Timo ist kein Single, sagt er zumindest. Er sei Junggeselle, und das aus Überzeugung – und durchaus glücklich. Lebemann würde es auch treffen: Freiheit ist sein Mantra, dazu ein Hauch von ausschweifendem Lebenswandel, der ihm ohnehin nachgesagt wird. Der Mittfünfziger ist nicht nur attraktiv, sondern steht als Professor an einer Hochschule am Bodensee quasi im öffentlichen Raum. Und vielen deutlich jüngeren Frauen regelmäßig gegenüber. Junggeselle sein heiße ja nicht, der holden Weiblichkeit abzuschwören oder kein Romantiker zu sein. Was er mit seiner Freiheit allerdings so anfange, da entwickle manch' verheirateter Kollege wilde Phantasien, sagt er. Zwei Gründe, warum er lieber anonym bleiben möchte.

Kein Wunsch nach Partnerschaft auf Dauer

Junggeselle ist das Gegenteil von Ehemann. Und Ehemann wollte Timo nie sein. „Ich habe nie eine Partnerschaft auf Dauer angestrebt, bin weder geschieden noch Vater geworden. Zumindest weiß ich nichts davon“, sagt er. Er sehe sich nicht als Single, die für ihn phasenweise allein oder einsam sind. „Außerdem habe ich Freunde, die in ihrer Ehe einsamer sind als ich es je war“, sagt er und lächelt sein Frauenschwarm-Lächeln.

Junggesellen-Dasein als Lebenseinstellung

Dass das Junggesellen-Dasein seine Lebenshaltung ist, erkläre er jeder Frau, mit der er eine Beziehung eingehe. „Jede wusste, dass ich weder eine gemeinsame Wohnung noch ein gemeinsames Leben und schon gar keine Ehe will. Manch' eine glaubte trotzdem, dass sie mich kriegt“, erzählt er. Deshalb gingen die meisten Beziehungen früher oder später doch kaputt. Wenn die Illusion von der Partnerschaft verflog, „war die Frau weg und durch die Enttäuschung auch meistens kein Platz für Freundschaft mehr. Aber ich war immer ehrlich“.

Zufrieden mit der Autonomie

Solche überzeugten Singles mit dauerhaftem Paarungs-Unwillen sind eher die Ausnahme, sagt einer der wenigen Forscher, die sich wissenschaftlich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt haben. Stephan Baas ist Dozent an der Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen im Saarland und hat über Singles in Deutschland geforscht. Als Soziologe und Gerontologe gehört er zu den drei Autoren einer Veröffentlichung von 2008, die heute als empirisches Standardwerk in der Singleforschung gilt. Die Wissenschaftler werteten erstmals aus, wie zufrieden Singles ab Mitte 30 mit ihrem Leben sind.

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Fazit: Die Partnerlosen weisen „nicht generell“ schlechtere Daten auf, sie äußern sich „meist zufrieden über ihre Autonomie“ und über ihr soziales Netzwerk. Singles wie Timo, die mit ihrem Leben rundum zufrieden oder gar nicht auf der Suche nach einem Partner sind, deren Zahl sei in den letzten Jahren relativ stabil geblieben.

Fast 17 Millionen Single-Haushalte

Dabei gibt es immer mehr Singles. 2019 waren in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 16,8 Millionen Single-Haushalte registriert – fast die Hälfte mehr als noch 1991. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Haushalte mit drei oder mehr Personen um 20 Prozent ab.

Stephan Baas hat dafür eine Erklärung: „Das klassische Rollenmodell ist ein Auslaufmodell. Viele junge Leute wollen keine Kompromisse mehr eingehen, was es schwieriger macht, eine Familie zu gründen.“ Mit anderen Worten: Es gibt viele Alternativen zu Ehe und Kinderkriegen. Reisen, die Freiheit genießen. Die Welt und andere Kulturen entdecken. Karriere machen, sich selbst verwirklichen. All das erschwert es zusätzlich, einen Partner zu finden, der optimalerweise das gleiche Lebensmodell bevorzugt. „Beziehungen sind mehr und mehr Verhandlungssache“, sagt der Wissenschaftler.

Single ist nicht gleich Single

Aber Single ist nicht gleich Single. Da gibt es die jungen Leute vor dem 30. Geburtstag, die sich ausprobieren, in wechselnden Partnerschaften leben oder überhaupt keine Beziehung führen. Die zweite Gruppe bilden die geschiedenen Singles zwischen 40 und 50, die sich nach einer zehn- bis 20-jährigen Ehe trennen, nachdem die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. „Das ist ein zunehmender Trend“, sagt Stephan Baas. In der Mehrheit vollziehen Frauen diesen Schnitt, wobei die Männer darüber „oft überraschter und auch unglücklicher sind“, so Baas. Zur dritten Gruppe zählt der Wissenschaftler die verwitweten älteren Frauen. Männer sterben bekanntlich früher. „Es gibt zufriedene und unzufriedene Singles in allen Altersgruppen“, sagt er. Je höher der Bildungsstand, desto zufriedener sei der Alleinstehende.

Drei von vier Menschen heiraten doch irgendwann einmal

Dabei strebt eigentlich alles eben doch zur Familie hin. „Drei Viertel der Menschen heiraten mindestens ein Mal im Leben“, sagt Stephan Baas. Ehe und Familie hätten nach wie vor einen hohen Wert. „Aber es wird immer schwerer, das Idealbild zu erreichen.“ Baas spricht von der „Gesellschaft der Individuen“, in denen sogar Paare individuell leben. Seine These: Die Zahl der Phasen im Leben ohne Partner nehmen zu und damit auch Singles auf Zeit.

Frauen sind die glücklicheren Single

Und wer ist nun der glücklichere Single, so ganz allein? „Tendenziell kommen Frauen besser damit klar, sie können sich besser damit arrangieren“, meint Baas. Das liege daran, dass Frauen eher als Männer „Patchwork-Netzwerke“ aufbauen. Sie unterhalten Beziehungen zu unterschiedlichen Menschen, haben jemanden für die Kultur, fürs Reisen, für den Sport oder fürs Bett.

Gerade verlassene Männer hingegen streben schneller nach einer neuen Partnerin, „sonst verhungert er vor dem leeren Kühlschrank“, bringt es des Wissenschaftler pointiert auf den Punkt. Die meisten Singles zwischen 40 und 50 allerdings seien Alleinerziehende mit Kind, die in Deutschland das höchste Armutsrisiko haben – und selten glücklich mit ihrer Lebenssituation sind.