Wie viele Erdbeben gibt es in Baden-Württemberg?
Baden-Württemberg gilt als das seismisch aktivste Bundesland. Fast täglich kommt es zu mehreren messbaren Erdbeben. Die meisten davon sind allerdings so schwach, dass wir sie nicht spüren können. Die Epizentren liegen in allen Teilen des Landes.
Aber auch spürbare Erdbeben treten mehrmals pro Jahr auf. Etwa einmal in zehn Jahren ist mit einem mittelstarken Beben zu rechnen, bei dem auch Gebäude zu Schaden kommen können, sind sich Experten einig.
Warum kommt es hier zu Erdbeben?
Der Landeserdbebendienst des Regierungspräsidiums Freiburg unterscheidet zwischen tektonischen und induzierten Erdbeben. Tektonische Beben werden durch natürliche Bewegungen im Boden ausgelöst. Solche Beben machen die deutliche Mehrheit aus. Induzierte Erschütterungen werden dagegen künstlich ausgelöst, etwa durch größere Bohrungen.
Während Erdbeben vor allem an tektonischen Plattengrenzen auftreten, wird in Baden-Württemberg von Intraplattenseismizität gesprochen, also Aktivitäten, die nicht an Plattengrenzen stattfinden. Zu den sogenannten Schwächezonen zählen der Oberrheingraben und die Albstadt-Scherzone auf der Zollernalb.
„Die allermeisten Erdbeben in der Region entstehen dadurch, dass die Alpen nach wie vor von Süden nach Norden drücken“, erklärt der Seismologe Martin Hensch vom Landeserdbebendienst.
Wie stark sind die Erdbeben in der Region?
Die meisten Erdbeben in Südbaden sind nicht spürbar. Ein Beben mit einem Wert von 3 oder höher auf der Richterskala ist sehr selten. Schwere Erdbeben mit katastrophalen Auswirkungen sind zwar möglich, laut Experten aber nicht zu erwarten.
Auf einer Karte des Innenministeriums, die Erdbebenzonen im Land ausweist, liegen fast alle Orte entlang der Grenze zur Schweiz in der Erdbebenzone 2. Das bedeutet: Hier sind spürbare Erdbeben möglich, die auch zu Schäden führen können.
Wie wird die Stärke von Erdbeben gemessen?
Es gibt verschiedene Skalen, die die Intensität von Erdbeben angeben. Am bekanntesten ist die Richterskala. Sie funktioniert logarithmisch: Bei einem Beben der Stärke 7 sind die Bodenbewegungen zehnmal so stark wie bei einem Beben der Stärke 6 und 100-mal so stark wie bei einem Beben der Stärke 5. Die Skala ist theoretisch nach oben hin offen, ein Wert von 10 gilt aber als unmöglich zu erreichen. Die freigesetzte Energie zwischen den einzelnen Stufen unterscheidet sich dabei in etwa um den Faktor 30. Bei einem Erdbeben der Stärke 4 wird also in etwa 30-mal so viel Energie freigesetzt, wie bei einem der Stärke 3.
Eine modernere Skala ist die Europäische Makroseismische Skala (EMS). Sie beschreibt die Auswirkungen eines Erdbebens auf Landschaft, Straßen und Gebäude, die ohne Instrumente wahrgenommen werden können. Hier werden Stärkegrade von 1 (nicht fühlbar) bis 12 (vollständig verwüstend) angegeben.
Ab wann sind Erdbeben spürbar?
Pauschal lässt sich das nicht sagen. Auf der Richterskala gelten Erdbeben zwischen Stärke 2 und 3 als „generell nicht spürbar“, ab 3 als „oft spürbar“. Auf der EMS werden Erdbeben ab dem Stärkegrad 2 als „kaum bemerkbar“ bezeichnet, nur einzelne ruhende Personen würden so ein Beben spüren. Beben der Stärke 4 auf der EMS können dagegen noch in einiger Entfernung wahrgenommen werden.
Welche Bedeutung hat die Herdtiefe?
Wie deutlich ein Erdbeben zu spüren ist, hängt neben der Stärke auch mit der Tiefe des Bebens zusammen. Je tiefer der Erdbebenherd liegt, desto weniger stark kann es an der Oberfläche gespürt werden. Ein Beben in größerer Tiefe wird allerdings in einem weiteren Umkreis gespürt, als eines in geringer Tiefe.
Dabei kann es aber auch zu lokalen Unterschieden kommen. Denn ein weiterer Faktor dafür, wie deutlich ein Erdbeben gespürt wird, ist die geologische Beschaffenheit des Untergrunds. Auf weichem Boden ist ein Erdbeben also deutlicher zu spüren, als bei felsigem Untergrund.
Wie verhalte ich mich bei einem Erdbeben?
Ein Erdbeben kann nicht vorhergesagt werden. Den besten Schutz vor den Folgen bietet eine erdbebengerechte Bauweise des Hauses. In Baden-Württemberg gilt deshalb eine entsprechende Baubestimmung. Häuser, die vor 1971 gebaut wurden, erfüllen diese Bestimmungen unter Umständen nicht, bis dahin gab es lediglich Empfehlungen. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, wo Gas, Wasser und Strom im Notfall abgestellt werden können.
