Sie sagt, er habe die Mischung. Er findet ihn charmant. Maren Schwarz-Erfurth und Detlef Hoernecke lieben ihren Beruf. Beide sind Landärzte am Bodensee. Er 38, sie ein Jahr jünger. Damit sind die Mediziner das Gegenteil von einem Trend, der seit Jahren schon das deutsche Gesundheitssystem belastet – ein Mangel an Ärzten im ländlichen Raum, wo es alternde Mediziner immer schwerer haben, eine Nachfolge für ihre Praxis zu finden.
In Baden-Württemberg sind 800 Hausarztsitze unbesetzt
Dass es an der medizinischen Versorgung hapert, ist kein neues Problem. Außerdem betrifft es ganz Deutschland, sagt Martina Troescher als Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung. „Wir haben im ganzen Land eine angespannte Situation in der hausärztlichen Versorgung.“
Was Baden-Württemberg angeht, sind rund 800 Hausarztsitze unbesetzt. Dazu kommt, dass 1400 Hausärzte älter als 65 sind, ihre Praxen in den nächsten Jahren daher abgeben werden. Insbesondere auf dem Land stellt sich die Situation als gravierend dar. „Die Zahl der aus Altersgründen ausscheidenden Mediziner ist deutlich größer als die des ärztlichen Nachwuchses“, erklärt die Sprecherin. Die Versorgungslücke also wächst.
Detlef Hoernecke und Maren Schwarz-Erfurth gehören zu den wenigen Nachwuchsmedizinern, die dagegen arbeiten. Es war im Oktober 2021, als die beiden ihre eigene Praxis eröffneten. Keine Stelle in einem Krankenhaus oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum. Dafür eine Gemeinde mit gut 6000 Einwohnern, Immenstaad am Bodensee.
Dass es eine Praxis wurde, liegt vor allem daran, erzählt Maren Schwarz-Erfurth, dass sie den Wunsch gehabt habe, selbstbestimmt zu arbeiten. Einen Arbeitsplatz zu erschaffen, an dem die Atmosphäre gut ist. Mit den medizinischen Schwerpunkten, die sie mag. Und einem Team, das funktioniert.
Eine Praxis alleine zu führen, war keine Option, für keinen der beiden, weder für ihn noch für sie. Das wird es heutzutage für immer weniger Mediziner, wie die Kassenärztliche Vereinigung bestätigt. Viele junge Ärzte wollen als Angestellte und in Teilzeit arbeiten, sagt Martina Troescher.

Das Problem um einen Ärztemangel in Kleinstädten und Dörfern liegt demnach nicht am Ländlichen selbst, jedenfalls nicht nur. Vielmehr haben sich die Ansprüche an den Arbeitsalltag verändert, was nach anderen Berufsfeldern nun auch die Medizin erreicht. Einklang zwischen Familie und Beruf. Halbtagskonzepte. Flexible Arbeitszeiten.
All das wird auch für Ärzte wichtiger. Doch reiben sich diese Interessen an dem, was die vorhergehenden Hausarztgenerationen strukturell hinterlassen. Das bekräftigen auch die beiden Mediziner aus Immenstaad.
Hausärzte in der Region: Modell der Einzelpraxis ist veraltet
Das Modell der Einzelpraxis sei veraltet, sagen sie. Arbeiten von acht bis 18 Uhr, fünf Tage die Woche. Keine Zeit für eigene Termine. Dazu die Verantwortung, die Selbstständigkeit, die bürokratischen Hürden. Die Nachfolgegeneration, betonen Hoernecke und Schwarz-Erfurth, wolle das nicht mehr alleine stemmen. Deshalb hätten auch sie sich für eine Praxis zu zweit entschieden. Mit den Freiräumen, die sie bietet. Einer Expertise, die man teilt.

