24 Jahre ist er schon Bürgermeister in Gammertingen. Doch damit ist bald Schluss: Holger Jerg (CDU) wurde am 5. März bei der Bürgermeisterwahl nicht im Amt bestätigt. Als klarer Sieger ging stattdessen mit 66,3 Prozent der Wählerstimmen der 38-jährige Andreas Schmidt hervor.

Dagegen blieb der 60-jährige Amtsinhaber mit nur 26,5 Prozent der abgegeben Stimmen weit hinter Schmidt zurück. Zum Vergleich: Bei den Bürgermeisterwahlen 2015 konnte Holger Jerg noch 68,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Ist der Großbrand beim Reifen-Großhändler Göggel im Sommer 2022 Grund für diese krachende Niederlage?

Fehlentscheidungen sorgen bei den Bürgern für Unmut

Für den ehemaligen Gemeinderat Lothar Wasel ist das Wahlergebnis keine Überraschung. 25 Jahre saß er im Gemeinderat, 2014 schied er freiwillig aus – weil er keine Aussicht sah, mit Holger Jerg als Bürgermeister die Weichen für eine gute Stadtentwicklung zu stellen. „Er hat nicht viel von dem umgesetzt, was er den Bürgern versprochen hatte.“

Als er gemerkt habe, dass es mit Holger Jerg als Bürgermeister nichts mehr wird, habe er gegen ihn kandidiert. Das war vor 16 Jahren. 31 Prozent der Stimmen holte Wasel. Für ihn zeigte das Ergebnis, dass schon damals die Bürger unzufrieden mit ihrem Rathauschef gewesen seien.

Seit Jahren gibt es in Gammertingen einige Großbaustellen, die stagnieren: Der Neubau des Pflegeheims kommt nicht voran, die geplante Stadthalle wurde angesichts enormer Kostensteigerungen nach mehreren Investitionen schließlich nicht realisiert. Zudem hatte es Holger Jerg schon 2019 bei der Kreistagswahl nicht geschafft, seinen Sitz dort zu verteidigen – als Bürgermeister der größten Gemeinde im Wahlbezirk ein Schlag ins Gesicht. Im vergangenen Jahr rückte er schließlich für den CDU-Kollegen Armin Christ nach.

Gegenüber dem SWR sagte auch Jörg Scham, ein amtierender Gemeinderat, dass der Wahlausgang eine Unzufriedenheit der Wähler zeige. Schon vor der Wahl habe sich abgezeichnet, dass es für Jerg eng werden könne.

Die Rolle des Brandinfernos

Für Wasel war das Brand-Inferno beim Reifengroßhändler Göggel derweil nur die Spitze des Eisberg. So habe Jerg die Bevölkerung nach dem Großbrand nicht ordentlich über die weiteren Schritte informiert, das von Bürgern geforderte Feuerwerksverbot rund um das Betriebsgelände von Reifen Göggel wurde abgelehnt.

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Wahlsieger Andreas Schmidt kann indes sein Glück kaum fassen. „Ich freue mich sehr über den Vertrauensvorschuss der Bürger“, sagt der 38-Jährige. Er habe nicht mit einem Sieg im ersten Wahlgang gerechnet, schon gar nicht mit solch einem klaren Ergebnis.

Welchen Anteil rechnet er dem Großbrand zu? Hierzu sagt er diplomatisch: „Es ist viel passiert in den vergangenen Jahren. Man kann nur spekulieren, aber ich denke, die Bürger hatten das Bedürfnis nach neuen Ideen und frischen Wind.“

Der neu gewählte Bürgermeister ist kein unbekanntes Gesicht: Von 2010 bis 2015 hat er als Stadtrat die Interessen der Gammertinger ...
Der neu gewählte Bürgermeister ist kein unbekanntes Gesicht: Von 2010 bis 2015 hat er als Stadtrat die Interessen der Gammertinger Bürger im Gemeinderat vertreten. | Bild: Zieglerschen

Er selbst ist kommunalpolitisch kein neues Gesicht in Gammertingen: Fünf Jahre lang saß Andreas Schmidt von 2010 bis 2015 im Gemeinderat, zudem ist er selbst gebürtiger Gammertinger.