Am Telefon hört sich Jacqueline Straub wie immer an. Im schönsten Schwäbisch legt die junge katholische Theologin los, erst im Lauf des Gesprächs hört man immer deutlicher heraus, dass sie seit einigen Jahren auch sprachlich in der Schweiz angekommen ist. Das „ch“ röhrt mit jeder Minute volltönender, je länger das Gespräch dauert. Straub hat bei den Eidgenossen und in Luzern Fuß gefasst. Dort lebt sie mit ihrem Mann.
Vor fünf Jahren machte die gebürtige Sigmaringerin – damals noch eine unbekannte Studentin – Furore. „Ich will Priesterin werden“, lautete ihr schnörkelloses Credo. Manche belächelten sie, auch viele Katholikinnen trauten ihren Ohren nicht. Die meisten aber zogen den Hut vor der couragierten Frau, die ein ungewohntes Bild von einer engagierten Christin gibt. Sie begibt sich nicht in die Rolle der verbitterten Intellektuellen. Auch wer sie als Feministin einsortiert, wird ihrem Auftritt nicht gerecht. Ihre Tonart ist fröhlich und unverstellt. Diesen Optimismus hat sie sich bewahrt und daraus ein neues Buch gebastelt.
Die Reform der kleinen Schritte läuft längst
Darin schlägt sie einen ungewohnten Ton an. Weg vom Dauerpalaver und Selbstmitleid. Sie verweist in ihrem Buch auf Menschen vor, die schon jetzt etwas bewegen, ohne auf Weisungen oder Ratschläge von oben zu warten. Sie wagen den Mutausbruch, wie Straub das nennt. Sie porträtiert engagierte katholische Christen, die sich den Schneid nicht abkaufen lassen. Die Autorin ist überzeugt: „Es geht etwas voran. Wenn man genau hinsieht, erkennt man immer wieder eine Kirchenreform im Kleinen.“

Klein fing auch sie an. Als Kind ministrierte sie in Pfullendorf. Sie kennt den Dienst am Altar und konnte den Zelebranten gut beobachten. So reifte der Wunsch, selbst eine Gemeinde zu leiten und der Eucharistie vorzustehen. Sie wollte und will Priesterin werden. Nur sieht die römische Sicht der Dinge anders aus: 1995 sprach der damalige Papst Johannes Paul II. ein Machtwort und stellte klar: In der katholischen Kirche wird es keine Priesterinnen geben. Damit schien die Sache abgeschlossen – bis Maria 2.0 auf den Plan trat und das Thema erneut aufwarf. Für Jacqueline Straub ist das kein Nebenschauplatz, sondern elementar: „An der Frauenfrage entscheidet sich die Zukunft der Kirche“, sagt sie im Gespräch.
Ihre offene Art gefällt nicht allen
In der Schweiz seien die Kirchengemeinden schon ein Stück weiter, berichtet sie dem SÜDKURIER. Dort könnten Frauen bereits Gemeinden leiten und Pfarrern (nach wie vor Männer) auch Anweisungen erteilen. Sie heißen offiziell Seelsorgerinnen.
Einziger Wermutstropfen: Auch sie wollte diesen Weg einschlagen und im Bistum Basel eine Pfarrei übernehmen. Dafür benötigt sie eine eigene Ausbildung, die ihr bisher verweigert wurde. „Ich durfte das nicht machen“, berichtet sie etwas niedergeschlagen. Der Grund dafür kann in ihrer offenherzigen Art liegen, die in der Schweiz nicht üblich sei. „Mit meinem Anliegen bin ich auch mal laut. Das gefällt nicht allen im Bistum Basel – aber der Bischof steht hinter mir“, sagt sie.
Plan B heiß Boulevard
Deshalb hat sie sich eine andere Arbeit gesucht. Bereits nach dem Studium stieg die Theologin in den Journalismus ein. Für die Gratiszeitung „20 Minuten“ produziert sie Videos mit interessanten Schweizer Persönlichkeiten. Das Boulevardblatt wird an allen Bahnhöfen kostenlos verteilt, es gilt als die auflagenstärkste Zeitung im Land. Mit dem Job ist sie zufrieden, peilt aber mittelfristig eine Aufgabe in der katholischen Kirche an – und will langfristig Priesterin werden. An diesem Wunsch ist bei ihr nicht zu rütteln.
Aufgaben sieht sie genug. Den Missbrauch sieht sie noch lange nicht aufgeklärt, weil einigen Repräsentanten das Interesse fehle, alles auf den Tisch zu legen. „Es werden noch mehr Menschen austreten“, weil in immer mehr Ländern der Skandal ans Licht käme. Sie selbst hat nie an dieser Institution gezweifelt. „An der Kirche zweifle ich nicht. Aber ich zweifle am Auftreten mancher amtskirchlicher Träger, die zu wenig Interesse haben aufzuklären.“ Namentlich nennt sie Kardinal Woelki in Köln.
Die Schweizer sind diskreter, stellt sie fest
Auch in der Schweiz ist sie mittlerweile eine bekannte Persönlichkeit. Dass jemand sein Anliegen so schnörkelfrei vorträgt, ist im Nachbarland eher ungewöhnlich. Man kennt sie, lässt sie aber in Ruhe. Auch deshalb lebt sie gerne in Luzern, weil man sie dort nicht anspreche. In Deutschland wurde sie häufig in Gespräche verwickelt, was sie gar nicht wollte. „Die Schweizer sind diskreter“, findet sie, deshalb lebten Promis so gerne zwischen Tessin und südlichem Bodensee.
Auch wenn ihr Anliegen derzeit auf Eis liegt, gibt sie keinesfalls auf. Die passionierte Boxerin („Fliegengewicht“) hat eines gelernt: Nicht das Hinfallen entscheidet, sondern der Mut und die Kraft, wieder aufzustehen. Beim Boxen erlitt sie bereits zwei Gehirnerschütterungen. Dennoch wird sie wieder die Boxhandschuhe anziehen, sobald die Coronaregeln dies erlauben. Auch in der katholischen Kirche wird sie nicht lockerlassen.