Bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle tickt die Uhr unaufhaltsam. Und der Region drohen gleich zwei mögliche Endlager – am Rhein auf Schweizer Seite und im Hegau. Der gehört zu den heißen Kandidaten für einen Standort, um die hochstrahlenden Abfälle zu vergraben.
Im Herbst nächsten Jahres wird das Bundesumweltministerium im Zuge des Standortauswahlverfahrens eine Negativliste von Gebieten präsentieren, die nicht mehr dabei sind. Danach bleiben auf der sogenannten weißen Landkarte wohl nur noch wenige Regionen übrig, die dann detailliert untersucht werden.
Der Hegau sowie die Donau-Region zwischen Riedlingen und Ulm könnten dann verstärkt in den Blick der Forscher geraten, äußert sich der Überlinger Thomas Weber von der Bürgerinitiative KLAR (Kein Leben mit atomaren Risiken) besorgt.
Opalinuston bleibt eine Option für das Tiefenlager
Bundesweit kommen aus Sicht der Wissenschaft drei Wirtsgesteine infrage: Granit, Salz und Opalinuston, sofern er in mehr als 300 Meter Tiefe eine Mächtigkeit von mindestens 100 Metern aufweist. Im Hegau wäre dies der Fall. Generelle Ausschlusskriterien sind unter anderem ein erhöhtes Erdbebenrisiko, aktiver Vulkanismus, bestimmte Grundwasservorkommen und Hebungen durch Plattenverschiebungen.
Demnach bleiben auf der weißen Landkarte nur noch Gebiete in Niedersachsen, Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg. Die Bundesregierung steht bei der Suche nach einem atomaren Endlager unter erheblichem Zeitdruck. Bis 2031 sollen die Arbeiten in der Tiefe beginnen. Bis 2031 soll der Standort fetsstehen und vom Bundestag verabschiedet sein. Das sind gerade einmal zwölf Jahre, in denen hoch aufwendige Untersuchungen vorgenommen sind, und die betroffene Bevölkerung nach Möglichkeit auch mitgenommen wurde. „Sehr ambitioniert“ nennnt der Tiermediziner Weber bei einer Sitzung von KLAR in Singen dieses Ziel.
Und damit steht er nicht allein. Inzwischen mehrt sich Kritik an dem Verfahren, das 2017 gestartet wurde. Weber rügt mangelnde Daten-Transparenz sowie das enge Zeitkorsett von sechs Monaten, in denen die Betroffenen im Herbst nächsten Jahres zur Auswahl Stellung nehmen können. Wie das Umweltministerium auf diesem Weg auch die betroffene Bevölkerung mitnehmen will, ist vielen auch bei KLAR schleierhaft.
Immerhin geht es bei dem Tiefenlager um erhebliche Risiken. Bis zu eine Million Jahre muss ein Endlager vorhalten und für unzählige Generationen als solches erkennbar sein. Ein strahlendes Experiment dieser Größenordnung hat es noch nie gegeben. Erste Pläne in Gorleben oder der Einlagerung von strahlendem Müll in der feuchten Asse endeten bekanntermaßen kläglich. Der Berg an abgebrannten Brennelementen in Deutschland umfasst inzwischen 30.000 Kubikmeter. Umgerechnet auf Castoren wäre dies ein 12 Kilometer langer Zug.

Doch der Blick von KLAR richtet sich auch auf die Schweiz, wo als Endlager für Schweizer Atommüll nur noch drei Gebiete in Grenznähe infrage kommen: Jura Ost gegenüber von Laufenburg, Nördlich Lägern gegenüber von Hohentengen und Zürich Nordost bei Schaffhausen. In Zwei Jahren sollen Bohrergebnisse aus dem dortigen Opalinuston vorliegen.
Deutsche Stimmen werden gehört. Entscheiden werden aber nur Schweizer. In den Regionalkonferenzen sind Vertreter aus Südbaden in erdrückender Unterzahl, wie Lüder Rosenhagen vom Hochrhein berichtet.
Zu den ungelösten Problemen gehört auch die „Heiße Zelle“, in der die abgebrannten Stäbe vom Castor in den Sarkophag für das Tiefenlager umgeladen werden. Auf dem Gelände der Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen wird es nach dem Abwinken der dortigen Betreiber eine solche Anlage wohl nicht geben. Weiterhin im Rennen ist das Zwischenlager in Würenlingen.
Allerdings gäbe es kaum Erkenntnisse über die Grundwasserverhältnisse, so der Waldshuter Landrat Martin Kistler. Damit bleibt der Zugang zum Endlager in Weiach bei Hohentengen eine Option. Doch dieser Standort würde direkt in der Einflugschneise des Zürcher Flughafens liegen. Und hier ist bereits die die UNECE dran, eine Unterorganisation der UNO mit Sitz in Genf, die bereits im Zuge eines Prüfverfahrens unangenehme Fragen an Bern hat.