„Die richtige Praxis, das war der Knackpunkt“, sagt Detlef Hoernecke, der seine Kollegin seit 2014 kennt. Die meisten Räume auf dem Markt waren nur auf einen Arzt ausgelegt. Fündig wurden Hoernecke und Schwarz-Erfurth dann über die sogenannte Praxisbörse der Kassenärztlichen Vereinigung. Hier können Ärzte und Psychotherapeuten eine Annonce schalten, wenn sie ihre Praxis aus Altersgründen abgeben wollen oder nach Praxen suchen, die zum Verkauf stehen. Auch anonym, wenn Patienten davon erst einmal nichts erfahren sollen.
Als sie die Praxis in Immenstaad besichtigten, waren die beiden Allgemeinmediziner gleich angetan: „Da haben wir sofort gesagt: Das können wir uns hervorragend vorstellen“, erinnert sich Detlef Hoernecke. Drei Sprechzimmer, ein Funktionsraum, ein Raum für den Ultraschall, ein Labor, das Wartezimmer und ein kleines Büro mit Küche: Platz gibt es viel. Auch der Vorgänger war einverstanden.
Ein Jahr hat es allerdings gebraucht, die Praxisübernahme tatsächlich vorzubereiten. Bis sie ein Team gefunden hatten, das ihnen auch außerhalb der Medizin zur Seite steht, für die Steuer, die Bank, den Internetauftritt. Für die beiden von Vorteil sei auch gewesen, sagt Detlef Hoernecke, dass sie die Praxis aus dem Vollbetrieb heraus übernehmen konnten. „Wir konnten gleich starten.“

Um jungen Medizinern wie Hoernecke und Schwarz-Erfurth den Auftakt in die Selbstständigkeit zu erleichtern, haben sich Politik und Kassenärztliche Vereinigungen der Länder eine breite Palette an Fördermöglichkeiten überlegt. Die Praxisbörsen sind eine davon. Wer als Arzt in Baden-Württemberg in einer Gegend mit zu wenigen Medizinern eine Praxis gründen oder übernehmen will, kann zudem eine Förderung von bis zu 120.000 Euro beantragen.
Ebenso gibt es finanzielle Hilfen für Ärzte, die in einem solchen Fördergebiet ihre Praxis vergrößern möchten, entweder durch eine Zweigpraxis oder durch einen weiteren angestellten Mediziner. Auch Maren Schwarz-Erfurth und Detlef Hoernecke sind nicht allein in ihren Räumen – sie haben eine dritte Ärztin angestellt, die Patienten in Teilzeit betreut. Sie war bereits in der Praxis des Vorgängers beschäftigt.
Landarztquote in Baden-Württemberg: Studienplätze seit 2021
Um die ärztliche Versorgung auf dem Land langfristig besser aufzustellen, gibt es in einigen Bundesländern wie in Baden-Württemberg darüber hinaus eine Landarztquote. Das bedeutet: Wer sich vor dem Studium dazu verpflichtet, für einige Jahre als Hausarzt aufs Land zu gehen, bekommt einen Medizinstudienplatz – unabhängig vom Numerus Clausus.
Das Projekt umfasst jährlich 75 Studienplätze der Humanmedizin und ist 2021 gestartet. Bis die Landarztquote aber spürbare Effekte zeigt, werden mehr als zehn Jahre vergehen, so die Prognose einer Studie der Universität Hannover.
Getan wird vieles, um das Problem abzumildern, das sagen auch Maren Schwarz-Erfurth und Detlef Hoernecke. Die beiden haben eigenen Angaben zufolge viel Hilfe und Unterstützung auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit erhalten. Die bekommen sie noch, sagen sie. Ist es es genug, um den Ärztemangel abzufedern? Um dem Strukturwandel im Berufsfeld gerecht zu werden?

Die Entwicklungen führen zu einem Umbruch, erläutert Martina Troescher. Es werde Regionen geben, die nicht durch die klassische Landarztpraxis versorgt werden können. Hier seien andere kooperative Praxismodelle gefragt. Zweigpraxen, führt die Sprecherin aus, würden eine immer größere Rolle spielen, aber auch große ärztliche Kooperationen. Bestimmte Aufgaben würden außerdem an qualifizierte Medizinische Fachangestellte delegiert werden. „Die ambulante ärztliche Versorgung wird vielfältiger.“
Hoernecke und Schwarz-Erfurth dennoch sind glücklich mir ihrer Entscheidung. „Wir arbeiten gerne ländlich. Für uns hat es sich gelohnt.“ Auf vielen Ebenen. Ihre Praxis sei Teil des Dorfes, sagt sie, der Kontakt zu den Menschen sei viel enger als in der Stadt. Das findet er auch. Der Charme der Landarztpraxis sei einfach ein anderer.