Die Energieautobahn der Zukunft wird 600 Kilometer kürzer als ursprünglich vorgesehen, soll dafür aber billiger werden: Die Bundesregierung hat das Genehmigungsverfahren zum Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes abgeschlossen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte das 9040 Kilometer lange und knapp 19 Milliarden Euro teure Netz am Dienstag in Berlin vor und freute sich über eine „rekordverdächtig“ schnelle Genehmigungsphase. Rund zweieinhalb Jahre dauerte sie, bereits im kommenden Jahr soll der erste Wasserstoff durch die Leitungen fließen.

Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, hat für eine bessere Anbindung des Südwestens ans Wasserstoffnetz gekämpft, ist ...
Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, hat für eine bessere Anbindung des Südwestens ans Wasserstoffnetz gekämpft, ist zunächst aber gescheitert. Nach einer Neuwahl im Bund, will er auch eine neue Planung. | Bild: Michael Kappeler, dpa

Fertigstellung erst im Jahr 2037?

Komplett fertig soll das Netz für den Energieträger der Zukunft in acht Jahren sein, es gibt schon jetzt eine Verlängerungsoption bis 2037. Womöglich sieht die Verteilung dann aber schon wieder anders aus – die Union kritisiert eine mangelhafte Anbindung des Südwestens und dringt jetzt schon auf Änderungen. Sollte sie nach der Bundestagswahl 2025 in die Regierung kommen, wird sie Korrekturen am Wasserstoff-Kernnetz vornehmen, wie der CDU-Energieexperte Andreas Jung deutlich machte.

„Das ist ein Tiefschlag gegen den Süden und eine herbe Enttäuschung“, sagte Jung. Am Beispiel seiner Heimat machte der stellvertretende CDU-Vorsitzende folgende Rechnung auf: „Baden-Württemberg soll nun mit circa fünf Prozent der Wasserstoffleitungen abgespeist werden – bei 20 Prozent der Industrieleistung, 15 Prozent der Wirtschaftskraft und 10 Prozent der Bundesfläche. Unserer starken Wirtschaft wird damit der Boden unter den Füßen weggezogen.“

Robert Habeck (Bündnis90 / Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat die Planungen vorangetrieben. Aus der CDU ...
Robert Habeck (Bündnis90 / Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat die Planungen vorangetrieben. Aus der CDU wird er massiv kritisiert. | Bild: Andreas Arnold, dpa

Habeck hatte zuvor betont, dass jedes Bundesland ans Wasserstoffkernnetz angeschlossen werde. Jung entgegnete, es sei doch wohl ein Unterschied, ob Stadtstaaten wie Bremen oder Hamburg angebunden seien oder ein großes Bundesland wie Baden-Württemberg. Die Bayern sind da etwas gelassener. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte im August mit Blick auf die Planung erklärt: „Mit der aktuellen Ausgestaltung des Netzes können wir erst mal leben“.

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Habeck erklärte, das Kernnetz sei „die Autobahn für den Wasserstoff“. Es führe die „großen Wasserstoffadern“ an die Zentren heran, die letzten zehn, 20 oder 30 Kilometer Verteilnetze müssten dann noch vor Ort gebaut werden. Der Chef der zuständigen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ergänzte: „Ein Kernnetz ist ein Startnetz“. Doch gerade der Anschluss vor Ort an die „Wasserstoffautobahn“ sorgt vielfach für Kopfzerbrechen, denn dafür gibt es derzeit weder Planung noch Geld.

Kritik von VKU, Handwerk und IHKs

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), sprach von einer Verunsicherung bei den Verteilnetzbetreibern. „Ihnen fehlen die rechtlichen Grundlagen, um die Umrüstung der bisherigen Gasnetze auf grüne Gase wie Wasserstoff rechtssicher planen und entsprechend investieren zu können“, erklärte er.

LNG-Terminal in Indien. Woher soll der Wasserstoff kommen?
LNG-Terminal in Indien. Woher soll der Wasserstoff kommen? | Bild: PUNIT PARANJPE, AFP

Das Kernnetz wird von den Fernleitungsnetzbetreibern Gas (FNB Gas) gebaut. Das sind die überregionalen Gastransportunternehmen und sie können sich bei ihren Investitionen auf ein sogenanntes Amortisationskonto verlassen, das in der Startphase Finanzierungslücken ausgleicht. Für die Gas-Verteilnetze brauche es jetzt einen „klaren Finanzierungsrahmen, damit die Energieversorger vor Ort investieren können – auch in Elektrolyseure“, sagte die Geschäftsführerin der EnBW-Netztochter Terranets, Katrin Flinspach, dem SÜDKURIER. Das müsse in Verhandlungen der Energiewirtschaft mit der Politik geschehen.

Knackpunkt Finanzierung der Verteilnetze

Der Branchenverband „Zukunft Gas“ hat ähnliche Vorbehalte. Vorstand Timm Kehler lobte das Wasserstoffkernnetz einerseits als einen wichtigen Meilenstein, kritisierte aber auch, dass für den Anschluss des Verteilnetzes „noch die nötige Klarheit und auch das Signal der Politik“ fehle, dass „Mittelstand und dezentrale Stromerzeugung künftig mit klimaneutraler Energie versorgt werden“.

Der CDU-Abgeordnete Jung verwies ergänzend auf die Zeitkomponente. Bereits beim Kernnetz könne sich die Fertigstellung bis 2037 verzögern, „und während schon beim Kernnetz die Finanzierungsbedingungen umstritten sind, gibt es für den weiteren Netzausbau inklusive der Verteilnetze dazu noch gar nichts“.

Je weiter südlich, desto trüber die Stimmung

Je weiter man in den Süden Baden-Württembergs kommt, desto kritischer werden die Stimmen. Der Hauptgeschäftsführer von des baden-württembergischen Handwerkstags, Peter Haas, sprach von einem „groben foul gegenüber der Südwest-Wirtschaft“. Robert Habeck ignoriere die berechtigten Forderungen des Südwestens beim Ausbau des Wasserstoffnetzes.

Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben, Sönke Voss, sagte, es sei mit dem geplanten Kernnetz zwischen Ulm und Lindau, das den Landkreis Ravensburg und den Bodenseekreis zum Teil anbindet, wenigstens ein kleiner Teilerfolg erreicht worden. „Es müssen jedoch schnell der westliche Bodenseekreis und der Landkreis Sigmaringen mit angeschlossen werden. Hier sehe er die Bundes- und Landespolitik in der Pflicht, Planungs- und Investitionssicherheit für die Wirtschaft zu schaffen, so der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Marokkanische Wüste. Die Region gilt als mögliches Lieferland für grünen Wasserstoff.
Marokkanische Wüste. Die Region gilt als mögliches Lieferland für grünen Wasserstoff. | Bild: AFP

Eine offene Frage ist zudem, wie die jetzt geplanten Pipelines gefüllt werden. Stand jetzt fällt Norwegen als H2-Lieferant weitgehend aus. Der Versorger Equinor hatte jüngst angekündigt, eine H2-Pipeline nach Deutschland aus Kostengründen nicht zu bauen. Gleichzeitig wurde zumindest nach Darstellung von Kritikern wie dem CDU-Mann Jung seitens des Bundes versäumt, Liefervereinbarungen mit Partnern im Süden, etwa in Nordafrika zu schließen. Auch Terranets-Chefin Flinspach sagte, die Region müsse in den weiteren Planungen „stärker als bisher berücksichtigt werden“.