Für das richtige Verhalten während eines Erdbebens gibt es folgende Hinweise:
In einem Gebäude
- Deckung suchen, etwa unter einem stabilen Tisch oder unter einem Türrahmen
- Nicht versuchen, nach draußen zu fliehen
- Wenn möglich in die Nähe eines Notausgangs begeben und Tür oder Fenster zum Fluchtweg öffnen, damit diese sich nicht verklemmen
- Keinen Aufzug benutzen, im Treppenhaus nach unten und nicht in Richtung Dach bewegen
- In einem öffentlichen Gebäude: Den Anweisungen des Personals folgen und ruhig bleiben. Eine Panik wäre schlimmer als das Erdbeben selbst
Im Freien
- Im Freien bleiben und nicht versuchen, in ein Gebäude zu fliehen
- Nähe zu allem meiden, was einstürze könnte (etwa Gebäude, Brücken, Strommasten)
- An Gewässern den Uferbereich verlassen
Im Auto
- Im Fahrzeug erkennt man ein Erdbeben nicht immer sofort. Vielleicht bewegt sich das Lenkrad ungewöhnlich, als würde man mit einem defekten Reifen fahren
- Anhalten und während des Bebens das Fahrzeug nicht verlassen. Wenn möglich nicht auf Brücken, in Tunneln oder Unterführungen anhalten. Nähe zu Gebäuden am Straßenrand meiden.
- Straße für Rettungskräfte freihalten. Das Auto nicht mehr als Fortbewegungsmittel nutzen, denn die Straßen sind voraussichtlich schnell verstopft oder werden gesperrt.
Nach einem Erdbeben
- Über Internet, Radio und Fernsehen informieren
- Nur im Notfall telefonieren, um eine Netzüberlastung zu vermeiden
- Anweisungen der Rettungskräfte befolgen
- Auf Stromausfälle gefasst sein
Welche Schäden können durch ein Erdbeben entstehen?
Je nach Gebäude kann es schon bei einem Erdbeben der Stärke 3 auf der Richterskala zu Schäden an Gebäuden kommen. Es können etwa Risse in der Fassade entstehen. Auch herunterfallende Gegenstände können zu Schäden führen. Gefährlich wird es, wenn Strom-, Wasser- oder Gasleitungen Schaden nehmen.
Was war das stärkste Erdbeben in der Region?
Das stärkste mit Instrumenten erfasste Erdbeben in Deutschland hat sich 1911 in der Albstadt-Scherzone ereignet, mit einer Stärke von 5,8, sagt Oliver Heidbach vom Deutschen Geoforschungszentrum. Der Landeserdbebendienst gibt für dieses Erdbeben eine Stärke von etwa 6,0 an. Instrumentell aufgezeichnet werden könnten Erdbeben erst seit 1875.
Das größte Erdbeben innerhalb der letzten 1000 Jahre in Deutschland, beziehungsweise im Grenzgebiet, war laut Heidbach im Jahr 1356 in Basel, mit einem geschätzten Wert von 6,4. „Abschätzungen zu Magnituden von Erdbeben aus früheren Zeiträumen werden über die Auswertung von historischen Schadensberichten gemacht“, so Heidbach. Aus den geschilderten Schäden könne auf die Lage und Stärke geschlossen werden. Die so bestimmten Werte schwanken allerdings um etwa 0,5 in jede Richtung.
Was war das stärkste Erdbeben überhaupt?
Das stärkste Erdbeben weltweit seit Beginn der Aufzeichnungen hat sich im Mai 1960 in Chile mit einer Stärke von 9,5 ereignet. Die meisten Todesopfer bei einem Erdbeben forderte das Beben im Jahr 2004 in Indonesien mit einer Stärke von 9,1. Mehr als 228.000 Menschen verloren ihr Leben, die meisten davon durch den entstandenen Tsunami.
Kann man Erdbeben vorhersagen?
Nein, ein Erdbeben vorauszusagen, ist nicht möglich. Es gibt zahlreiche Anekdoten darüber, dass Tiere Erdbeben schon deutlich früher als Menschen spüren können. Wissenschaftlich bewiesen werden konnte das allerdings noch nicht. Zu dem Thema wird aber geforscht.
Eine Vorhersage ist zwar nicht möglich, es gibt aber Frühwarnsysteme. So können weiter entferne Regionen vorgewarnt werden. Erdbeben breiten sich allerdings in einer Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde aus. Die Vorwarnzeit beträgt also nur wenige Sekunden, erklärt Andrea Brüstle vom Landeserdbebendienst. Dadurch könne zum einen die Bevölkerung gewarnt, zum anderen automatisch die Geschwindigkeit von Zügen reduziert oder Gasleitungen gesperrt werden.
Ist in Zukunft mit mehr Erdbeben in der Region zu rechnen?
Auch für diese Frage gilt: Erdbeben vorauszusagen, ist nicht möglich. Phasen mit hoher oder niedriger Aktivität sind nicht ungewöhnlich. Im langjährigen Mittel bleibt die Erdbebenaktivität in etwa gleich, heißt es vom Landeserdbebendienst.