jemand, der dem anderen sagt, wie sie sich fühlen. Und der Partner hört ganz anders zu.“
Gibt es bei den Grolls Streit? Natürlich streiten die beiden sich, aber eher über die Kleinigkeiten im Alltag. Bei der Erziehung haben beide die gleichen Wertvorstellungen. „Ich bin sehr ordungsliebend“, sagt sie. „Da kann man viel falsch machen beim Wäscheaufhängen“, lacht er. Doch die beiden gehen stets ehrlich miteinander um, können den anderen kritisieren und gestehen sich auch gegenseitig Fehler ein. „Wir wissen auch ohne Worte, was dem anderen wichtig ist, so kann man ihm auch etwas Gutes zu tun“, sagt sie. Wichtig für eine Beziehung seien auch Zärtlichkeiten. „Und dass man den anderen so lässt wie er ist“, ergänzt er.
Doch die beiden sind noch nie im Streit eingeschlafen oder haben eine Meinungsverschiedenheit über mehrere Tage ausgetragen. Wenn es Krach gibt, versöhnen sie sich noch am selben Abend.
Der US-Psychologe John Gottman, der durch seine Forschungen zur Ehestabilität bekannt wurde, hat beobachtet, dass bei unglücklichen und instabilen Partnerschaften negative Interaktionen deutlich überwiegen. In zufriedenen Beziehungen werde dagegen eine negative Interaktion durch fünf positive kompensiert.
Die vier apokalyptischen Reiter einer Beziehung
Er definierte außerdem vier sogenannte apokalyptische Reiter, die eine Beziehung allmählich aushöhlen: Ständige Schuldzuweisungen und Anklagen, die der Partner in der Folge abwehrt, indem er sich verteidigt. Der dritte Reiter ist der Rückzug, das „Mauern“, das Verhalten eines Partners, der sich machtlos fühlt. Er vermeidet Augenkontakt, schaltet auf Durchzug, was den anderen noch wütender macht. Der vierte Reiter ist die Verachtung. Ein leichtes Augenrollen, auf den Partner heruntersehen, ihn nicht ernst nehmen. Eine solche Verachtung dominiert unglückliche Beziehungen. In glücklichen gibt es sie nicht, sagt Gottman.
Die Grolls teilen Hobbys, wie Wandern, Fahrradfahren, Skifahren und Reisen.
Aber sie lassen sich auch Freiräume. Während er gern Motorrad fährt, bleibt sie lieber zu Hause. So startet er oft sonntagmorgens zu einer mehrstündigen Tour und geht am Nachmittag mit ihr und Felix zum Schwimmen. Ihr zuliebe hat er bei mehreren Tanzkursen mitgemacht, obwohl ihm das Tanzen eigentlich nicht liegt.
Jeder nimmt sich Zeit für Hobbys
Das Wochenende verbringen die Grolls am liebsten zusammen mit Felix. Aber unter der Woche gehen sie abends durchaus unterschiedlichen Hobbys nach, der andere übernimmt dann den siebenjährigen Sohn, der auch einen Tag in der Woche bei seiner „Oma“ und seinem „Opa“ verbringt, zwei älteren Leuten, die früher ihre Nachbarn waren. Wichtig ist ihnen das gemeinsame Abendessen.
Dass ihre Beziehung nicht die Regel ist, erleben die Grolls auch bei befreundeten Paaren, bei denen sie beobachten, dass oft ein Partner dominant ist: Dieser trifft die Entscheidungen, während der andere sich eher anpasst. „Dass man seine Wünsche für sein Kind ganz hinten anstellt, ist normal. Doch in einer Paarbeziehung würde ein solches Verhalten auf Dauer schiefgehen“, ist sich Michael Groll sicher.
Über mehrere Jahre war dieses Gleichgewicht bei der jungen Familie in Schieflage geraten, als Felix zur Welt kam. Damals hatte Michael Groll wegen seines Jobs in Metzingen während der Woche dort eine Zweitwohnung. „Das war eine harte Zeit für meine Frau“, sagt er. So wechselte er die Stelle, um wieder näher bei seiner Familie zu sein und mit seiner Frau und seinem Sohn den Alltag zu teilen.
„Unser Geheimnis ist die Balance und die Gleichberechtigung in unserer Beziehung“, sagen beide. Und die Liebe ist für sie auch das Gefühl, dass sie morgens neben niemand anderem aufwachen möchten und sich jeden Tag darauf freuen, heimzukommen.